Einheit in versöhnter Verschiedenheit

Kirchliches Vorbild für die Versöhnung Europas

13. Dezember 2006


Es sei die richtige Zeit, dass die Kirchen Europas sich mit der Frage nach „Werte – Religion – Identität“ beschäftigt, sagte Richard Arnold, der Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg zur Begrüßung von über 60 kirchenleitenden Persönlichkeiten, die in Brüssel kurz vor der Deutsche EU-Ratspräsidentschaft zusammen gekommen sind. Wenige Wochen bevor die finnische Ratspräsidentschaft zu Ende geht und die deutsche Bundesregierung die Präsidentschaft übernimmt, hat die Kommission „Kirche und Gesellschaft“ der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) Vertreter der lutherischen, der reformierten, der orthodoxen, der unierten und der anglikanischen Kirchen eingeladen, um die Fragen nach Werten, Religion und Identität im europäischen Kontext zu diskutieren. Solche Treffen europäischer „churchleader“ seien äußerst selten, meinte der Präsident der KEK, Pfarrer Jean-Arnold de Clermont vom Bund Französischer Protestantischen Kirchen. 1990 habe man sich das letzte Mal auf dieser Ebene getroffen und wieder stehe Europa an einer wichtigen Kreuzung.

Die Zeit sei günstig, nicht nur weil in wenigen Wochen Weihnachten sei, so der Vertreter des Landes Baden-Württemberg, und auch nicht nur weil Deutschland am 1. Januar eine wichtige Rolle übernehmen. Ein weiterer Grund sei die angekündigte Berliner Erklärung, mit der im März dem beginn der Europäischen Gemeinschaft vor 50 Jahren gedacht werden soll. In dieser Erklärung sollen auch um die Werte angesprochen werden, die Europa zusammen halten und prägen. Dabei sind zu dem Treffen der Kirchen nicht nur Vertreter aus EU-Mitgliedsstaaten zusammen gekommen, sondern etwa ein Drittel der Teilnehmenden ist aus Ländern ausgereist, die zwar in Europa liegen, aber nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehören.

Die Kirchen, so Jean-Arnold de Clermont hätten immer wieder darauf hingewiesen, dass Europa auch eine Wertegemeinschaft sein solle und wirtschaftliche Fragen nicht im Vordergrund stehen dürften. Dabei seien die christlichen Werte von grundlegender Bedeutung für Europa. Ziel des Treffens sei ein gemeinsames Kommuniqué zu verabschieden, das als offener Brief an die politisch Verantwortlichen gerichtet sein wird.

Thomas Wipf, Präsident des Bundes Evangelischer Kirchen in der Schweiz und Präsident der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas (GEKE) zeigt deshalb auch, dass die protestantischen, orthodoxen und anglikanischen Kirchen ein wichtiges Vorbild für Europa sein könnten: Sie leben die Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Der Schweizer versteht das als eine Absage an eine „scheinbar monolithische, angeblich europäische Leitkultur“. Er widerspricht dabei aber zugleich dem orthodoxen Bischof Hilarion, der einen liberalen Humanismus im Gegensatz zu einem gelebten Christentum versteht.

So sind die Spitzenvertreter der verschiedensten Kirchen in Europas zwei Tage in heftigen, um die Werte Europas bemühten Diskussionen an deren Ende eine Erklärung steht. Vielleicht doch ein bisschen etwas, was zu dieser Jahreszeit passt, denn das bestätigt den Diplomaten Richard Arnold, der zu Beginn gesagt hat, dass die Zeit günstig ist – eben gerade im Advent.