Weniger Gewaltfilme durch Werbeverzicht der Wirtschaft

Christian Pfeiffer, Niedersächsischer Justizminister

08. August 2002

Neue Forschungserkenntnisse zum Fernseh- und Videokonsum junger Menschen zeigen, dass die Mehrheit der über 10-jährigen Kinder und Jugendlichen mindestens einmal und viele sogar mehrfach pro Woche Filme und Videos mit jugendgefährdenden Gewaltexzessen sieht. Ihre Hauptzugangsquellen sind dabei das eigene Fernsehgerät, über das inzwischen mehr als ein Drittel (im Osten mehr als die Hälfte) der Kinder und Jugendlichen verfügt, und der heimische Videorekorder. Ein Beispiel: Der Anteil der männlichen 11- bis 19-Jährigen, die täglich einen Horrorfilm sehen, hat sich zwischen 1994 und 1999 von 13,1 auf 17,3 % erhöht. Die Regel, wonach jugendgefährdende Filme erst ab 22.00 Uhr gesendet werden dürfen, wird so faktisch wirkungslos.

Das dürfen wir aus drei Gründen nicht hinnehmen:

Erstens erhöhen solche Filme bei ohnehin bereits gefährdeten und gewaltorientierten jungen Menschen in beträchtlichem Ausmaß deren Gewaltbereitschaft.

Zweitens speichern Kinder und Jugendliche die Horror-Szenen exzessiver Gewalt viel stärker in ihrem Langzeitgedächtnis als Erwachsene, weil ihr noch wachsendes, unbelastetes Gehirn besonders auf diese, die Emotionen schürenden Power-Bilder anspricht.

Und drittens gefährden solche Filme den schulischen Lernerfolg. Der nachmittags erlebte Spannungshöhepunkt von filmischen Gewaltexzessen überlagert das, was während des Vormittags aus dem Unterricht im Kurzzeitgedächtnis angekommen ist.

Angesichts dieser Gefahren müssen wir darauf hinwirken, dass solche Filme nicht mehr im Fernsehen gesendet werden. Aber wie? Moralische Appelle an die Fernsehsender versprechen wenig Erfolg. Ich habe deshalb letzte Woche 60 deutsche Unternehmen brieflich darum gebeten, nicht mehr in jugendgefährdenden Gewaltfilmen zu werben. Zur Begründung habe ich ergänzend zu den obigen Argumenten auf folgende neue Erkenntnis hingewiesen: US-Forscher haben herausgefunden, dass Werbung in blutrünstigen Gewaltfilmen erheblich schlechter im Gedächtnis gespeichert wird als die, die im Kontext von normalen Unterhaltungsfilmen gesendet wird. Sollte die Mehrheit der angeschriebenen Unternehmen meinem Appell folgen, eröffnet das eine gute Perspektive. Um ihre Werbekunden nicht zu verlieren, würden die privaten Fernsehsender dann vermutlich anstelle der Gewaltexzesse spannende Unterhaltungsfilme bringen. Die Unternehmen könnten so ihre Zielgruppen der Werbung ebenfalls erreichen. Und das Programm wäre besser.