Engel

Spiritualität

Engel (Foto epd)

Vergessen Sie alle Klischees, die Sie mit Engeln verbinden: blonde Locken, Flügel, weiße Gewänder. Pummelige Putten in Barockkirchen oder auf Gemälden. Und die Rauschgoldengel in den Kaufhäusern auch. Engel sind Botschafter einer anderen, tieferen Wirklichkeit. Mit ihnen verbinden wir, so der Benediktinerpater Anselm Grün, die Sehnsucht nach einer Welt der Geborgenheit und Leichtigkeit, der Schönheit und Hoffnung, die Sehnsucht nach Hilfe und Heilung, die nicht aus uns selber kommt.

Engel haben Namen. Sie heißen Michael, Gabriel oder Raphael. Und sie haben Konjunktur. Mit der Wiederkehr der Religion kommen auch sie zurück. Moderne Künstler wie Marc Chagall, Paul Klee oder Salvador Dali nehmen sie zum Motiv. “Engel träumen nicht allein”, singt Bernd Clüver, und Juliane Werding nennt ihre Schallplatte “Zeit für Engel”. Christoph Blumhardt, der württembergische Theologe und Politiker, der seinen Pfarrertitel verlor, als er in die SPD eintrat, verabschiedete seine Gäste gern mit dem Satz: “Ich geb’ dir heut‘ ’nen Engel mit.” Schützen sollte er und bergen. Der Hamburger Verein “Andere Zeiten”, der sich um ein bewussteres Wahrnehmen der Kirchenjahreszeiten und deren Inhalte müht, wird in diesem Jahr eine handliche Bronzegestalt aus Maria Laach zum 500 000. Mal verkaufen.

Engel sind Wegbegleiter. Die Bibel ist voller Engel, die den Menschen beschützen und ihm in konkreten Nöten zu Hilfe kommen. Im Alltag wie auf Reisen. Im Auto wie im Karussell. Dem resignierten Propheten Elia macht Gottes Bote Beine. Den Apostel Petrus befreit er aus dem Gefängnis. Jesus stärkt er am Ölberg. Nicht selten nimmt er die Gestalt von Menschen an. Menschen, die einen vor Unheil bewahren.

Gott schickt seine Boten in die wirklichen Situationen des Alltags. Ein Kind wird vom Auto erfasst – und bricht sich nur einen Finger. Ein anderes stürzt aus dem Fenster - und bleibt unverletzt. Ein Mann kehrt von der Reise zurück – das Flugzeug, das er ursprünglich nutzen wollte, stürzt ab. Man muss die himmlischen Wesen freilich nicht herausfordern. Den Straßenverkehr begleitet eine freundliche Mahnung: Fahre niemals schneller, als dein Schutzengel fliegen kann.

“Wir müssen an Engel nicht glauben”, schreibt Anselm Grün, “Engel lassen sich erfahren.” “Wenn uns Gott nicht die lieben heiligen Engel zu Hütern gegeben hätte, welche wie eine Wagenburg um uns lagern, so wäre es bald mit uns aus”, erkennt der Reformator Martin Luther. “Besser keine Welt als eine Welt ohne Engel”, meint die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger. Und in den Liturgien des Klosters Maulbronn finden sich diese Zeilen: “Ich bin dein Schutzengel, eins mit dir von Geburt bis zum Tod. Ich bin bei dir, in dir, neben dir, über dir, hinter dir. Ich bin, wer du sein sollst und im Innersten sein willst. Ich trauere mit dir und weine mit dir, ich freue mich mit dir und liebe mit dir. Ich schütze dich, ich kämpfe für dich, ich leite dich. Wann immer du mich rufst, bin ich schon bei dir, und ich helfe dir auch dann, wenn du es nicht weißt. Meine Flügel umhüllen dich wie ein leuchtendes Kleid. Ich bin Gottes Segen. Immer bei dir.”

Hans-Albrecht Pflästerer