Gegen Halloween-Spuk am Reformationstag

Bonbons mit augenzwinkerndem Reformator

26. Oktober 2007


Der Abend des 31. Oktobers vor 490 Jahren in der kleinen Universitätsstadt Wittenberg: Ein einsamer Mönch, Theologieprofessor an der Universität, geht durch die verwinkelten Gassen zu Schlosskirche – in der einen Hand ein beschriebenes Pergament, in der anderen den Hammer. Durch seinen Kopf schwirren noch Gedanken, ob er das, was er auf dem Pergament geschrieben hat, wirklich veröffentlichen will. Aber tief in seinem Innern ist er sich sicher, dass er alle Menschen, die an Gott glauben, zu Buße auffordern muss.

Der Abend des 31. Oktobers heutzutage in irgendeiner deutschen Stadt: Kleine Geister, Hexen und Kobolde ziehen durch die Straßen. "Süßes oder Saures!" rufen die schaurig verkleideten Gestalten, wenn sie an den Türen schellen und geöffnet wird. Beim aus den USA importierten Grusel-Brauch zu Halloween heischen die Kinder so nach Süßigkeiten, und drohen halb im Scherz ansonsten mit "Saurem", mit Streichen. Mittlerweile gibt es den Spuk auch in Deutschland.

Vor 490 Jahren wollte Martin Luther einen theologischen Disput auslösen, ob Ablasshandel und andere damals gängige kirchliche Bußpraxis: „Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden. Deshalb bittet er die, die nicht anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen. 1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.“ 95 Thesen hat er an die Wittenberger Schlosskirche geschlagen. Entstanden ist keine universitäre Diskussion über die biblische Bußpraxis, sondern er hat den Anstoß gegeben für die Reformation.

Heutzutage geht es den umherspukenden Kinder in Deutschland einfach um den Spaß, den ihnen keiner nehmen will, aber trotzdem erinnern die evangelischen Kirchen an den Thesenanschlag damals. "Die Evangelische Kirche hat die älteren Rechte auf das Datum", meint das Evangelische Jugendwerk in Württemberg und startet daher die Kampagne "ChurchNight". Mit Jugendgottesdiensten, Gospelkonzerten, Lutherfilm-Nächten und öffentlichem Thesenanschlag soll der 31. Oktober gefeiert werden. "Unser großes Ziel von 200 Veranstaltungen ist greifbar nahe", so Projektleiter der Kampagne Reinhold Krebs. Was in Württemberg dieses Jahr zur Wiederbelebung des Reformationstages versucht wird, hat in Hannover schon vor einigen Jahren begonnen. Der fröhlich zwinkernde Reformator schmückt „Hallo-Luther-Postkarten“, Plakate, Türanhänger, als Stempel auf kirchlichlicher Post und im Internet.

Zu der Aktion gehören auch die "Lutherbonbons", die der Evangelische WerbeDienst nun im dritten Jahr produziert: 970.000 Stück sind es in diesem Jahr. Ein Porträt vom rebellische Augustinermönch prangt auf den orangefarbenen Süßigkeiten mit unterschiedlicher Geschmacksrichtung. Die Schmankerl sollen, so die Hersteller, den Reformationstag wieder ins Gespräch bringen. Vor allem bei den kleinen "Geistern", die nach Süßem fragend an die Türen klopfen. Auch ein Mini-Bilderbuch über das Leben Luthers gibt es dazu im passenden Design – in der nordelbischen Landeskirche wurde dies entworfen.

Vielleicht hätte der Reformator daran seinen Spaß gehabt, auf jeden Fall mehr als an Hexen, Elfen und Feen. Doch der war damals in Gedanken bei seinen Thesen und der gewünschten theologischen Diskussion: „44. Denn durch ein Werk der Liebe wächst die Liebe und wird der Mensch besser, aber durch Ablass wird er nicht besser, sondern nur teilweise von der Strafe befreit. 45. Man soll die Christen lehren: Wer einen Bedürftigen sieht, ihn übergeht und statt dessen für den Ablass gibt, kauft nicht den Ablass des Papstes, sondern handelt sich den Zorn Gottes ein. 46. Man soll die Christen lehren: Die, die nicht im Überfluss leben, sollen das Lebensnotwendige für ihr Hauswesen behalten und keinesfalls für den Ablass verschwenden.“