Erntedank

Wolfgang Huber - Kolumne in der BZ

01. Oktober 2009


Am kommenden Samstag feiern wir den Tag der deutschen Einheit. Am Sonntag folgt das Erntedankfest. So entsteht ein doppeltes Fest der Dankbarkeit, ein richtiges Festwochenende. Der Dank für die Einheit in Freiheit verbindet sich mit dem Dank für das tägliche Brot. Die friedliche Revolution, die vor zwanzig Jahren von Kirchen und Plätzen ausging, verbindet sich mit der Bewahrung der Natur, der wir verdanken, was wir zum Leben brauchen. Ein zweifacher Grund zur Dankbarkeit.

In den Kirchen werden die Altäre festlich geschmückt. Pralle Kürbisse, knackige Äpfel und frische Karotten erinnern daran, wie kostbar unsere Nahrung ist. Darüber gehen wir oft gleichgültig hinweg. Wir betrachten Landwirtschaft als eine Industrie und halten nach möglichst preiswerten Produkten Ausschau. Danach, wie es den Produzenten geht, fragen nur wenige.

Schon sind die Meldungen über die Lage der Bauern wieder aus den Nachrichten verdrängt. Dabei wird ihre Situation immer kritischer. Die Milchbauern haben das noch vor wenigen Wochen deutlich gemacht – aber hat man auf sie gehört? Der Milchpreis reicht für sie zum Leben nicht aus; viele geben deshalb auf. Dabei sorgen Landwirte nicht nur für unser tägliches Brot; sie leisten zugleich einen unentbehrlichen Beitrag zur Pflege unserer Kulturlandschaft. Wären sie nicht da, würde Brandenburg versteppen; und der Schwarzwald würde veröden. Doch darüber gehen die meisten gleichgültig hinweg.

Viele leben in unserem Land im Überfluss; erst durch Diät oder Fasten merken sie wieder, wie gut ein Stück Brot oder ein Becher Milch ist. Andere sorgen sich Tag für Tag darum, wie sie sich selbst und ihre Kinder ernähren sollen. Oder sie haben nie gelernt, mit begrenztem Geld dennoch abwechslungsreich und gesund zu kochen. Deshalb bietet die Diakonie Kochkurse für Hartz IV-Empfänger an.

Dass alle zu essen haben, versteht sich nicht von selbst. Deshalb bitten wir: „Unser tägliches Brot gib uns heute“. Diese Bitte bewahrt uns vor der Gleichgültigkeit. Das Erntedankfest auch – wenigstens ein Tag der Dankbarkeit im Jahr. Gute Gaben hält das Leben für uns alle bereit. Immer wieder werden wir beschenkt: durch Erfolge bei der Arbeit, die Geburt eines Kindes, das Liebesglück, ein Leben in Geborgenheit. Wir sind nicht die „Macher“ unseres Lebens; das Wichtigste wird uns geschenkt: das tägliche Brot und die Freiheit, Gelingen und Freude.