Das Brot

Paket Knäckebrot

Eine Radtour mit der Gruppe. Nachtfahrt im Regen. Erstes Grau der Dämmerung. Einfahrt in ein Dorf. Helle Fenster. Und der Duft nach frischem Brot: Nie hat es besser geschmeckt. Warm noch. Mit krachender Kruste. Geschichten vom Brot. Jeder kennt eine. Kindheitserinnerung an Osterbrot, Hutzelbrot, Früchtebrot. Eine Erfolgsstory von der biblischen Geschichte vom Sauerteig bis zu Omas Rezept, vom Abendmahl bis zum Brotlaib als Gabe zu Hochzeit oder Einzug mit dem Wunsch: Mögen Euch Brot und Salz nie ausgehen. Die alten Ägypter haben das Brot vor 10 000 Jahren erfunden. Körner wurden zerrieben, mit Wasser vermengt und auf heißen Steinen zu Fladen gebacken. Hart und fad schmeckten sie. Erst als ein solcher Brotbrei ­ gewiß versehentlich ­ liegenblieb, anfing zu gären und erst danach gebacken wurde, gab es lockeres, weiches, schmackhaftes Brot. Der Sauerteig war erfunden. Brot wurde zum Exportschlager. Zuerst zu den Reichen nach Griechenland, von dort aus nach Rom. Ein 4000 Jahre altes Brot ist im Britischen Museum zu besichtigen, schon im untergegangenen Pompeji gab es Gemeinschaftsbacköfen. Als im vierten Jahrhundert die ersten Mühlen gebaut wurden, war die Herstellung von Mehl gesichert, Brot wurde zum Lebensmittel.

Wie unverzichtbar es ist, merken wir erst, wenn es fehlt. Jede Erinnerung an die Kriegsgefangenschaft landet bei der täglichen Ration. Einer erzählt: "Es gab keine Tische, um die man sitzen konnte. Keiner hätte sie auch gewollt. Tischgemeinschaft ist eine Erfindung der Satten oder nur ein wenig Hungrigen. Man zog sich auf sein Bett oder in seine Ecke zurück, jeder mit seinem Essensanteil allein. So klein die Schnitte war, sie wurde noch einmal geviertelt, geachtelt, gesechzehntelt. Jeder Krümel wurde mit feuchtem Finger aufgetupft. Goldstaub war nichts dagegen."

Man muß nicht Hunger gelitten haben, um sich nach unverfälschtem Geschmack zu sehnen. Nostalgie hat ihr Gutes. In Zeiten gentechnisch veränderten Getreides möchte man schon wissen, wo das Mehl herkommt. Da nützen auch 350 verschiedene Sorten Brot nichts. Es kann kein Zufall sein, daß in all der Vielfalt Mazzen wieder zu Ehren kommt: der Fladen aus Weizenmehl, Wasser und sonst nichts. Die Juden essen Mazzen als "Brot des Elends" während der Passahzeit ­ Erinnerung an all die Mühsal beim Auszug aus Ägypten.

Die Bibel ist voll von Brotgeschichten. Am berühmtesten wohl ist die Bitte im Vaterunser: Unser tägliches Brot gib uns heute. Heinz Zahrnt schreibt darüber in "Leben ­ als ob es Gott gibt": "Das Gebet um das tägliche Brot stiftet Solidarität. In Gemeinschaft genossen, schmeckt das Brot besser. Was aber, wenn den anderen das tägliche Brot, um das wir für uns bitten, fehlt? Dann essen wir gestohlenes Brot und werden nur satt, weil andere für uns hungern ... Das Gebet um das tägliche Brot verlangt von der Christenheit gleichzeitig den Einsatz für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Ohne Gerechtigkeit gibt es kein Brot, ohne Brot keine Freiheit, ohne Gerechtigkeit und Freiheit keinen Frieden in der Welt. Die Vaterunser-Bitte um das tägliche Brot lenkt den Blick wieder auf Jesus von Nazareth. In seinem Leben spielt das Brot sowohl als leibliche Realität wie als religiöses Symbol eine solche Rolle, daß man ihn selbst das 'Brot des Lebens' genannt hat."

Hans-Albrecht Pflästerer