Otto Dix, Paul Gerhardt und der kirchliche Haushalt

Konsolidierung statt Kursänderung

06. November 2007


„Mensch“ – „Anklage“ sind als erste Worte groß geschriebenen auf der Wand zu lesen. 70 bis 80 Journalisten sitzen im Saal 1 des Internationalen Congress Centers Dresden, die einen hören gespannt, was die Finanzsachverständigen der evangelischen Kirche über den Haushaltsplan für das kommende Jahr zu sagen haben, die anderen laben sich an dem Imbiss, den es bei den mittäglichen Pressekonferenzen gibt. Die trockene Materie der Zahlen und kleine Gaumenfreuden – darüber die Lebensbeschreibung des Künstlers Otto Dix (1891-1967), der einige Jahre seines Lebens in Dresden gelebt hat. „Das Hässliche steht im Vordergrund, die überzeichneten Darstellungen tendieren zum Karikaturhaften. Morbide und makabre Gestalten desillusionieren in ihrer Wirkung, zeigen aber doch ein tiefes Verständnis für den Menschen.“ So wird an der Wand des Pressekonferenzsaal des Verismus beschrieben, zu dessen Hauptvertreter außer George Grosz auch Otto Dix gehört

Der Vorsitzende des Finanzbeirats, Klaus Winterhoff, hat bei seiner Einbringung des Haushaltsplans auch den Weg über die Kultur gewählt, aber nicht der vor 40 Jahren in der Nähe de Bodensees verstorbene Maler, sondern der vor 400 Jahren geborene Barockdichter Paul Gerhardt zeigt ihm den rechten Weg. Der im evangelischen Gesangbuch mit den meisten Texten vertretene Dichter hat 118 Gedichte verfasst, die sich nicht im Gesangbuch finden lassen:

„Allzu arm und allzu reich
ist nicht gut, stürzt beides gleich
unsre Seel ins Sündenreich.“

Menschen hat Otto Dix gemalt, um Menschen geht es auch im Haushaltsplan der EKD. Auch wenn durch das Wirtschaftswachstum die Kirchensteuer sich positiv entwickelt, sieht weder Klaus Winterhoff noch Reiner Meusel, der Haushaltsausschussvorsitzende der Synode in den steigenden Zahlen Anlass für eine Kurskorrektur, sondern der Konsolidierungsprozess soll fortgesetzt werden. Nüchtern und sachlich erklären die beiden das umfangreiche Zahlenwerk, an die Farben und Zwischentöne bei Otto Dix erinnert nur die Lebensbeschreibung des Malers. Von Schaffenskrise ist da die Rede, von den Vorwürfen „entarteter Kunst“, von Lehr- und Ausstellungsverbot.

Am Bodensee malt er Landschaftsbilder: „Dahinter steht der Seelenzustand eines Verbannten, der einen Schlupfwinkel gefunden hat, der keine Zeitung mehr liest und sich die Ohren zuhält vor dem politischen Lärm draußen,“ beschreibt ein Kunsthistoriker diese Phase. Auch wenn vielleicht der eine oder andere Journalist im Raum, Bilder von Otto Dix schätzt, keine Zeitung zu lesen, können sie sich nicht vorstellen. Sie wollen schließlich auch das gelesen wissen, was sie aus dieser Pressekonferenz für berichtenswert halten.

Das wird vielleicht nicht die haushalterische Conclusio des Barockdichters sein, die in einem Spendenaufruf endet:

„Drum so gib in Hüll und Füll
Also wie dein Herze will,
nicht zu wenig, nicht zu viel.“