Nikolaus Schneider tritt von Spitze der EKD zurück

Sorge um krebskranke Ehefrau veranlasst 66-Jährigen zum vorzeitigen Rückzug

30. Juni 2014

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Berlin (epd). Überraschender Wechsel an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland: Nikolaus Schneider gibt sein Amt als EKD-Ratsvorsitzender vorzeitig ab, um seiner an Brustkrebs erkrankten Frau Anne beizustehen. "Jetzt ist eine Zeit, da geht die Liebe zu meiner Frau vor", sagte der 66-Jährige sichtlich bewegt am Montag in Berlin. Er tritt zum 10. November und damit ein Jahr vor Ablauf der Wahlperiode zurück. Über die Nachfolge entscheidet im Herbst die EKD-Synode.

Anne Schneiders Krankheit wurde am vergangenen Mittwoch festgestellt. Nach den Worten ihres Mannes ist auch das Lymphsystem befallen. "Eines ist völlig klar: Uns steht ein schweres Jahr bevor, mit Chemo, Operation und Bestrahlung", sagte Schneider.

Schneider ist oberster Repräsentant der gegenwärtig rund 23,4 Millionen deutschen Protestanten. Er folgte 2010 auf die hannoversche Bischöfin Margot Käßmann. Im vergangenen Jahr ging Schneider nach zehn Jahren als Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland in den Ruhestand. Sein Ehrenamt als Ratsvorsitzender wollte er ursprünglich bis zum Ende der Wahlperiode 2015 ausüben.

Einen Nachfolger für Schneider, der ganz aus dem 15-köpfigen EKD-Rat ausscheidet, will die evangelische Kirche bei ihrer Jahrestagung vom 9. bis 12. November in Dresden bestimmen. Der neue Ratsvorsitzende bliebe vorläufig ein Jahr im Amt, bis Ende 2015 ein neuer Rat gewählt wird. Ihm sei ein geordneter Amtswechsel wichtig, betonte Schneider. Er werde das "Notwendige" an Terminen und Aufgaben wahrnehmen. Schneiders Stellvertreter, der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, kündigte an, dass die Ratsmitglieder den Vorsitzenden ab sofort bei Terminen vertreten werden.

Bundespräsident Joachim Gauck, selbst evangelischer Theologe, würdigte Schneiders Bemühen um den Zusammenhalt in Kirche und Gesellschaft. "Mit Ihrer ausgeprägten Fähigkeit, auch zwischen Gegensätzen zu vermitteln, haben Sie sich in- und außerhalb der Kirche Respekt und Dankbarkeit erworben. Die Evangelische Kirche in Deutschland verliert mit Ihnen einen glaubwürdigen Repräsentanten - und die Christinnen und Christen in unserem Land einen Freund und Förderer der Ökumene", heißt es in einem Schreiben Gaucks an Schneider.

Für die Bundesregierung erklärte deren Sprecher Steffen Seibert, man begleite die Entscheidung Schneiders mit allen guten Wünschen für ihn und seine Ehefrau. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel erklärte, der EKD-Ratsvorsitzende sei zu einer "aufrichtigen Stimme für soziale Gerechtigkeit" geworden.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete Schneider als "verlässlichen Brückenbauer in der Ökumene". Er dankte ihm für das vertrauensvolle Verhältnis. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken würdigte den scheidenden EKD-Ratsvorsitzenden als "aufrichtigen Partner im ökumenischen Dialog". Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, sagte, er habe die Nachricht "mit tiefem Schmerz und mit sehr großer persönlicher Betroffenheit" zur Kenntnis genommen.

Schneiders Vorgängerin Käßmann erklärte: "Mein ganzes Mitgefühl gilt Anne Schneider." Es sei großartig, dass ihr Mann ihr so entschlossen zur Seite stehen wolle, auch wenn sein Rückzug einen großen Verlust für die EKD bedeute. Die heutige Reformationsbotschafterin Käßmann war 2006 selbst an Krebs erkrankt. "Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Betroffenheit anderer auch einen zusätzlichen Druck darstellen kann", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Anne und Nikolaus Schneider sind seit 1970 verheiratet. Das Paar lernte sich im Theologiestudium kennen. Während Anne Schneider Lehrerin für Religionen und Mathematik wurde, ging der ein Jahr ältere Nikolaus Schneider in den Pfarrdienst. Aus der Ehe gingen drei Töchter hervor. Die dritte und jüngste Tochter Meike starb 2005 im Alter von 22 Jahren an Leukämie.