EKD: Kommunitäten können evangelische Spiritualität stärken

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) beobachtet ein wachsendes Interesse an Kommunitäten und geistlichen Gemeinschaften. Vor allem Angebote wie "Kloster auf Zeit" seien bei jungen Menschen sehr gefragt, heißt es in einem Votum des Rates der EKD, das am Donnerstag in Hannover veröffentlicht wurde. Im Vorwort beschreibt der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber die Kommunitäten als "einen Schatz der evangelischen Kirche" und "Leuchttürme evangelischer Spiritualität".

Evangelische Spiritualität sei auf Gemeinschaften angewiesen, die sich dem verbindlichen gemeinsamen geistlichen Leben verschrieben hätten, erklärt Bischof Huber weiter. Gerade die Mischung aus geistlicher Verdichtung und ökumenischer Offenheit mache die Faszination der Kommunitäten aus: "Für eine bestimmte Dauer und biographische Wegstrecke möchte man eintauchen in ein Klosterleben, möchte einen Raum der Stille mitten im Strom der Zeit entdecken und so Halt finden vor Gott und in sich."

In Deutschland gibt es der Übersicht zufolge etwa 120 geistliche Gemeinschaften und rund 100 diakonische Gemeinschaften. Darunter finden sich etwa ordensähnliche Kommunitäten und Klöster, Bruder- und Schwesternschaften, sowie Familiengemeinschaften. Die Mitglieder leben nach bestimmten Regeln oder einer kommunitären Ordnung. Die Kommunitäten finanzieren sich überwiegend durch die gemeinsame Arbeit oder Einkünfte aus Berufstätigkeit. Zudem werden viele Kommunitäten von Freundes- und Förderkreisen finanziell unterstützt.

In einigen evangelischen Gemeinschaften leben auch Mitglieder anderer Konfessionen, zudem sind die meisten Kommunitäten mit ähnlichen Initiativen anderer Kirchen verbunden. Konfessionelle Unterschiede seien nicht überwunden, aber zu Gunsten gemeinsamer christlicher Orientierung in den Hintergrund getreten, stellt die EKD fest. In dem Votum "Verbindlich leben" wird dafür geworben, Berührungsängste oder Konkurrenzdenken zwischen örtlichen Kirchengemeinden und geistlichen Lebensgemeinschaften zu vermeiden. In diesem Zusammenhang empfiehlt die Stellungnahme unter anderem eine formelle Anerkennung der Kommunitäten durch die Kirchenleitung, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

Als Stadtkloster oder Eremitage auf dem Lande könnten die geistlichen Gemeinschaften "kommunitäre Profilgemeinden" bilden, heißt es. In einer konstruktiven Beziehung zur Gemeindestruktur der evangelischen Kirche könnten sie "segensreich wirken".

14. Juni 2007

EKD-Pressemitteilung "Verbindlich leben" – evangelische Spiritualität stärken

Editorial "Auszeit im Kloster"

EKD-Text 88 "Verbindlich leben. Kommunitäten und geistliche Gemeinschaften in der Evangelischen Kirche in Deutschland – Ein Votum des Rates der EKD zur Stärkung evangelischer Spiritualität"


Sehnsucht nach Gott und mehr Gemeinschaft

Christen finden in Kommunitäten eine alternative Lebensform

Von Karen Miether (epd)

Hermannsburg (epd). Aus dem Ofen duftet es nach Auflauf. "Wer heute abwaschen muss, hat Glück, die Töpfe sind schon sauber", sagt Ulrike Doormann. Ein Plan an der Küchentür verrät, wer mit Spülen dran ist. In einem Haus im niedersächsischen Heidedorf Hermannsburg teilen sieben Frauen und Männer aber weit mehr miteinander als Mahlzeiten und Haushaltspflichten. Sie leben in einer christlichen Lebensgemeinschaft, der "Communität Koinonia", zusammen.

"Koinonia" heißt auf Griechisch Gemeinschaft oder Teilhabe. Die 23 Mitglieder der evangelischen Kommunität haben einander versprochen, "aus Liebe zu unserem Herren Jesus Christus" in Gütergemeinschaft zu leben und wichtige Entscheidungen zusammen zu treffen. Sie organisieren Freizeiten und christliche Einkehrtage und engagieren sich in Südafrika im Kampf gegen Aids. Die "Koinonia" gehört zu den rund 120 evangelischen Gemeinschaften in Deutschland.

Das breite Spektrum umfasst zum einen ordensähnliche Kommunitäten und Klöster, in denen sich Schwestern und Brüder den "drei evangelischen Räten" Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichten. Zum anderen reicht es bis zu geistlichen Gemeinschaften wie der "Koinonia", in deren Häusern in Hermannsburg, Göttingen, Heidelberg und Südafrika Ehepaare mit und ohne Kindern ebenso wie Singles wohnen.

Dazu kommen nach einer Erhebung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) noch rund 100 diakonische Gemeinschaften. Als einen "Schatz der evangelischen Kirche" bezeichnet der Ratsvorsitzende der EKD, Wolfgang Huber, die Kommunitäten in einem aktuellen Votum des Rates. Lange habe es in den Kirchen der Reformation eine Scheu gegenüber dieser Lebensform gegeben. Heute sehe man dagegen ihren wichtigen Beitrag zu einer evangelischen Spiritualität.

Andachten und Gebete gehören fest zum Tagesablauf in den Gemeinschaften. Ihre besondere Form der Frömmigkeit strahlt auch nach außen. Die "Koinonia" zum Beispiel hat mit dem "betrachtenden Gebet" eine intensive Form der Bibellektüre entwickelt. Wie viele Kommunitäten bietet sie jungen Erwachsenen die Möglichkeit, auf Zeit an ihrer Gemeinschaft teilzuhaben. "Viele sagen, sie finden uns toll, können sich selbst aber vor allem die Verbindlichkeit nicht vorstellen", sagt Nina Dürr.

Die 62-Jährige will lebenslang mit ihren Kommunitäts-Geschwistern verbunden bleiben. Mit Ulrike und Hans-Jürgen Doormann, die 1976 in Hermannsburg die "Koinonia" mit gegründet haben, wohnen Nina Dürr und ihr Mann Ekkehard schon fast 30 Jahre unter einem Dach. Damit das Zusammenleben gelingt, ist vieles geregelt oder wird sofort angesprochen. Zwar hat jede Person ein Zimmer zur eigenen Verfügung. Wohnräume, Küche und Bibliothek aber teilen sich alle.

Auch die Gehälter fließen auf gemeinsame Konten. "Jeder bekommt, was er braucht", sagt Doormann. Vom Kirchenmusiker bis zur Ärztin erhalten dazu noch alle 35 Euro Taschengeld im Monat. Die einen arbeiten weiter in ihren Berufen, andere sind für Aufgaben der "Koinonia" freigestellt. Der Journalist Stefan Drößler und seine Frau Katharina sind 2003 eingetreten. Für ihn sei die Sehnsucht nach mehr Gemeinschaft ausschlaggebend gewesen, erzählt der 37-Jährige: "Ich wollte den Glauben nicht nur im Sonntagsgottesdienst sondern auch im Alltag ausdrücken."

14. Juni 2007


Das aktuelle Stichwort: Evangelische Kommunitäten

Hannover (epd). Eine Kommunität ist eine religiöse Lebensgemeinschaft. Im engeren Sinne handelt es sich um evangelische Bruder- und Schwesternschaften, die mit den katholischen Orden vergleichbar sind. Nach einer Erhebung der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt es rund 220 Kommunitäten, Klöster sowie geistliche und diakonische Gemeinschaften. Gemeinsam ist ihnen, dass die Mitglieder nach verbindlichen Regeln ihren christlichen Glauben leben.

Das Spektrum umfasst zum einen Kommunitäten und Klöster, in denen sich Brüder und Schwestern den "drei Evangelischen Räten" verpflichten: Verzicht auf Privatbesitz, Ehelosigkeit und Gehorsam. Es reicht zum anderen bis zu Gemeinschaften von Frauen und Männern, die nach verbindlichen Regeln leben und sich regelmäßig zu Tagungen und Einkehr treffen, ohne sich aber aus Familie und Beruf zu lösen. Diakonische Gemeinschaften, deren Diakonissen und Diakone Aufgaben im Gesundheits- und Sozialwesen übernahmen, entstanden überwiegend im 19. Jahrhundert.

Nach Martin Luthers Kritik am Kloster- und Ordensleben seiner Zeit, hatten es Kommunitäten in den Kirchen der Reformation zunächst schwer. Eine frühe, bis heute bestehende Gründung ist die 1727 entstandene "Herrnhuter Brüdergemeine". Vor allem im 19. und 20. Jahrhundert entstanden unter dem Einfluss des Pietismus und der hochkirchlichen Bewegung Kommunitäten. Viele Gemeinschaften bildeten sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg, als Menschen auf der Suche nach neuen Werten und Lebensformen waren.

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