„Unser tägliches Brot gib uns heute“

Dank in den Kirchen für das tägliche Brot

02. Oktober 2009


Am kommenden Samstag wird der Tag der deutschen Einheit gefeiert. Am Sonntag folgt das Erntedankfest. So entsteht ein doppeltes Fest der Dankbarkeit, ein richtiges Festwochenende. Der Dank für die Einheit in Freiheit verbindet sich mit dem Dank für das tägliche Brot. Die friedliche Revolution, die vor zwanzig Jahren von Kirchen und Plätzen ausging, verbindet sich mit der Bewahrung der Natur, der wir verdanken, was wir zum Leben brauchen. Ein zweifacher Grund zur Dankbarkeit.

Mit dem Erntedankfest erinnern Christen an den engen Zusammenhang von Mensch und Natur. Das Fest soll deutlich machen, dass der Mensch die Schöpfung Gottes nicht unter Kontrolle hat. Auch bei der Ernte bleibt er nach christlichem Verständnis auf Gott angewiesen, der Sonne und Regen gab und dem Boden die Kraft zum Wachstum verlieh.

Der Sommer endet mit einem Dank in den Gottesdiensten an Gott für die Ernte, für den Ertrag eines Jahres, der das satte Überwintern sichern möge. Aller Orten sind die Kirchen festlich geschmückt, mit Obst und Gemüse, mit Kornähren und Blumen. Auch wenn immer weniger Menschen mit dem Kreislauf von Säen, Wachsen und Ernten noch unmittelbar in Berührung kommen, ist es doch gut, dass das Erntedankfest seinen festen Platz im Jahreslauf der Kirche hat.

Das Erntedankfest gebietet Einhalt, ermöglicht Besinnung. Es öffnet uns den Blick auf all das, was uns geschenkt ist und was uns wirklich reich macht. Es ist Ausdruck unserer Freude an der Natur, an der Schöpfung, an der Kreativität und Phantasie der Menschen.

Aber es gehört auch die Klage über Niederlagen und Dürrezeiten dazu. Zugleich werden wir uns angesichts unserer selbst verursachten ökologischen Probleme bewusst, dass sich aus den Gaben Gottes auch drängende Aufgaben ergeben: Wir sind verpflichtet, mit der Schöpfung behutsam umzugehen, sie für die kommenden Generationen zu bewahren und dem Raubbau der Ressourcen zu widerstehen.

Beides, Freude und Klage, hat seinen Ort im Gottesdienst am Erntedankfest. Seit Jahrhunderten richten sich Menschen mit Lob und Klage an Gott als den Schöpfer. Darin drückt sich das Vertrauen aus, dass Gott das Leben schenkt und es auch bewahren will. Zeugnis davon gibt der Vers für das Erntedankfest aus dem 145. Psalm: Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, nach deinem Wohlgefallen.

Dass alle zu essen haben, versteht sich nicht von selbst. Deshalb bitten die Christen: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Diese Bitte bewahrt vor der Gleichgültigkeit. Das Erntedankfest auch – wenigstens ein Tag der Dankbarkeit im Jahr. Gute Gaben hält das Leben für uns alle bereit. Immer wieder werden wir beschenkt: durch Erfolge bei der Arbeit, die Geburt eines Kindes, das Liebesglück, ein Leben in Geborgenheit. Wir sind nicht die „Macher“ unseres Lebens; das Wichtigste wird uns geschenkt: das tägliche Brot und die Freiheit, Gelingen und Freude.

"Erntedank" - Kolumne des EKD-Ratsvorsitzenden in der BZ