Hoffnung

Flutopfer suchen Halt an einem Baum

Worauf hoffen Sie? Dass das Leben glückt? Dass die Beziehung hält? Dass sich die Freundschaft bewährt? Dass ein geliebter Mensch am Leben bleibt? Dass Sie im Lotto gewinnen? Dass Ihr Lieblingsverein nicht absteigt? Dass Sie die Krankheit überwinden und genesen? Dass noch nicht alles verloren ist?

Was gibt Ihnen Hoffnung? Und was macht sie stark? Ist nicht viel Anlass zur Hoffnungslosigkeit? "Kann man die Hoffnung behalten", fragt jemand, "wenn das Leben sich immer mehr als uneinsichtig erweist?" Und tatsächlich erfahren wir so vieles, was es schädigt und schändet: Krieg und Katastrophen, Armut, Hunger und Ungerechtigkeit. Wo wir doch so große Wünsche an das Leben haben.

Hoffnung. Sie ist die Mutter unserer Sehnsüchte. Sie ist mal vermessen und mal begründet, mal nüchtern und mal banal. Sie reicht von zuversichtlicher Erwartung bis zu unbeirrbarem Ausharren. Heiterkeit, Geduld und Zuverlässigkeit sind ihre Gefährtinnen. Mit ihr kommt die Zukunft in die Gegenwart. Sie ist am Gelingen interessiert. Und sie begegnet uns in mancherlei Gestalt: in einem Tor oder einem Licht, einem Baum oder einem Wort.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, weiß der Volksmund. Aber wo Hoffnung ist, ist immer auch Furcht. Wenn sie sich als Illusion erweist, wenn sie zerbricht, bleibt ein zermürbter Mensch zurück. Wir teilen dann und wann auch die Erfahrung des Dichters William Shakespeare: "Heute sprießen der Hoffnung zarte Knospen, morgen blühen sie, und übermorgen kommt der Frost." Weniger blumig: Wieviel Hoffnung ist nach der politischen Wende in Deutschland der Ernüchterung und Enttäuschung gewichen. Nicht nur, weil die blühenden Landschaften im Osten so zäh wachsen.

Hoffnung? Sie ist mehr: Lebensgrund. Hoffnung ist wie ein Balken im Wasser. Daran klammern wir uns. In der Not. In der Krise. In der Gefahr. In der Angst. Hoffnung bewahrt uns vor der Verzweiflung. Sie hält uns über Wasser. Buchstäblich. Die Bilder der Menschen in Mosambik, die vor den Fluten auf die Reste einer Brücke flüchten und auf den rettenden Hubschrauber warten, sind uns noch eindrücklich vor Augen.

Der Mensch lebt, solange er hofft. "Wenn die Wurzeln nicht vertrocknet sind, ist der Baum noch nicht tot", weiß der Dalai Lama, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter. Hoffen heißt, "der Wirklichkeit nicht die Schleppe nachtragen, sondern die Fackel voran", meint der Theologe Jürgen Moltmann. “Meine Hoffnung steckt in meinen Beinen und in meinem Hintern", wird der amerikanische Jesuit Daniel Berrigan, der als Friedensaktivist zur Zeit des Vietnamkrieges wegen Sabotage lange im Gefängnis saß, sehr plastisch. Soll heißen: Man darf mit dem guten Ausgang einer Sache nur rechnen, wenn man anfängt, dafür zu arbeiten. Wer also hofft, findet sich nicht ab. Nimmt nicht hin, was ist und wie es ist. Nimmt Grenzen wahr, um sie zu überschreiten.

Die Hoffnung der Christen gründet in der Verkündigung des kommenden Reiches Gottes, wie immer sich dieses ausnehmen mag, und überwindet Angst und Tod. Kreuz und Auferstehung sind Symbole dafür. “Von daher ist christliche Hoffnung nach vorn gerichtet", schreibt Matthias Krieg, “nicht auf ,Erlösung in ein ,goldenes Zeitalter hinein, wie Ideologien es sich zu erträumen pflegen, sondern auf ,Versöhnung mit der Wirklichkeit. Dazu gehört der Glaube, dass Gott mitten im Wirklichen möglich ist: gestaltend, verändernd, liebend."

Hans-Albrecht Pflästerer