Geborgen in Gottes Hand

Am Totensonntag erinnern Christen an die Verstorbenen

23. November 2006


Auf dem Tisch liegt das Buch, das sie mir zum Geburtstag geschenkt hat. Es ist ihr letztes Geschenk an mich. Mit 38 Jahren ist diese langjährige Freundin am Telefon zusammen gebrochen Später wurde sie dort tot gefunden. Medizinisch ist es keine große Sache, den Herzstillstand festzustellen, doch für uns Freunde fehlt ihr Lachen, ihre Stimme, ihre quirlige Art, ihre Radikalität.

So haben in diesem Jahr viele Menschen Abschied nehmen müssen. Dies ist der Abschied, den wir Lebende als so endgültig empfinden: der Abschied am Totenbett, der Abschied am Grab. Geschichten die noch nicht zu Ende sind werden von heute auf morgen abgebrochen. Viele Menschen haben diesen Abschied erlebt – als Abschied von einem alten Menschen, der lebenssatt und zufrieden zurück blicken konnte, als Abschied von einem jungen Menschen oder gar einem Kind, dem wir noch so viele Begegnungen in Zukunft gewünscht hätten, als Abschied von einem geliebten Menschen, der eine Lücke bei uns zurücklässt. Bei all diesen Abschieden, selbst wenn wir der Meinung sind, dass dies doch das Beste für den Verstorbenen war, bleibt diese Lücke. In all diesen Abschieden liegt die Erfahrung, dass der Tod zu unserem Leben gehört.

In diesen Momenten ist der einzige Trost, der uns weiter leben lässt, die Gewissheit, dass wir geborgen sind in Gottes Hand: Kein Mensch lebt für sich allein, kein Mensch stirbt für sich allein. Egal ob wir leben oder sterben, sind wir in Gottes Hand. In dieser Gewissheit erleben Christen den letzten Sonntag des Kirchenjahres, an dem in den meisten Gottesdiensten die Namen der Verstorbenen noch einmal ausgesprochen werden. In dieser Gewissheit beginnt nach dem Ende des Kirchenjahres ein neues: Und wir bereiten uns vor auf das Fest, an dem wir die Geburt Gottes im Stall von Bethlehem feiern.

Gedanken des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, zum Totensonntag