Tapferkeit

Soldaten im Einsatz

Sind Sie tapfer? Woher nehmen Sie Ihre Tapferkeit? Kennen Sie tapfere Menschen, die Ihnen Vorbilder sind? Oder ist nicht doch die Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit?

Es stand in der Zeitung: Wer Zivilcourage zeigt, steht automatisch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dafür müssen die Hilfesuchenden weder Anträge stellen noch Beiträge zahlen. Die Kosten werden aus Steuergeldern aufgebracht. Das ist mal eine prima Nachricht und gut zu wissen. Noch gibt es Geschichten ohne Ende von beherzten Frauen und Männern, die in brenzligen Situationen eingreifen, um andere vor Schaden zu bewahren. Häufig werden sie dabei selbst verletzt und müssen sich jahrelang mit Versicherungen herumschlagen, um die Kosten für ihre eigene Wiederherstellung einzutreiben. Zu Schmerzen und Verdienstausfall kommen oft hässliche Vorwürfe: “Selber schuld, was musste dich auch einmischen. Dabei sähe es in diesem Land besser aus, wenn Zivilcourage zu den bürgerlichen Tugenden gehörte.

Es ist eine Gratwanderung zwischen den Begriffen Mut und Tapferkeit. Oft werden sie in einem Atemzug genannt. Tapferkeit war einst die Bereitschaft zum Bekenntnis des christlichen Glaubens, und das Martyrium galt als ihr höchster Ausweis. Heute, wo wir fast alles äußern dürfen und ein Bekenntnis kaum noch gefährlich ist, werden auch die Fragen des zivilen Ungehorsams und des gewaltlosen Widerstandes unter dem Aspekt der Tapferkeit diskutiert. Aber eigentlich geht es auch hier um Mut. Denn es ist der Mut, der das Wagnis einschließt.

“Beherrscht und ohne Furcht gegen Gefahren und Schwierigkeiten kämpfend, umschreibt das Lexikon den Begriff “tapfer und fügt hinzu “sinnverwandt: mutig. Aber Courage ist etwas anderes als Tapferkeit. Sie geht von mir aus. Zum Mut entscheide ich mich, selbst aus Verzweiflung. Mag sein, dass mich eine bestimmte Situation dazu zwingt, einzugreifen trotz großer Angst, aber ich muss es wollen. Die Alternative, mich feige davonzumachen, ein Hasenfuß zu sein, bleibt mir unbenommen.

Wenn ich tapfer sein muss, ist Schluss mit der freien Entscheidung. Etwas wird mir auferlegt. Ich muss da durch, ob ich will oder nicht. Deshalb wird das rührend altmodisch wirkende Wort am häufigsten und wie in alten Zeiten im Zusammenhang mit Soldaten genannt, die ihre Aufgabe erfüllen. Sie haben, wenn sie nicht gerade ganz untapfer desertieren, keinen Einfluss auf ihren Einsatz. Den bestimmen andere. So wie in Kriegen und Krisen ist es mit Schicksalsschlägen. “Nach tapfer ertragener schwerer Krankheit Š heißt es häufig in Todesanzeigen. Tapfer erdulden Kinder den Verlust ihres Vaters, tapfer schlagen sich Eltern durchs Leben, wenn ihr Sohn an der Nadel hängt, tapfer erträgt einer sein Los, blind zu werden, ein anderer die Alzheimer Krankheit der Oma.

Wenn von Tapferkeit die Rede ist, schwingt Tragik mit. Wo immer das Wort fällt ­ der Anlass ist gewiss nicht fröhlich. Tapfer meistert die Familie Nivel ihren Alltag, nachdem der Ehemann und Vater, Polizist in Lens, von deutschen Hooligans zum Krüppel geschlagen wurde. Von Tapferkeit sprach man auch, als Christiane Herzog starb und im nachhinein bekannt wurde, dass sie von ihrem schweren Leiden schon seit Jahren wusste. Was für eine Frau! Hat trotz Schmerzen und gewiss großen Ängsten für ihre kleinen Mukovizidose-Patienten in Kameras gelächelt, in Fernsehküchen gekocht, Bücher geschrieben, Spenden gesammelt. Von ihren Repräsentationspflichten als First Lady gar nicht zu reden. Tapfer sein heißt, eine schwere Bürde tragen, ein hartes Los, manchmal auch ein Todesurteil annehmen. Und das möglichst in Würde ­ und klaglos.

“Mut, schreibt der Dichter George Bernhard Shaw, “heißt seiner Furcht gewachsen sein. Wenn ich meiner Furcht nicht gewachsen bin, muss ich tapfer sein.

Hans-Albrecht Pflästerer