Glaube

Menschen beten in der Kirche

Woran glauben Sie? An Ufos? An das besondere Kraftfeld von Pyramiden? An die positive Wirkung der Hypnose oder die Heilkraft der Edelsteine? Daran, dass Frieden auf Erden möglich und Gerechtigkeit einziehen wird? An die Belastbarkeit Ihrer Beziehung? An das Gute im Menschen? Wenigstens an sich selbst? Oder nur an das, was Sie sehen?
Vielschichtig und komplex sind die Glaubensinhalte bei den Deutschen. Jede Umfrage belegt das wieder neu. Und wenn den meisten Zeitgenossen ihr Jahresurlaub auch entschieden heiliger ist als das Vaterunser, wie der Soziologe Gerhard Schmidtchen über die christliche Lebensart hierzulande befand, so ergeben solche Erhebungen doch, dass der Glaube an eine göttliche Macht - bisweilen freilich gern außerhalb der Kirche - sich redlich zu nähren weiß. Denn die Menschen sind unbeirrbar religiös. Und wenn sie auch immer wählerischer werden und sich schwer tun mit der kirchlichen Lehre - an der frischen Luft, in der Natur und unterm Sternenhimmel werden sie ganz fromm.

Ausgewiesene Atheisten sind deutlich in der Minderheit. Die Leute sind der Religion treu, auch wenn sich ihre Einstellungen gründlich wandeln, ihr Glaube sich bunter und vielfältiger artikuliert und vor allem Frauen schon mal auf außerkirchliche Sinnangebote wie Astrologie schielen, Sonne und Mond Einfluss auf ihr Leben zugestehen. Der Glaube an ein höheres Wesen lebt, auch wenn Gott immer weniger als persönliches Gegenüber bekannt wird, wie eine Studie unlängst an den Tag brachte. Und auch wenn das alte christliche Bekenntnis zu dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bei vielen nicht mehr zu den Grunddokumenten zählt.

Aber die Vorstellung von Gott als ethischer Kraft, die Denken und Handeln bestimmt, ist dem modernen Empfinden durchaus zugänglich. Wiewohl nur jeder fünfte meint, dass Gott aktiv in das Weltgeschehen eingreift, glaubt fast jeder zweite, dass er sich in uns selbst, im Menschen zeigt. Dass der Glaube an Gott Heilerfolge begünstigt, ist in der klinischen Fachliteratur immer wieder nachzulesen. Daran, dass für gläubige Menschen vieles leichter ist, ist vielen eine Vermutung wert. Zumindest im Westen geht fast die Hälfte davon aus, dass die Seele "in irgendeiner Form weiterlebt".

Jenseits aller Befragungen gehört es zu den größten Geheimnissen, glauben zu können. Manch einer hat über dem Wissen oder nach schlimmen Erfahrungen sein festes Vertrauen verloren. Der Glaube ist ein wankelmütiger Begleiter. Gibt sich mal unerschütterlich, mal verzagt, mal gewiß, mal zerbrechlich. Bisweilen basteln sich die Menschen ihre Überzeugung aus sehr verschiedenen Versatzstücken auch anderer Religionen zusammen - zu einem Patchwork, was ja noch nichts Schlechtes ist.

Glauben heißt, sich auf das zu verlassen, was man hofft und fest mit dem zu rechnen, was man nicht sehen kann, steht im Hebräerbrief des Neuen Testaments. Glaube ist das, was einen Menschen zuletzt und zutiefst bestimmt. Deutlich zeigt er sich in seinen Wirkungen, der Befreiung und der Umkehr, der Hoffnung und der Zuverlässigkeit, der Leichtigkeit und dem Vertrauen, der Hingabe und der Zuversicht. Da ein Glaube ohne Taten tot ist, wie uns die Bibel gleichfalls lehrt, und Gott keine anderen Hände hat als die unseren, wie ein Slogan vor Jahren griffig und einprägsam zuspitzte, nützt er auch den anderen. Tradition, Gewohnheit, Erziehung können ihn begründen und verändern. Da er nicht zu beweisen ist, muß er sich immer wieder neu bewähren. Oft genug outet sich der Zweifel als sein Zwilling: "Innerlich denk' ich, mein Gott, es wird dir schon jemand helfen, oder es wird schon weitergehen", sagt die jüngere Ärztin aus Ostdeutschland.

"Ob das nun echter Glaube ist? Aber eine Hoffnung sehe ich da doch, und ich, und ich wünsche mir eigentlich auch, dass ich diese nie verliere, dass man immer wieder den Punkt findet, wo man sagt, es wird schon werden." Manche gehen ganz praktisch und unbekümmert mit ihrem Glauben um, wie diese 18-jährige Gymnasiastin: "Wenn ich an Satan glaub', dann mach' ich 'ne Satansbeschwörung, und wenn sich da nichts tut, dann war da nichts." Vielleicht sollte sie es ja mal mit Gott versuchen. Der läßt sich zwar auch nicht beschwören und erhört auch gewiß nicht jedes Gebet. Aber der Glaube ist seine Gabe. Und er wird, wie der Theologe Matthias Krieg formuliert, zu einer Haltung, die zum Leben taugt.

Hans-Albrecht Pflästerer