Geduld

Autos im Stau auf der Autobahn

Sind Sie geduldig? Wann haben Sie zuletzt die Geduld verloren? Waren Sie schon einmal verblüfft über die Wirkung von Geduld? Kann Geduld eine Waffe sein? Oder gar revolutionär? Ist Geduld eine Frage des Alters? Und ist auch Ungeduld eine Tugend?

Nur Geduld! Immerzu wird uns Geduld abverlangt. Wenn wir jemanden telefonisch erreichen wollen, geraten wir in die Warteschleife und werden mit Musik bei Laune gehalten. Brauchen wir eine Fernsprechauskunft, dann sind meist alle Leitungen besetzt: “Bitte haben Sie einen Moment Geduld." Wenn die Verkehrsampel auf rot springt, sind wir schnell gereizt. Im Stau geht uns der Draht aus der Mütze, und Wartezimmer sind Vorhöllen.

Die Zeitungen verbreiteten jüngst diese kaum glaubliche Geschichte: Jemand hatte seinen Wagen so ungeschickt abgestellt, dass er dem Nachbarn die Zufahrt zu dessen Grundstück verbaute. Der rastete darüber völlig aus und stach mit einem Messer auf den Falschparker ein. Tödliche Ungeduld!

Wer ist geduldig? Jemand, bei dem Beharrlichkeit, Ausdauer, Mut und Hoffnung stärker sind als Enttäuschung und Ärger. Der bei Schwierigkeiten nicht gleich entmutigt aufgibt, sondern es noch einmal versucht. Der im Leid nicht alles nur sinnlos findet, sondern es zu erdulden versucht. Geduld ist nicht nur eine Frage des Temperamentes, sondern eine Grundeinstellung, die erlernt werden kann. “Geduld bringt großen Gewinn, schreibt die Theologin Hannelore Frank, “sie ist eine göttliche Eigenschaft. Nur der Ungeduldige glaubt es noch nicht.

Dabei muss nicht alles nur hingenommen werden. Nicht von ungefähr hat der Schweizer Pfarrer Kurt Marti seinen Gedichten am Rand den Titel “Geduld und Revolte gegeben". Doch Entwicklung ist keine Sache des Augenblicks, und Konflikte im Beruf oder in der Beziehung lassen sich selten auf Kommando lösen. Geduld ist selten unsere Stärke. Und auch der lange Atem nicht. Eile mit Weile? Wir wollen Fortschritt und Erfolg auf der Stelle. Dass dies machbar und möglich sei, bläut die Werbung uns ständig ein. Aber der Volksmund weiß: “Ein Augenblick der Geduld kann vor großem Unheil bewahren, ein Augenblick der Ungeduld ein ganzes Leben zerstören. Solche Weisheit darf nicht vergessen lassen, dass Geduld auch ausgenutzt und missbraucht werden kann.

Ein Schlüsselwort heißt Zeit. Entwicklung und Reife sind ein Prozess. Es dauert, bis eine Blume sich entfaltet. Saat geht erst allmählich auf. Und die Wandlung eines Menschen benötigt vielleicht ein ganzes Leben. Auch wir sind auf die Geduld und Nachsicht unserer Mitmenschen angewiesen. Tertullian, einer der bekanntesten Lehrer der alten Kirche, schreibt von der Lust, die die Geduld gewährt. Dort hat Geduld mehr die Bedeutung von der Standhaftigkeit der Bedrängten. Über die Jahrhunderte hat sich die Bedeutung des Begriffs gewandelt: von der Standfestigkeit und dem Durchhalten hin zur Langmut, nachsichtig abzuwarten, bis sich eine Lösung ergibt. Veränderungen sind nicht im Akkord zu erzwingen. Von Gott wird gesagt, dass er Menschen gegenüber nachsichtig ist und seinen Zorn zurückhält: “Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte, steht im Psalm 103. Dies könnte eine Quelle der Kraft sein, wenn unsere eigene Geduld am Ende ist, wenn der Erfolg ausbleibt, in der Krankheit, im Schmerz. Es ist nicht leicht, gegen die eigene Last geduldig zu sein.

“Die Fähigkeit, etwas auszuhalten, schreibt der Benediktiner Anselm Grün in seinem Buch “50 Engel für das Jahr über den Engel der Geduld, “nimmt heute immer mehr ab. Und doch hätten wir sie bitter nötig, um unser Leben zu meistern und die Probleme unserer Welt hoffnungsvoll zu bestehen. Vielleicht im Sinn des Marquis de Vauvenargues: Geduld ist die Kunst zu hoffen.

Hans-Albrecht Pflästerer