Beschlüsse

3. Tagung der 12. Synode der EKD, Magdeburg 3. bis 9. November 2016

Beschluss zur konsequenten Umsetzung des Weltklimaabkommens von Paris

09. November 2016

Die Folgen des Klimawandels sind unmittelbar zu beobachten. Die, die am wenigsten zu ihm beigetragen haben, die ärmsten Länder und in diesen Ländern die besonders Benachteiligten, sind am stärksten von seinen Auswirkungen betroffen. Der Klimawandel untergräbt Entwicklung, verschärft Armut und vertreibt Millionen von Menschen aus ihrer Heimat. Schon heute ist er eine der größten Fluchtursachen weltweit.

Im Dezember 2015 setzte die internationale Staatengemeinschaft auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen in Paris ein starkes, hoffnungsvolles Signal für eine weltweite nachhaltige Entwicklung. Das in Paris verhandelte Weltklimaabkommen wurde mittlerweile von wesentlichen Treibhausgasemittenten wie China, Indien, Brasilien, den USA, der Europäischen Union und Deutschland ratifiziert und ist am 4. November 2016 in Kraft getreten.

Sein Ziel, die durchschnittliche Erderwärmung deutlich unter 2°, wenn möglich sogar auf 1,5° gegenüber dem vorindustriellem Niveau zu begrenzen und bis 2050 weltweit nicht mehr Kohlendioxid auszustoßen als gleichzeitig absorbiert werden kann (sog. "CO2-Neutralität"), ist damit völkerrechtlich verbindlich. Zum Zeitpunkt der EKD-Synode berät der 22. Weltklimagipfel vom 7.-18. November in Marrakesch Fragen der praktischen Umsetzung. Den ambitionierten Zielen müssen nun entsprechende Taten folgen. 80 % der heute bekannten Kohlereserven, 30 % des Erdöls sowie 50 % des Erdgases dürfen nicht verwendet werden, selbst wenn sie kostengünstig gefördert werden könnten. Der zügige und konsequente Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung ist daher von entscheidender Bedeutung.

Deutschland trägt dabei besondere Verantwortung – nicht nur als Land, dessen industrielle Vergangenheit viel zum bisherigen Klimawandel beigetragen hat und weiterhin beiträgt. Deutschland wird weltweit immer noch als "Land der Energiewende" wahrgenommen und steht vor der Herausforderung, zu zeigen, dass konsequenter Klimaschutz und die sozialverträgliche Dekarbonisierung eines komplexen Wirtschaftssystems machbar und politisch gewollt sind.

Mit großer Sorge sehen wir, dass es der Bundesregierung bislang nicht gelungen ist, sich auf einen ambitionierten Klimaschutzplan 2050 zu verständigen, der schlüssig aufzeigt, wie Deutschland die Ziele des Weltklimaabkommens von Paris erreichen will. Dies ist ein entmutigendes Signal an die Völkergemeinschaft und die Verhandlungen von Marrakesch.

Die Synode bittet den Rat der EKD, bei der Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass Deutschland sich auf der Weltklimakonferenz in Marrakesch dafür einsetzt, dass

  • verbindliche und zielführende Mechanismen zur Umsetzung und Kontrolle des Weltklimaabkommens vereinbart werden, sodass umgehend der Ausstieg aus der fossilen Energieversorgung, der Ausbau der Erneuerbaren und der Aufbau klimaverträglicher Infrastruktur weltweit an Dynamik gewinnen. Dabei müssen die Bedürfnisse der ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen im Vordergrund stehen und konsequent ein menschenrechtsbasierter Ansatz verfolgt werden,
     
  • die internationale Finanzierung von Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen in armen Ländern kontinuierlich an die wachsenden Herausforderungen angepasst wird,
     
  • Programme und Fonds zur Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten für arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen konkret ausgestaltet und finanziell ausreichend unterlegt werden.

Die Synode bittet den Rat der EKD weiterhin, bei der Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass

  • sie noch umgehend / bis zum Ende des Jahres einen ambitionierten "Klimaschutzplan 2050" verabschiedet, mit dem die Pariser Klimaschutzziele umgesetzt und die Energiewende in Deutschland sozial- und naturverträglich gestaltet wird. Dieser Klimaschutzplan sollte in der Folgezeit dann mindestens alle zwei Jahre evaluiert und partizipativ weiterentwickelt werden. Dabei muss konsequent auf Energieeinsparung sowie auf den Ausbau der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien gesetzt werden. Die Energiewende im Stromsektor gilt es entschlossen fortzuführen. Im Verkehrssektor muss sie jetzt schnell und anspruchsvoll starten,
     
  • sie das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 umgehend überprüft und nachschärft, um die verbindlich festgelegte Treibhausgasreduktion von 40 % gegenüber 1990 noch zu erreichen,
     
  • sie die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft konsequent vorantreibt. Dazu gehört, den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2040 zu vollziehen, einen sozialverträglichen Strukturwandel in den betroffenen Regionen einzuleiten und unter breiter Beteiligung aller Betroffenen zu gestalten,
     
  • sie schrittweise und sozialverträglich alle umwelt- und klimaschädlichen Subventionen abschafft und sich auf der Ebene der Europäischen Union dafür einsetzt, dass durch eine ambitionierte Reform des Emissionshandels (ETS) die externen Kosten des Klimawandels verursachergerecht internalisiert werden und ein Mindestpreis für den Zertifikatehandel im EU ETS festgelegt wird.
     
  • sie ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, in dem ein verbindlicher Reduktionspfad von mindestens 95 % weniger Treibhausgasemissionen bis 2050 gegenüber 1990 mit entsprechenden Zwischenzielen verankert ist und das für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik Planungssicherheit schafft.

Die Synode der EKD hatte 2008 beschlossen, den Gliedkirchen zu empfehlen, ihre CO2-Emissionen – gemessen am Basisjahr 2005 – bis zum Jahr 2015 um 25 % zu reduzieren. Dieses Ziel konnte [aller Voraussicht nach] erreicht werden. Darüber hinaus hatte die Synode der EKD die Gliedkirchen gebeten, ihre Anstrengungen zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen konsequent fortzusetzen und bis zum Jahr 2020 eine Reduktion von insgesamt 40 % anzustreben. Damit auch dieses Ziel erreicht werden kann, sind weitere Anstrengungen erforderlich: Klimaschutzkonzepte sollten auch dort erarbeitet werden, wo sie bislang noch nicht vorliegen.

Bestehende kirchliche Klimaschutzkonzepte müssen darüber hinaus an die längerfristigen Herausforderungen des Pariser Klimaschutzabkommens angepasst werden. Im dritten EKD-Klimabericht, der der Synode 2017 vorgelegt wird, sollen daher konkrete Ziele und Maßnahmen für den Zeitraum nach 2020 benannt werden, die geeignet sind, im Jahr 2050 eine CO2-Neutralität im kirchlichen Bereich zu erreichen.

Die Synode bittet sowohl die EKD als auch alle Gliedkirchen und Werke wegen der Notwendigkeit des Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern, ihr Anlagekapital im Zuge einer nachhaltigen Anlagestrategie aus Branchen der fossilen Energieträgergewinnung und Energieerzeugung sukzessiv abzuziehen (Divestment) und dem Vorbild des ÖRK, der Church of Sweden, Church of England, United Church of Christ, EKHN sowie weiterer kirchlicher und kommunaler Akteure zu folgen.

Die Synode bittet zudem die Gliedkirchen und Werke, derzeit nicht vermeidbare CO2-Emissionen über die Klima-Kollekte zu kompensieren, Projekte für Klimagerechtigkeit zu unterstützen und das Engagement von Christinnen und Christen für eine Begrenzung der globalen Erwärmung und für internationale Klimagerechtigkeit aktiv zu fördern.

Auf unserem Planeten reisen wir nicht alleine. Wir tragen Verantwortung, dass Menschen in Nord und Süd, heutige und zukünftige Generationen menschenwürdig leben können. Die Zeit drängt. Das völkerrechtlich verbindliche Weltklimaabkommen von Paris ist eine große, vielleicht die letzte Chance, einen drohenden katastrophalen Klimawandel abzuwenden.


Magdeburg, den 9. November 2016
 

Die Präses der Synode
der Evangelischen Kirche in Deutschland
 

Dr. Irmgard Schwaetzer