Du bist die Kirche

Gedanken zum Geburtstag der Kirche

25. Mai 2007


Manche schicken laute Seufzer oder auch deutliche Beschwerden: Die Kirche müsste doch an dieser oder jener Stelle bei ihren Gemeinden oder Einrichtungen als auch in Politik und Gesellschaft eingreifen und den jeweiligen Stein des Anstoßes bei Seite räumen. Zum einen ist es gut und richtig, dass Menschen Adressen haben, bei denen sie per Email, per Telefonanruf oder auch in der klassischen Form eines Briefes, ihr Beschwer vorbringen können. Zweifel kommen mir allerdings immer, wenn es heißt: „Die Kirche soll gefälligst...“. In diesem Augenblick würde ich dem Beschwerdeführer, mag das Anliegen auch noch so berechtigt sein, gern zurufen: „Du bist die Kirche!“

Der Reformator Martin Luther hat schon vor über 400 Jahren vom „Priestertum aller Gläubigen“ geredet. Nach seinem Verständnis hat in der Kirche jeder seine Aufgabe, aber daraus lässt sich kein besonderer Weihestatus ableiten. Der Apostel Paulus hat schon Jahrhunderte zuvor in einem Brief an die Christen in Korinth die Kirche mit einem Körper verglichen. Auch seine Botschaft ist eindeutig: Das Auge braucht die Hand, der Kopf braucht die Füße. Nicht alle haben die gleiche Aufgabe, aber alle werden gebraucht. So gibt es in der Kirche über die eine oder andere Angelegenheit unterschiedliche Meinungen und sogar Streit, denn die Kirche wird von Menschen gelebt und gestaltet. Sie entsteht zwar durch Gottes Wort, sie lebt aus dem Glauben – aber sie gewinnt Gestalt allein durch die Menschen, die zu ihr gehören, und die sich engagieren.

Es sind Millionen von Kirchenmitgliedern, die in Deutschland das Leben der evangelischen Kirche ehrenamtlich mitgestalten: Die einen singen im Kirchenchor, die anderen helfen mit, dass Arme etwas zum Essen und zum Trinken bekommen, wieder andere besuchen Kranke in den Kliniken oder begleiten Sterbende in ihren letzten Tagen. Manche Menschen gestalten das Freizeitangebot für Jugendliche und jung Gebliebene oder laden Menschen in der dritten Lebensphase zu einem vergnüglich-informativen Nachmittag ein. Viele engagieren sich in den Gremien und Räten, die das Leben der Kirchengemeinden, Kirchenbezirke, Landeskirchen und auch der EKD organisieren und leiten. Wir alle sind Kirche – unabhängig vom Alter, von der Vorbildung, von der beruflichen Funktion und vom Geschlecht.

Das gilt für alle Veränderungen, die in der Kirche nötig sind: Kirchen verändern sich, wenn sich die Menschen in der Kirche engagieren, solidarisch miteinander und für die Kirche. „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist,“ schreibt der Apostel Paulus. An Pfingsten feiern wir in allen Gemeinden die Ausgießung des Heiligen Geistes – den Geburtstag der Kirche. In den Briefen, die Paulus in den ersten Jahren der christlichen Kirche an junge Gemeinden geschrieben hat, finden sich immer wieder Grüße an die unterschiedlichsten Menschen, die sich in dieser Gemeinde engagieren – Frauen und Männer. Einmal ergänzt er einen Gruß an eine Mitarbeiterin mit dem Zusatz: „die viel Arbeit um euch gehabt hat“. Diese Grüße an die Mitarbeitenden erinnern, dass es in der Kirche von Anfang an so war: Es gibt unterschiedliche Gaben und alle sollen zum Tragen kommen: Die einen haben gelernt biblische Texte auszulegen, die anderen haben eine besondere Begabung Kranke zu besuchen und dritte können Kinder begleiten und betreuen. Zusammen, gemeinsam und solidarisch sind WIR die Kirche – im Respekt voreinander und getragen vom Heiligen Geist. Daran darf am Geburtstag der Kirche ruhig einmal erinnert werden.

Gedanken des EKD-Ratsvorsitzenden zu Pfingsten

Pfingstbotschaft des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)