Oppositioneller, Ökonom, Oberkirchenrat

Die EKD verabschiedet Oberkirchenrat Thomas Begrich als Finanzabteilungsleiter

17. März 2016

Oberkirchenrat Thomas Begrich in seinem Büro im EKD-Kirchenamt in Hannover
Oberkirchenrat Thomas Begrich, Leiter der Finanzabteilung im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, in seinem Büro in Hannover. Im Hintergrund das von ihm selbst gemalte Bild von Magdeburg. (Foto: epd-Bild/Jens Schulze)

Haushaltszahlen sind für Thomas Begrich stets nur Mittel zum Zweck. "Das Geld hat eine dienende Funktion", sagt der Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Kaum ein anderer Oberkirchenrat in der EKD hat in den vergangenen Jahren Veränderungen so stark mitgestaltet wie er. Am 17. März wird der 65-Jährige als Finanzabteilungsleiter verabschiedet und zieht selbstkritisch Bilanz: "Man kann durch Reformen keine Begeisterung hervorrufen."

Begrich stammt aus einer mitteldeutschen Pastorendynastie und wächst in Erfurt auf. Das Wunschstudium Germanistik bleibt ihm wegen mangelnder Linientreue in der DDR versperrt. Er weicht auf Theologie aus, mit der Kriegsdienstverweigerung endet aber jede Möglichkeit zu studieren. Nach dem Ersatzdienst als Bausoldat sucht er Arbeit, klappert vergeblich Dutzende Verlage ab. Als Ungelernter kommt er letztlich im Rundfunkhandel in Erfurt unter.

Karriere als Ökonom, nach Feierabend kirchliche Friedensarbeit

Ein eigentlich linientreuer Vorgesetzter fördert ihn, ermöglicht ihm ein Fernstudium. Als Ökonom steigt Begrich auf zum Abteilungsleiter. Nach Feierabend engagiert er sich in der kirchlichen Friedensarbeit bei der Seelsorge für Soldaten. Von den acht Mitkämpfern der Gruppe, so erfährt er nach der Wende, spitzelten vier für die Stasi.

1981 wechselt Begrich vom volkseigenen Radiobetrieb zum Leiter des evangelischen Johanniterkrankenhauses in Genthin in Sachsen-Anhalt. "Wenn ich heute gelegentlich schlecht träume, dann von dieser Zeit", gesteht er. "Krankenbetten, Koks und Klopapier waren schwerer zu bekommen als ein neues Röntgengerät. Denn das bekamen wir als Hilfe von der Diakonie aus dem Westen", sagt er. Und ohne Koks wäre das 250-Betten-Haus kalt geblieben. "In diesen Jahren hatte ich für politische Betätigung keine Zeit", erinnert sich Begrich.

Die Landeskirche – nach der Währungsunion fast pleite – braucht einen Finanzchef

Das ändert sich im Wende-Herbst 1989. Er gründet in Genthin die Bürgerbewegung "Neues Forum" mit und hätte beinahe für den Bundestag kandidiert. Doch eine Anfrage der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) in Magdeburg kommt zuvor: Die Landeskirche – nach der Währungsunion 1990 fast pleite – braucht einen neuen Finanzchef. Begrich meistert diese und weitere Krisen, schiebt Reformen an. Die Zahl der Kirchenkreise und Pfarrstellen muss sinken, und mit ihr sinkt seine Beliebtheit bei den Pfarrern. Die Fusion mit der Landeskirche Thüringens zur heutigen mitteldeutschen Kirche wird auf den Weg gebracht. "Das waren extrem intensive Jahre", blickt Begrich zurück.

2003 dann kommt ein Anruf aus der EKD, die einen Leiter der Finanzabteilung sucht. "Erst habe ich gezögert, aber dann eingesehen: Auch da kann ich etwas für den Osten bewegen", sagt Begrich: "Der Osten ist die Achillesferse unserer Kirche." Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber geht in dieser Zeit das Reformprojekt "Kirche der Freiheit" an. Einer der Vordenker: Thomas Begrich. Nach zehn Jahren ist er heute ernüchtert. Die Volkskirche sei ein schwerfälliges Unternehmen: Unter den Mitgliedern gibt es zwar viele Engagierte, aber "noch eben viele Menschen, die sich zunächst als Kunden verstehen", hat Begrich erfahren. "Das müssen wir auch ernst nehmen."

"Wir sind verpflichtet, gute Arbeit zu leisten"

Gehemmt habe den Reformprozess auch das bevorstehende 500. Reformationsjubiläum, das viel Kraft binde. "Man kann sich nicht teilen", sagt Begrich. Ob von den Feiern im Gedenkjahr 2017 die nötigen Impulse ausgehen, um die Menschen wieder für die Kirche zu begeistern? Begrich ist skeptisch: "Ob man den Heiligen Geist durch gute Arbeit beflügeln kann, haben wir nicht in der Hand. Aber trotzdem sind wir verpflichtet, gute Arbeit zu leisten."

Begrich kann auf einige Erfolge zurückblicken, etwa das neue Finanzmanagement, das sich stärker an der kirchlichen Arbeit ausrichtet. Die leitende Frage sei nicht mehr, ob am Jahresende ein Haushalt mit einer schwarzen Null abschließe, erklärt er. Vorher werde nun gefragt: "Was müssen wir tun, damit wir auch morgen noch leistungsfähig sind?" Um diese Frage kümmert sich künftig in der EKD Heidrun Schnell, die bisher in Berlin die landeskirchlichen Finanzen verantwortet hat.

Begrich wird zur Büroübergabe die selbst gemalte Stadtansicht von Magdeburg abhängen, er kehrt in die Stadt an der Elbe zurück. Von dort bleibt er auch im Ruhestand aktiv – etwa für die Wittenberger Schlosskirche, an deren Tür Martin Luther 1517 seine Thesen anschlug.

Thomas Schiller (epd)