Einbringung des mündlichen Berichtes des Diakonischen Werkes der EKD "Versöhnt und evangelisch profiliert"

6. Tagung der 10. Synode der EKD (Dresden, 04. - 07. November 2007)

Präsident Klaus-Dieter K. Kottnik

-redigierte Fassung -

Herr Vizepräses, liebe Schwestern und Brüder!  Ich freue mich, dass ich sozusagen ziemlich genau auf den Tag nach neun Monaten im Amt den ersten Bericht an die Synode geben kann. Bei dieser Gelegenheit darf ich sagen, was in dieser Zeit geboren wurde. Bei der Synode in Würzburg war ich ja noch als Gast dabei, und bei dieser Synode wurde ich von dem einen oder anderen auf das Bild des Tandems angesprochen, das der Ratsvorsitzende bei der Diakonischen Konferenz 2006 in seiner Predigt verwend

et hat zur Bestimmung des Verhältnisses zwischen Diakonie und Kirche. Er wollte damit sagen, dass Kirche und Diakonie untrennbar zusammengehören. Weil aber bei einem Tandem nicht eindeutig klar ist, wer vorne, wer hinten sitzt, wer tritt und wer lenkt, und Wolfgang Huber auch diese Fragen gehört hat, ist er ins Internet gegangen und hat gesucht, und er hat noch etwas anderes gefunden und dann das Bild präzisiert. In England hat man nämlich ein „Sociable“ entwickelt, ein „Miteinandem“. Lenken und Fahren sind hier nicht nur gleichberechtigt, sondern notwendig aufeinander bezogen, man hat einander im Blick und man erreicht nur etwas miteinander. Kirche und Diakonie gehören untrennbar zusammen. Das ist ein Bild, hinter das ich mich sehr gerne stelle und hinter das wir uns als Diakonisches Werk auch sehr gern stellen.

Seit seinem großen Geburtstag vor wenigen Wochen ist Bischof Huber auch Eigentümer eines solchen „Miteinandems“. Es wurde ihm als Geschenk des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg – Schlesische Oberlausitz – nach der Herstellung durch Jugendliche einer diakonischen Lehrwerkstatt überreicht, und es ist nun auch hier auf der Synode zu besichtigen. Ich will es Ihnen zeigen.

Wenn Sie, Bruder Huber, einverstanden sind, machen wir es zum Schluss, zum Abschluss meiner Rede, denn Sie sollen ja noch ein bisschen gespannt sein auf das, was ich zu sagen habe. Ein Miteinander – man tritt zusammen, man lenkt zusammen. Man muss das Miteinanderlenken und -treten auch ein bisschen üben. Wir haben es noch nicht geübt, wir werden es nachher zum ersten  Mal miteinander versuchen.

Ich habe den Inhalt des Bildes versucht, auf die Formel zu bringen: Versöhnung nach innen und evangelisches Profil nach außen. Versöhnen meint nach neutestament-lichem Verständnis noch mehr, als sich lediglich zu vertragen. Versöhnen meint auch, einen Ortswechsel vorzunehmen. Nicht in erster Linie den eigenen Standort zu sichern, sondern sich auf neue und überraschende Perspektiven einzulassen. Als Diakonie sind wir Kirche mitten in der Welt, und wir sind bereit, die Welt auch vom Standpunkt anderer aus zu sehen. Zugleich sind wir eben aber auch Kirche – erkennbar und nicht undeutlich. Und wir sind evangelische Kirche – in Freiheit, aber gebunden an die Schrift und das Bekenntnis.

Kürzlich wurde mir von einem Kollegen eines anderen Wohlfahrtsverbandes mit einem gewissen Genuss in der Stimme, so sage ich, ein Text überreicht, von dem ich denke, dass er auch bei uns in der Kirche an der einen oder anderen Stelle geteilt wird. In diesem Text heißt es: „Die Diakonie ist da, sie war da, und sie wird da sein ... Die Diakonie ist zum Beispiel da, wo deutsche Kinder in den Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt gehen … und da, wo in einem konfessionell nicht gebundenen Hospiz unheilbar Kranke menschliche Nähe zu Fremden spüren. Sie ist da, wo Menschen Menschen helfen...“.

Wozu bedarf es dann eigentlich noch einer eigenen Diakonie, einer kirchlichen Diakonie, wenn sich Diakonie an so vielen Stellen verwirklicht? Und folgerichtig wird immer wieder auch laut gedacht, dass, wenn Diakonie überall geschieht, wenn Diakonie den gleichen Wettbewerbsregeln unterliegt, andere Anbieter das letztlich genauso gut können. Wenn das wirklich so ist, soll man dann diesen Bereich nicht auch den anderen überlassen? Die Kirche schämt sich manchmal ihres Alter Ego, das sich soweit in das Dickicht der Welt hinein begibt.

Andererseits sind es in unserem kollektiven kirchlichen Gedächtnis immer noch die großen Persönlichkeiten der „Anstaltsdiakonie“ wie Friedrich von Bodelschwingh, Wilhelm Löhe, oder ich nenne den, aus dessen Einrichtung ich komme, Ludwig Schlaich. Wir denken an die Diakonissen der Mutterhäuser und an die Diakoninnen und Diakone, die die Vorstellung von Diakonie bis heute prägen – und dies durchaus noch im öffentlichen Bewusstsein unserer Gesellschaft.

Es tut sich hier in jüngster Zeit ein Spannungsfeld auf.


Das öffentliche Interesse rückt sowohl die Diakonie als auch die Caritas – gerade diese beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände - deutlicher ins Blickfeld und legt an beide im Rahmen der Wohlfahrt eine besonders hohe Messlatte zur Bewertung ihrer Arbeit. Diese Aufmerksamkeit ist nicht immer die, die wir gerne hätten. „Heuschrecken unter dem Kreuz“ so schrieb Der Spiegel oder die Bezeichnung „Wohlfahrtskartell“, so die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, für Diakonie und Caritas als Kennzeichen der kirchlichen Sozialarbeit bilden nicht mehr die Ausnahme. Unsere Einrichtungen haben in der Gesellschaft eine hohe Akzeptanz. In der kritischen Betrachtung wird aber nach dem gefragt, was im Wettbewerb das eigentliche Profil unserer Arbeit ausmacht. Wir beschreiben zur Zeit – ich werde darauf nachher noch einmal zurückkommen -  in unserem Hause „Merkmale einer diakonischen Kultur“ für die Einrichtungen. Für die Krankenhäuser wurde ein eigenes Zertifikat entwickelt durch unsere Zertifizierungsgesellschaft proCum cert, durch das Spezifika eines christlichen Krankenhauses testiert werden können. Hinzu kommt das europäische Wettbewerbsrecht. Und das gewinnt auf die Gestaltung unseres Sozialstaates Einfluss und damit auch Einfluss auf die Diakonie.

Schon jetzt müssen die beruflichen Bildungsbereiche ihre Arbeit gemäß der Vergabeordnung unter die Maßgabe eines wettbewerblichen Ausschreibungs-verfahrens stellen, nach der häufig der billigste Anbieter, nicht aber der qualitativ beste die Ausschreibung gewinnt.

Das ist etwas Neues und das treibt uns im Diakonischen Werk sehr um. Mit der Beschwerde eines Hotelbesitzers bei der europäischen Kommission über vermeintliche Wettbewerbsverzerrungen bei einer Familienferienstätte ist eine neue Qualität eingetreten. Es muss nunmehr der gemeinnützige Mehrwert nachgewiesen und auch in Euro beziffert werden. Dieser sogenannte AWO Sano-Fall wird wahrscheinlich Folgen haben, denn weitere Verfahren stehen an. Es könnte darauf hinauslaufen, dass überall dort, wo neben Leistungsentgelten auch Zuschüsse (z. B. zu Investitionen) gewährt werden, diese mit ihrem zusätzlichen gemeinnützigen Wert belegt werden müssen. Da müssen wir also die Seelsorge, die wir bisher in unseren Einrichtungen betreiben, wenn sie finanziert wird, aus kirchlichen Mitteln extra zum Beispiel in Euro ausweisen.

Wir sehen die Gefahr, dass – sollte dieser Prozess weiter gehen – am Ende die völlige Gleichstellung im Wettbewerb mit den gewinnorientierten Anbietern sozialer Arbeit steht und damit die Auflösung dessen, was wir heute noch freie Wohlfahrtspflege nennen.

Deshalb engagieren wir uns im Haus konsequent für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Gemeinnützigkeitsrecht im Lande, das tut insbesondere Vizepräsident Dr. Teske. Aber wir tun es auch auf europäischer Ebene durch unser Europa-Büro. Sie wissen, dass die Diakonie nach dem Grundgesetz als Lebens- und Wesensäußerung der Kirche zur Kirche dazugehört, zum rechtlichen Raum der Kirche. Aber dieser rechtliche Raum, der uns zugewiesen wird als In-Eins-Setzung von Diakonie und Kirche als dem einen Raum der Kirche, hat gute theologische Gründe.

Ich möchte nicht auf alles hinweisen, aber auf eines: die Befähigung zur Diakonie. Sie gehört zu den Charismen der Gemeinde. Wir brauchen nur im 1. Korintherbrief, Kapitel 12, nachzulesen. Und mit der Geschichte der Wahl des Stephanus mit sechs weiteren Armenpflegern in der Urgemeinde wird eine wesentliche Gründungsgeschichte der Diakonie erzählt. In dieser Geschichte wird anschaulich, dass Dienst und Verkündigung in der Diakonie zusammengehören, denn es war auch Folge der Diakonie, dass sich das Wort ausbreitete. Deshalb rede ich bei der Diakonie nicht nur von der Lebensäußerung der Kirche, sondern gerne auch von einem Wesensmerkmal neben Zeugnis, Liturgie und Gemeinschaft.
In der neueren Forschung konnte gezeigt werden, dass diakonein in erster Linie „überbringen“ heißt. Das kann Essen sein, das kann aber genauso gut eine Botschaft sein. Der Akzent verschiebt sich hier zum Dienen als kommunikative Aufgabe. Als Diakonie haben wir eine Botschaft zu überbringen in Wort und Tat. Diakonie ist auch Botschafterin einer Nachricht, die der Welt fremd ist. Wir haben den Anspruch, Dienstleistung und Evangelium in Beziehung zu setzen. Deshalb denken wir, dass zu den Exzellenzzentren, über die wir im Rahmen des Reformprozesses der Evangelischen Kirche nachdenken, auch diakonische Einrichtungen gehören, durch die Kirche erfahrbar wird. An Wicherns Erkenntnis ist nicht zu rütteln: „Als Innere Mission gilt uns die gesamte Arbeit der Liebe, welche.. innerlich und äußerlich erneuern will..., ohne dass sie... von den jedesmaligen geordneten christlichen Ämtern erreicht werden.“

Wir erreichen mit der Diakonie Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden als Kirche. Ihnen gilt unser Zeugnis genauso. Dass wir eine verändernde Botschaft haben und durch sie die Welt umerziehen und umgestalten, das soll in unseren Einrichtungen in der Begegnung mit Menschen, die unsere Assistenz brauchen, und nicht zuletzt in Bezug auf die vielen, in der Diakonie tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Verantwortlichen von Politik und Gesellschaft spürbar werden.

Vonseiten des Diakonischen Werkes unternehmen wir dazu Folgendes:

Wir haben ein groß angelegtes Projekt unter Beteiligung einer Vielzahl von Verantwortlichen aufgelegt. Dieses Projekt – ich sagte es schon – trägt den Titel „Merkmale einer diakonischen Kultur“. Wir merken, dass sich mittlerweile immer mehr Interessenten melden, die an möglichen Folgeprojekten mitwirken wollen. Wir tragen viele Beispiele guter Praxis zusammen, die anregen sollen, in den Einrichtungen der Diakonie eigene Maßnahmen der diakonischen Profilierung durchzuführen. Wir erarbeiten Führungsseminare unter dem spezifischen Blickwinkel diakonischer Leitung. Wie können theologische Erkenntnisse und modernes Führungshandeln miteinander in Verbindung gebracht werden? In vielen Unternehmen gibt es diakonische Grundkurse, Einarbeitungsseminare und ähnliche Veranstaltungen – und ich begrüße es, dass das manchmal auch zusammen mit Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern geschieht.

Bei der großen Reformtagung in Wittenberg im Januar 2006 wurde die Idee geboren, dass jede Gemeinde mindestens ein diakonisches Projekt – möglichst im Verbund mit einer diakonischen Einrichtung – verwirklichen soll. Ich glaube, wir haben viele Chancen, wenn wir an die schon vorhandenen Erfahrungen der Vernetzung zwischen Gemeinde und Diakonie anknüpfen. Ich denke dabei an das Wohnen von behinderten und pflegebedürftigen Menschen in Einrichtungen mitten in der Gemeinde. Ich denke an Projekte der „Sozialen Stadt“ bei denen es zu intensiven gemeindlich-diakonischen Netzwerken unterschiedlicher Akteure kommt, in die sich auch Ehrenamtliche einbringen. Die Diakonische Konferenz hat sich am 16. Oktober 2007 ausdrücklich für vielfältige Netzwerkbildungen zwischen Gemeinden und den diakonischen Unternehmen ausgesprochen und den Auftrag zu einer Arbeitsgruppe gegeben, die in einem längeren Prozess solche Netzwerkbildungen fördern und begleiten soll. Dies ist ein klares Bekenntnis zu einer diakonischen Kirche der Freiheit im 21. Jahrhundert!

Auch der ökumenischen Diakonie ist die Nähe zu den Gemeinden wichtig. Es wird Beteiligungsmöglichkeiten an Projekten, Partnerschaften und Multiplikatorenreisen geben, durchgeführt von Brot für die Welt.

Vor 160 Jahren wurde der Zentralausschuss der Inneren Mission gegründet. Die 200. Geburtstage von Wilhelm Löhe und Johann Hinrich Wichern werden im kommenden Jahr gefeiert werden. Es wird dazu Veranstaltungen im ganzen Lande geben. Offiziell wird das Wichernjahr durch das Diakonische Werk am 1. Februar 2008 mit einem Empfang, gemeinsam mit der Bundeskanzlerin, begonnen. Es endet mit der Diakonischen Konferenz in Hamburg im Oktober 2008, auf der auch der Bundespräsident zugegen sein wird. Die EKD und das Diakonische Werk der EKD gemeinsam veranstalten einen Kongress im Juni, um neue Wege der beruflichen Bildung vor allem für benachteiligte junge Menschen der Öffentlichkeit vorzuführen. Hier sind wir gemeinsam am Puls der Fragen Wicherns für die Zukunft junger benachteiligter Menschen.

Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste im Diakonischen Werk wird ebenfalls einen Kongress durchführen, in dem die Spiritualität in der diakonischen Leitung in den Mittelpunkt gerückt wird. Gemeindeaufbau und Aufbau von Diakonie werden dabei ganz nahe beieinander gesehen.

Lassen Sie mich einige Punkte aus der politischen Arbeit unseres Hauses erwähnen.

In neuem Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflege finden sich viele Impulse wieder, die bei uns im Diakonischen Werk erarbeitet und in den politischen Meinungsbildungsprozess eingebracht wurden. In einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Ratsvorsitzenden Bischof Huber und mit Ministerin Ulla Schmidt am 10. Oktober 2007 unter dem Titel „Bedürftige Pflege“ konnten wir deutlich machen, dass Pflege auch ein Beziehungsgefüge ist, für das Zeit gebraucht wird. Wir sprechen uns als Diakonie für eine Transparenz der Leistungen aus und tun einiges dafür. Wir haben ein Qualitätshandbuch dafür entwickelt. Wir halten die MDK-Berichte dafür für ungeeignet. Darin können Menschen, die ein pflegerisches Angebot brauchen, nicht erkennen, was sie dort bekommen.

Gleichzeitig bedauern wir, dass es nicht gelungen ist, die Pflegeversicherung auf eine nachhaltige finanzielle Grundlage zu stellen. Wir hatten dazu Vorschläge unterbreitet, die durchaus auch Gehör gefunden haben. Weil das aber nicht gelungen ist, wird uns das Thema weiter beschäftigen. Ambulante Pflegeeinrichtungen werden mit Kirchengemeinden zusammen die Bedarfe der pflegebedürftigen Menschen in einem Sozialraum gemeinsam bewältigen können. Dazu können sich Gemeinden und diakonische Einrichtungen zusammentun. Das geht auf Vorschläge von uns zurück. Hier wird sich ein ganz neues Feld des Zusammenwirkens auftun.

Ich bin froh, dass Bischof Huber das Thema Kinderarmut in seinem Ratsbericht so deutlich zum Thema gemacht hat. Seit meinem Amtsantritt vor neun Monaten beschäftigt mich dieses Thema intensiv. Die Fakten dazu muss ich nicht wiederholen.

Das Diakonische Werk der EKD hat gemeinsam mit der Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder eine Handreichung für den Umgang mit Kinderarmut und Kindervernachlässigung erarbeitet. Wir setzen uns für den Ausbau der Kindereinrichtungen zu Familienzentren ein und richten unser Augenmerk vor allem darauf, dass sich Kindereinrichtungen zu Bildungseinrichtungen weiterentwickeln und dass dafür die erforderlichen Qualifizierungen vorgenommen werden.

Denn eine Tatsache erschreckt uns immer noch: Kinder aus sogenannten prekären Verhältnissen bekommen bis zum 6. Lebensjahr in der Regel gerade einmal sechs Stunden Geschichten vorgelesen, Kinder aus Mittelstandsfamilien durchschnittlich 1000 Stunden. Hier liegt eine umfassende gesellschaftliche, aber auch eine umfassende diakonische Aufgabe für die Zukunft der Kinder. Wir kämpfen dafür, dass gerade Kinder aus armen Verhältnissen Tagesangebote als Bildungsangebote erhalten. Ich habe dies bei einem Besuch bei Ministerin von der Leyen sehr deutlich mit ihr besprochen. Wir haben dabei auch eine inhaltliche Übereinstimmung gehabt. Auf der Arbeitsebene wird deshalb von unserem Haus intensiv mit dem Familienministerium zusammengearbeitet, um die Konzeptionen weiterzuentwickeln.

Gerade langzeitarbeitslose Menschen – und Kinder aus armen Verhältnissen, das wissen wir, kommen zumeist aus Familien, die arbeitslos sind – haben nicht am Aufschwung des Arbeitsmarktes Anteil. Das Diakonische Werk legt Wert auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und hat dazu ein Modell entwickelt, das sogenannte Passiv-Aktiv-Transfer-Modell. Darin geht es darum, dass, statt Arbeitslosigkeit durch ALG I oder II zu finanzieren, sozialversicherungspflichtige Arbeit mitfinanziert wird. In den Programmen der Bundesregierung, vor allem im kommunalen Kombilohnmodell, erkennen wir Anregungen aus unserer Arbeit wieder. Wir arbeiten daran, dass in einer Region unser Modell einmal vollständig umgesetzt wird. Wir haben dazu auch ein gewisses grünes Licht vonseiten des Arbeitsministeriums.

Wir haben im Diakonischen Werk der EKD zum Thema Migration eine neue Rahmenkonzeption verabschiedet, die Wege aufzeigt, wie in den Einrichtungen der Diakonie und in den Kirchengemeinden mit Menschen mit Migrationhintergrund zusammengewirkt werden kann. Es werden darin auch Anregungen gegeben, die unter unserer Mitwirkung für den nationalen Integrationsplan entwickelt worden sind. Dabei gibt es Hilfestellungen, wie all unsere Dienste besser für Migrantinnen und Migranten geöffnet werden können, gleichzeitig aber auch dazu, wie ihre Bedürfnisse in der Öffentlichkeit noch besser zum Zuge kommen können. Hier stellen wir uns einer der großen Herausforderungen der Gegenwart.

Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur ökumenischen Diakonie sagen, die ja zum Diakonischen Werk gehört. Ich verweise auf den ausführlichen Bericht des Ausschusses für Ökumene und Diakonie. Aber ich möchte einige kurze Passagen zum Thema Klimawandel, „Kirchen helfen Kirchen“, Somalia und die Zusammenarbeit mit dem EED anfügen.

Lassen Sie mich zunächst sagen, dass das Gesamtspendenaufkommen für die Aktionen „Brot für die Welt“, „Diakonie Katastrophenhilfe“ und „Hilfe für Osteuropa“ im Jahre 2006 61,7 Millionen Euro betrug. Das sind die Spenden, die für unsere Werke aufgebracht worden sind.

Zu dem Thema „Klimawandel“. Um die Bearbeitung dieses Themas hat sich meine Kollegin Cornelia … ganz große Verdienste erworben. Vor allem die Zielgruppen von „Brot für die Welt“ und „Diakonie Katastrophenhilfe“, die Kleinbauern, Fischer, die einheimischen Bevölkerungsgruppen sind vom Klimawandel existenziell betroffen. Der Klimawandel gefährdet bereits jetzt die Ernährungssicherung der betroffenen Gruppen. Deshalb wurde er zu einem Schwerpunktthema der beiden Aktionen „Brot für die Welt“ und „Diakonie Katastrophenhilfe“. Gemeinsam mit „German watch“ wurde ein Studienprozess zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungslage des Südens begonnen. Daraus sollen Schlüsse für die Langzeitarbeit mit unseren Partnern gezogen werden. Es ist notwendig, Anpassungsmaßnahmen zur Sicherung der Ernährung auf globaler Ebene vorzunehmen und ebenso die politische Arbeit vor Ort argumentativ zu verstärken. Der Studienprozess soll nach Abschluss ab 2008 handlungsleitend für die Programm- und Lobbyarbeit werden, aber auch für die Initiativen in den Gemeinden, für die wir die Ergebnisse zur Verfügung stellen werden.

In der akuten Nothilfe wird die Vorsorge immer mehr zum Bestandteil der gesamten Hilfe. Die Vorsorge wurde zu einem großen Pilotprogramm ausgebaut, mit dem die „Diakonie Katastrophenhilfe“ Vorreiter im internationalen ökumenischen Hilfswerk für humanitäre Hilfe – ACT International – ist. In Ländern Südostasiens wurden aufgrund der Erkenntnisse Modellprojekte initiiert, wodurch das Engagement der beiden Schwesterorganisationen für die Ärmsten in den Entwicklungsländern angesichts des Klimawandels unterstrichen wird.

Ein Wort zu "Kirchen helfen Kirchen".  Die Zusammenarbeit zwischen der Union Evangelischer Kirchen  und der Ökumenischen Diakonie des Diakonischen Werks der EKD hat sich weiter verbessert. Das Ziel, das Programm "Kirchen helfen Kirchen" mit 2 Millionen jährlich ausgestattet, wurde stabilisiert. Personell wurde die Zusammenarbeit verflochten durch die Mitwirkung des Diakonischen Werks bei den Ökumenereferentenrunden der UEK und die Einsetzung einer Begleitgruppe seitens der UEK, mit der zusammen der fachliche Austausch gepflegt wird und insbesondere die Jahresplanung durchgeführt und die Förderanträge von UEK-Kirchen gesichtet werden. Im Projektausschuss "KEK/HFO" wirken drei von der UEK entsandte Mitglieder mit. Man ist sich in der Zielsetzung einig, dass die Mittel durch vernetztes Engagement über Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising weiter ausgebaut werden.

Ein Thema, das in unserer ökumenischen Diakonie zurzeit ganz besonders heftig umtreibt, ist das Thema „Somalia“. Im Dezember 2006 begann die Übergangsregierung Somalias, unterstützt durch das äthiopische Militär, den Krieg gegen die „Coalition of Islamic Courts". Im Januar 2007 intervenierte die US-Luftwaffe im Rahmen ihres Anti-Terrorkampfes “Enduring Freedom“ und bombardierte Ziele in Süd-Somalia. Leidtragende war jedes Mal die durch jahrelange Rechtlosigkeit und Naturkatastrophen ohnehin schon schwer gebeutelte Zivilbevölkerung. Hunderttausende flohen seitdem aus ihren Siedlungen und aus der Hauptstadt. Eine halbe Million Menschen ist dringendst auf humanitäre Hilfe angewiesen, d.h. auf Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Zelten sowie auf physische und psychische Betreuung.

Aufgrund der Kampfhandlungen und der Übergriffe auf humanitäre Helfer sind jedoch nahezu alle internationalen Hilfsorganisationen aus Mogadischu abgezogen. Die 1994 von uns gegründete Partnerorganisation DBG muss und will bleiben; denn sie gehört zu den ganz wenigen lokalen humanitären Hilfsorganisationen uUnd damit auch zu den ganz wenigen Organisationen, die jetzt noch helfen können. Auch ihr Büro wurde zerstört. Ein Arzt unserer Partnerorganisation und ein Helfer kamen ums Leben, Wachleute wurden verletzt. DBG führte und führt dennoch seine Arbeit mit ungeheurem Einsatz und unter unsäglichen Bedingungen fort.

Diese Katastrophe findet in den Medien so gut wie keine Resonanz. Spendengelder flossen darum kaum, und auch dem Auswärtigen Amt sind mittlerweile die Mittel dafür ausgegangen. Dank des unermüdlichen Einsatzes von DBG und der Zusammenarbeit von Caritas International, Difäm, Diakonie Katastrophenhilfe und durch die Finanzierungen des Auswärtigen Amtes konnten seit Beginn des Jahres rund 100 000 Bürgerkriegsopfer in unterschiedlichem Umfang mit Hilfeleistungen erreicht werden. Dramatisch ist aber, dass die Diakonie Katastrophenhilfe mit DBG einen der ganz wenigen Zugänge zum Ort des Geschehens besitzt und helfen könnte, wo kaum mehr andere internationale Hilfe hinkommt, aber die DKH kein Geld mehr hat. Unsere Partner flehen uns fast täglich am Telefon so um Gelder an wie die Bevölkerung, die in absoluter Not schreiend und weinend den Eingang zum DBG-Camp belagert. Das Thema treibt uns um und könnte vielleicht auch zu einem Thema auf dieser Synode werden.

Ich möchte kurz die Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst ansprechen. Die Kooperation mit dem EED vertieft sich erwartungsgemäß: In diesem Jahr fanden bereits zwei Sitzungen der jeweiligen Bewilligungsausschüsse in gemeinsamer Beratung statt. Sie erprobten das geplante neue Verfahren personenidentischer Bewilligungsausschüsse. Dafür sind nunmehr die Weichen gestellt. Ab dem Jahr 2008 werden die Ausschüsse personenidentisch tagen, sodass alle Gremienmitglieder die Projekte beider Häuser miteinander beraten; die Stäbe tun dies ohnehin schon seit längerem.

Die Beratungen über eine gemeinsame Stiftung unter dem Namen „Brot für die Welt“ sind abgeschlossen, und wir hoffen, dass sie in Bälde an den Start gehen kann.

Die Kooperation beider Werke steht in einem größeren Zusammenhang des zunehmend engeren Zusammenarbeitens aller westeuropäischen kirchlichen Entwicklungshilfswerke. Sieben davon inklusive der beiden deutschen sind gerade dabei, eine neue Bürogemeinschaft in Addis Abeba einzugehen. Letztlich fügen sich solche Kooperationen auch in die größeren Planungen des im Schoß des ÖRK im Aufbau begriffenen weltweiten Netzwerkes kirchlicher Entwicklungshilfswerke aus Nord und Süd und Kirchen aus dem Süden, ACT Development.

Anfang des Jahres 2007 wurde es in Nairobi gegründet, Gastgeber war der Allafrikanische Kirchenrat. Das neue Netzwerk vereint mit seinen bisher 55 Mitgliedsorganisationen Programme in 157 Ländern mit mehr als 14.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und einem Mittelvolumen von mehr als 1Milliarde US Dollar. Damit ist es auch jetzt schon eines der weltweit bedeutendsten Netzwerke und kann bei Politik und Medien weltweit öffentliches Gehör für sich reklamieren.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Schluss. Das Diakonische Werk – ich glaube, das ist in der Synode bekannt – hat im Jahr 2003 einen großen Umstrukturierungsprozess vorgenommen. Ein Teil davon war die Aufstellung der Zentren in Berlin-Dahlem. Verschiedene Ziele wurden mit der Umstrukturierung verfolgt: die Erhöhung der Servicequalität des Diakonischen Werkes für seine Mitglieder, die Einbindung der Landes- und Fachverbände als Partner, die Verbesserung der Lobbyarbeit bei der Politik, effektive und effiziente Arbeitsprozesse, eine Verbesserung der Unternehmenskultur und die Schaffung einer transparenten Aufbauorganisation. Diese Ziele wurden seither in unterschiedlichen Maßnahmen umgesetzt. Inwiefern die angestrebten Ziele verwirklicht wurden und was noch nachjustiert werden muss, wird derzeit in einem groß angelegten Evaluationsprozess im Diakonischen Werk erarbeitet. Wir wollen daraus bis zum Frühjahr Folgerungen ableiten, was wir noch weiter verändern und verbessern müssen.

Bemerken möchte ich noch, dass der Wille zu einer guten Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der EKD ebenso wie mit den anderen Mitgliedern, den Freikirchen, auf allen Ebenen in unserem Hause gut ausgeprägt ist und, dass vieles in einer guten Weise ineinander greift. Wir arbeiten mit dem Kirchenamt daran, wie die Zusammenarbeit noch effizienter gestaltet werden kann, indem auch Doppelarbeit von Kirche und Diakonie vermieden wird und der eine etwas für den anderen tut. Mit einem Wort: Das „Miteinandem“ ist in Fahrt.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich verbinde damit auch die Hoffnung, dass das Wort „Diakonie“ wegen seines Inhaltes selbstverständlich in unserem Reden über die Kirche vorkommt. Jetzt könnten wir eigentlich den Versuch machen, gemeinsam zu fahren.


Dresden, 04. November 2007