6. Tagung der 10. Synode der EKD

Dresden, 04. - 07. November 2007

Kundgebungsentwurf zum Schwerpunktthema "evangelisch Kirche sein"

Vorlage des Vorbereitungsausschusses zum Schwerpunktthema

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Kundgebungsentwurf zum Schwerpunktthema

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6. Tagung der 10. Synode der EKD
4. - 7. November 2007 in Dresden

evangelisch Kirche sein

I. Kundgebungsentwurf

II. Drei Vorschläge zur Konkretion

Vorbemerkung

Die 5. Tagung der 10. Synode der EKD in Würzburg hatte den Auftrag erteilt, unter der Überschrift „Aufbruch in der evangelischen Kirche“ den durch das Impulspapier des Rates der EKD „Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische Kirche im 21. Jahrhundert“ angestoßenen und durch den Zukunftskongress in Wittenberg im Januar 2007 verstärkten Reformprozess in der evangelischen Kirche kritisch aufzunehmen und inhaltlich voranzutreiben. Dabei sollten diejenigen Themen im Mittelpunkt stehen, die aus der Sache heraus in besonderer Weise von der gesamtkirchlichen Ebene zu verantworten und zu gestalten sind.

Um diesem Auftrag gerecht zu werden, legt der vom Präsidium der Synode am 23. Januar 2007 berufene Vorbereitungsausschuss (VBA) der 6. Tagung der 10. Synode einen zweistufigen Beschlussvorschlag vor, der aus

I.  dem Kundgebungsentwurf und

II. drei Vorschlägen zur Konkretion 

besteht. 

I. Kundgebungsentwurf

evangelisch Kirche sein

Die evangelische Kirche verändert sich. Seit mehreren Jahren werden in Kirchenge-meinden, Kirchenkreisen/Kirchenbezirken und Landeskirchen Reformprozesse durch-geführt, damit die evangelische Kirche unter sich verändernden Rahmenbedingungen ihrem Auftrag nachkommen kann. Diese Prozesse wurden vom Rat der EKD durch das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ gebündelt und weiterentwickelt. Der Zukunfts-kongress in Wittenberg führte im Januar 2007 die Diskussion fort und erzeugte Auf-bruchstimmung.

Aufbruch bedeutet nicht nur Chance und Herausforderung, sondern erzeugt auch Angst vor Unbekanntem. Viele Menschen in der evangelischen Kirche wissen nicht, wie sich ihre Kirche und damit auch ihre Glaubenspraxis, ihr Leben und ihr Arbeiten im kirchlichen Kontext verändern werden. Unsicherheit ist auch außerhalb der Kirche entstanden. Menschen fragen: Was können wir in zehn, zwanzig, dreißig Jahren von der evangelischen Kirche erwarten?

Sowohl auf den Impuls als auch auf die Unsicherheit antworten wir als Synode der EKD, indem wir uns auf das Wesen und den Auftrag der Kirche besinnen.

A.

Jesus Christus spricht: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 20).
Seit ihren Anfängen lebt die Kirche aus dem Geheimnis der Gegenwart Christi; darin liegt ihr Wesen beschlossen. Die Kirche ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich nicht selbst begründet und erhält, sondern die sich der Gegenwart des lebendigen Christus und dem Wirken seines Geistes verdankt.

Die Kirche ist von ihrem auferstandenen Herrn in die Welt gesandt, um die Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen zu bringen und Gottvertrauen, Lebensgewissheit und Nächstenliebe in ihnen zu wecken. Indem die Kirche sich an diesen Auftrag ge-bunden weiß, wird sie frei von Furcht um die eigene Zukunft, und frei, mit Mut und Phantasie ihr Leben evangeliumsgemäß zu gestalten.

B.

Im Hören auf das Evangelium und in der Feier der Sakramente wird die Kirche ihres Grundes neu gewiss. Zugleich kommen im Gottesdienst die wesentlichen Dimensio-nen des kirchlichen Auftrags zur Darstellung. Er zeigt die Maßstäbe für das gesamte kirchliche Leben und macht zugleich öffentlich kenntlich, was Menschen auch in Zu-kunft von der Kirche erwarten können:

1. Gottesbegegnung

Christinnen und Christen versammeln sich zur Feier des Gottesdienstes in der Erwartung, dass in ihrem Zusammenkommen, im Reden und Hören, im Singen und Beten, in der Taufe und im Abendmahl Gott selbst gegenwärtig ist. Im Gottesdienst feiert die Gemeinde die Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Christus und begegnet so dem lebendigen Gott, dem Schöpfer der Welt, dem Grund und Horizont menschlichen Lebens. Aus den Worten und Geschichten der Bibel erfährt sie, wie Gott es mit den Menschen meint: Gott ist auf ihre Würde bedacht, er gibt keinen und keine verloren und schenkt Hoffnung über das Sichtbare hinaus. In der Begegnung mit dem biblisch bezeugten Gott wächst Vertrauen im Leben und im Sterben; hier hat auch das Ringen um den Glauben seinen Ort.

Gottesbegegnung ist das Grundmotiv aller kirchlichen Lebensäußerungen und entscheidendes Kriterium kirchlicher Gestaltungs- und Strukturaufgaben: alles ist zu fördern, was dieser Begegnung dient, und was sie behindert oder stört muss verändert werden.

Die Evangelische Kirche steht dafür, dass sie im Wandel der Zeit und unter sich ändernden Bedingungen bei ihrem Thema bleibt und ihrer Berufung folgt: Mitzunehmen in die Begegnung mit dem lebendigen Gott.

2. Lebenserneuerung

Im Gottesdienst werden Lebensfragen aufgegriffen und vor Gott in ein neues Licht gerückt. So werden die Menschen von Gottes Güte erreicht und erfahren auf unterschiedliche Weise Lebenserneuerung:

Vergewisserung:
Worte, Lieder, Rituale und Gesten des Trostes geben Verunsicherten und Geängstigten neuen Halt. Der Zuspruch der Vergebung richtet auf, wen die Last seiner Schuld niederdrückt und ermöglicht neu anzufangen. Gottes Segen stärkt den Lebensmut und hilft, Zeiten der Krise durchzustehen.
Erkenntnis:
Die Auslegung der biblischen Botschaft lässt deutlich werden, dass der Glaube an Gott nicht absurd ist, vielmehr neues Erkennen freisetzt. Christuserkenntnis lässt das Licht von Gottes Gegenwart im menschlichen Alltag aufscheinen. Sie fördert unsere Einsicht in die Bedingungen geschöpflichen Lebens. Sie beantwortet vom Glauben her unsere Fragen nach dem Woher und Wohin und nach den Grenzen menschlicher Erkenntnis. Sie lehrt uns auch, warum es heilsam ist, manche Fragen nicht beantworten zu müssen. In all dem sucht und pflegt der Glaube selbstbewusst das offene Gespräch mit dem Wissen und den Wissenschaften seiner Zeit.
Orientierung:
Gottes Weisung gibt unserem Handeln Orientierung. Im Bedenken seiner Gebote werden wir unserer Gefährdungen und Abgründe gewahr, und zugleich werden uns Wege aus der Gefahr gewiesen. Keine Rezepte liefert die Bibel, wohl aber Maximen und Kriterien, die uns helfen, menschliches Zusammenleben gedeihen zu lassen, Gerechtigkeit und Frieden zu fördern und zur Bewahrung unserer natürlichen Mitwelt beizutragen.

Lebenserneuerung ist die Frucht der Gottesbegegnung. Als Vergewisserung, als Erkenntnis und als Orientierung hat sie den ganzen Menschen im Blick, indem sie sein Gefühl, seinen Verstand und seinen Willen betrifft. Alle kirchlichen Arbeitsfelder sind darauf ausgerichtet, an ihrem Ort und im Rahmen ihrer Möglichkeiten einer biblisch profilierten, ganzheitlichen Lebenserneuerung zu dienen.

Die evangelische Kirche steht dafür, dass sie ihre Glaubensbotschaft weder museal-abständig noch losgelöst von biblisch-theologischer Fundierung, weder situationsvergessen noch herkunftsvergessen einbringt. Sie lebt eine biblisch profilierte Zeitgenossenschaft jenseits von Selbstsäkularisierung und Fundamentalismus. Im engagierten und offenen Gespräch mit Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Bildung, Politik nimmt sie Verantwortung wahr in den verschiedenen Feldern zivilgesellschaftlichen Lebens.

3. Gemeinschaft

Im Gottesdienst, insbesondere in der Feier der Sakramente, erfahren Menschen eine Gemeinschaft, in der sich die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes widerspiegelt. Deshalb wird von den ersten Tagen der Kirche an darum gerungen, dass die Art des Beisammenseins der Botschaft nicht Hohn spricht: Einladend sollen Gottesdienste sein und nicht ausgrenzend; die Schwachen sollen integriert und nicht marginalisiert werden. Erlebte Gemeinschaft in der Gemeinde verstärkt die christliche Botschaft: Menschen mit ihren unterschiedlichen Gaben und Begabungen werden wahrgenommen und gefördert, Notleidenden wird geholfen, Traurige erfahren Trost und Einsame können Anschluss finden.

Die gottesdienstliche Gemeinde ist nicht zuletzt eine Schule der Nächstenliebe über soziale, kulturelle und nationale Grenzen hinweg. Das biblische Bild des Leibes mit seinen vielen Gliedern macht deutlich: Die Gemeinschaft bedarf der Unterschiedlichkeit, sie fördert Vielfalt und sie erträgt Auseinandersetzung, aber sie erlaubt weder Spaltung noch Zertrennung, weil dies die Beziehung zu dem einen, alle verbindenden Christus und den gemeinsamen Glauben aufs Spiel setzt.

In der Gemeinschaft wirkt zusammen, was zusammen gehört: Gemeinsame Teilnahme und gegenseitige Teilgabe an Lebens- und Glaubenserfahrungen, das heilsame Wort und die helfende Tat, die Zuwendung zum Einzelnen und das Ringen um gerechtere wirtschaftliche und politische Verhältnisse, nachbarschaftliches Engagement und der Blick für die fernen Nächsten. Und so wie die Güte Gottes allen Menschen gilt, bleibt auch der kirchliche Liebesdienst nicht auf den Binnenraum beschränkt, sondern wendet sich an alle, die seiner bedürfen und ihn sich gefallen lassen.

Die evangelische Kirche steht für das Bemühen, als Gemeinschaft zu leben, was sie lehrt. Die evangelische Kirche ist solidarische Kirche; Menschen können sich darauf verlassen, dass sie ihnen nach Kräften hilft, sich für sie einsetzt und für sie betet.

C.

Die Besinnung auf Wesen und Auftrag der Kirche führt in der gegenwärtigen Umbruchzeit zur Konzentration und zur inhaltlichen Profilierung kirchlichen Handelns. Auf der Suche nach geeigneten Strategien und Strukturen gewinnt die Kirche die Freiheit, alles zu prüfen und das Gute zu behalten.

Niemand wird den Auftrag der Kirche für sich allein wahrnehmen können. Kein Christenmensch, keine Gemeinde, kein Arbeitsbereich, keine Landeskirche lebt isoliert von den anderen und jede Aktivität im Raum der evangelischen Kirche wird dieser insgesamt und allen ihren Teilen zugerechnet. Die Synode der EKD erinnert daran, dass zur geistlichen Verantwortung aller auch die Stärkung der Gemeinsamkeit gehört und warnt vor Selbstgenügsamkeit, die jedes Kirchesein gefährdet. Sie ermutigt dazu, aufeinander zu hören, miteinander zu handeln und füreinander einzustehen. Sie betont die Notwendigkeit, geeignete Wege für ein verbindlicheres Miteinander zu fördern bzw. auszubauen; sie wird sich im Rahmen ihres Auftrages daran engagiert beteiligen.

In der Wahrnehmung ihres Auftrags weiß sich die Kirche durch die Zusage des auferstandenen Christus geleitet. Im Vertrauen darauf werden evangelische Christinnen und Christen einander in Freiheit begegnen und Freiheit gewähren. Auch bestes Bemühen ist anfällig für menschliches Versagen und Schuld, deshalb bleibt die Kirche der ständigen Erneuerung bedürftig. Sie vertraut auf die Zusage des Auferstandenen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein.“ (Apostelgeschichte 1,8)

II. Drei Vorschläge zur Konkretion

evangelisch Kirche sein - gemeinsam reden, gemeinsam handeln, gemeinsam leiten

Mit ihrer Kundgebung erinnert die Synode daran: Evangelisch Kirche sein heißt, das gemeinsame Reden, Handeln und Leiten geistlich zu stärken und glaubwürdig zu bezeugen. Dazu gehört einerseits die Ermutigung, nach außen hin profiliert, verlässlich und erkennbar evangelisch präsent zu sein; dazu gehört andererseits die Anstrengung, nach innen hin das Gemeinsame so zu entwickeln und zu qualifizieren, dass die evangelische Kirche lebt, was sie lehrt. Reformanstrengungen, die

  • die theologische Kompetenz und die geistliche Qualität kirchlichen Handelns schärfen;
  • die Konzentration auf erkennbar geistliche und theologische Handlungsfelder unterstützen;
  • die Offenheit und Vielfalt gemeindlicher Angebotsformen erweitern;
  • die Kompetenz in situativen Begegnungsformen mit Glaube und Kirche fördern;
  • die religiöse Bildung in allen Lebensphasen stärken;
  • das diakonische Engagement evangelisch und das evangelische Profil diakonisch schärfen;
  • den einladenden Charakter der evangelischen Arbeit unterstreichen;
  • die Mitarbeitenden in der Kirche neugierig machen auf die „Fernstehenden“ und „Distanzierten“; 
  • den beteiligungsoffenen Charakter der evangelischen Kirche und ihrer Handlungen unterstreichen

sind in den Landeskirchen, Kirchenkreisen und Gemeinden zahlreich zu finden und ein deutlicher Beleg für die Aufbruchsbereitschaft in der evangelischen Kirche. Auch die Bereitschaft von Rat und Kirchenkonferenz, die verschiedenen Aspekte der Reformanstrengungen mit geeigneten Kompetenzen und Maßnahmen an unterschiedlichen Orten innerhalb der EKD voran zu treiben, ist ein ermutigendes Zeichen. 

Um diesen Reformprozess auch als Synode der EKD zu befördern, wird die in der Kundgebung entfaltete Besinnung auf Wesen und Auftrag der Kirche mit drei konkreten, auch in den Wittenberger Arbeitsergebnissen (Foren) angemahnten Vorschlägen konkretisiert (die Beschlussvorschläge sind in Kästen gesetzt): 

A. evangelisch Kirche sein – gemeinsam reden

1. Den Ausgangspunkt beschreiben

Die Kundgebung erinnert darin, dass die Kirche der Freiheit auch im 21. Jahrhundert in der auftragsgemäß gestalteten Freiheit der Kirche gründet. Ein auftragsgemäßes Reden stärkt das evangelische Profil und fördert die Beheimatung in evangelischer Frömmigkeit und die Identifikation mit der evangelischen Kirche. Daher bedarf es heute erhöhter Anstrengungen, die Erkennbarkeit des auftragsgemäßen evangelischen Redens in der Welt sichtbar werden zu lassen durch gemeinsam verantwortetes Reden. Hierin besteht eine Schlüsselverantwortung aller auf der EKD-Ebene aktiven Gremien und Personen. Eine bessere Koordination der legitimen Vielfalt unterschiedlicher evangelischer Stimmen ist daher das Gebot der Stunde.
Erkennbar evangelisches Reden lässt sich aber nicht abstrakt und generell definieren, sondern nur in der Positionierung spezifischer Themen in evangelischer Perspektive. Auftragsgemäßes evangelisches Reden muss deutlich machen, worin die besondere evangelische Perspektive bei einem Thema liegt und warum sich die evangelische Kirche gerade zu diesem Thema äußert. Auftragsgemäßes evangelisches Reden kann auch bedeuten, an der rechten Stelle zu schweigen.

2. Perspektiven eröffnen

Das Kriterium für Reden und Schweigen in der evangelischen Kirche ist die Frage, ob die angesprochenen Themen sich einsichtig verbinden lassen mit dem Auftrag der evangelischen Kirche. Die in der Kundgebung entfalteten charakteristischen evangelischen Themen der Gottesbegegnung, der Lebenserneuerung und der solidarischen Gemeinschaft sind als Maßstäbe evangelischen Redens zu beherzigen. So ist es z.B. gegenwärtig eine zentrale Aufgabe, das „Mitnehmen in die Begegnung mit dem lebendigen Gott“ einladend, anregend und offen für Zweifel zu gestalten. Ebenso wichtig ist es, in „biblisch-profilierter Zeitgenossenschaft“ eine gemeinsame evangelische Position zu Fragen nach dem Verhältnis zwischen Glauben und Wissen, etwa am Beispiel von Schöpfungsglauben und Naturwissenschaften, sowie zwischen Glaube und Vernunft zu erarbeiten. Die Voten des Rates der EKD und der Synode der EKD zu Themen wie „Gerechtigkeit“, „Familie“, „Toleranz“ u.a. spiegeln ebenfalls eine solidarische Kirche.

3. Aufgaben benennen

Das evangelische Profil wird geschärft durch gemeinsame Positionen und Themen, die in biblisch-profilierter Zeitgenossenschaft und erkennbar evangelischer Zuspitzung gemeinsam vertreten werden. Da nach evangelischem Selbstverständnis nicht Einzelne oder ein Gremium für diese gemeinsame Themenfindung und das gemeinsame „Themenmanagement“ zuständig sind, zielt die Synode mit dem folgenden Beschlussvorschlag auf eine Verbesserung der Koordination der typisch evangelischen Vielfalt:

Die Synode möge beschließen :

  •  Die Synode bittet Rat und Kirchenkonferenz, die für das evangelische Reden in der Welt wichtigen Themen regelmäßig zu identifizieren. Ihre Bearbeitung in Orientierung an den vorhandenen Kompetenzen bzw. Kompetenzzentren zu koordinieren, und Verabredungen zu ihrer öffentlichen Kommunikation zu treffen. Dabei sollte maßgebend sein: Erst interne Verständigung, dann öffentliche Kommunikation.
  • Die Synode bittet den Rat, in Abstimmung mit der Kirchenkonferenz ein geeignetes Verfahren vorzuschlagen, um diese Themenfindung unter Beteiligung von möglichst viel Sachkompetenz (Kammern des Rates; Präsidium der Synode; Präsides der Synoden u.a.) gemeinsam besser zu koordinieren.
  • Die Synode bittet die Landeskirchen und EKD-weiten Institutionen, Einrichtungen, Werke und Verbände, die verabredeten Themen zu übernehmen und mitzutragen.
  • Die EKD-Synodalen verpflichten sich, in den sie jeweils entsendenden Synoden für die erarbeitete „Themenkonzentration“ einzutreten und alle Beteiligten an diese Verabredungen zu erinnern.
  • Die Synode bittet um entsprechende Berichte auf der 7. Tagung der 10. Synode 2008.

B.  evangelisch Kirche sein – gemeinsam handeln

1. Den Ausgangspunkt beschreiben

„Niemand wird den Auftrag der Kirche für sich allein wahrnehmen können“, - so heißt es im Kundgebungstext; das aufeinander Hören, das miteinander Handeln und das füreinander Einstehen gelingt aber nicht immer. Es war daher ein dringlicher Wunsch des Wittenberger Zukunftskongresses, eine klärende Analyse der Stärken und Schwächen großer bzw. kleiner Strukturen, Organisationen und Handlungseinheiten in der evangelischen Kirche vorzunehmen, um das gemeinsame Handeln zu profilieren. Es ist eine Lerngeschichte im Reformprozess, dass allein eine vordergründige Debatte über Zahl und Größe der Landeskirchen den Prozess nicht voranbringt. Wichtiger ist gegenwärtig, geeignete Größenordnungen des gemeinsamen Handelns im Blick auf bestimmte Herausforderungen und Themenstellungen zu bedenken. Im Lichte des Grundsatzes, dass die Form dem Inhalt zu folgen hat, kommt es darauf an, die Kommunikations-, Kampagnen- und Identifikationsfähigkeiten der unterschiedlichen Gliederungsgrößen im deutschen Protestantismus präziser zu analysieren. Leitendes Kriterium sollte dabei sein: Für welche Aufgabenstellung wird welche Größenordnung gebraucht? Es geht nicht in erster Linie um Zahl und Größe der Landeskirchen oder Einrichtungen, sondern um Maße und Gewichte, um Ressourcen und Effektivitäten, um Synergien und Entlastungen bei den unterschiedlichen Handlungseinheiten. 

b) Perspektiven eröffnen

In der evangelischen Kirche gibt es gegenwärtig wenig belastbare Kriterien, nach denen die Frage nach einer überzeugenden Zuordnung von inhaltlichen Herausforderungen und geeigneten Handlungseinheiten gemeinsam und fair entschieden werden kann. Nicht selten spiegeln Auseinandersetzungen in der gegenwärtigen Situation diese fehlenden Kriterien. Es lässt sich zwar die allgemeine These aufstellen, dass je dichter Herausforderungen, Aufgaben oder Kampagnen an den Leistungen und Angeboten einer Gemeinde angesiedelt sind, desto kleiner, regionaler und „näher dran“ die Handlungseinheiten sein können. Eine Taufkampagne für einen Kindergartenbereich kann z.B. in sehr kleinen Einheiten gedacht und durchgeführt werden. Dagegen gilt aber ebenso, dass eine Kampagne für Wiedereintrittsstellen in einem überregionalen Rahmen sinnvoller angesiedelt ist und mit anderer Kraft betrieben werden kann, Akademieangebote sinnvollerweise überregional angesiedelt werden können oder eine Positionierung der evangelischen Kirche zum Kreationismusstreit richtigerweise auf der EKD-Ebene vorzunehmen sein wird. Außerdem: Bedürfen Herausforderungen, die sich durch ein Bundesland stellen, nicht anderer kirchenübergreifender Absprache- und Handlungsebenen und Zusammenführungen, damit nicht mit zwei, drei oder vier verschiedenen evangelischen Stimmen gesprochen wird? Bedarf es auf dem Lande nicht anderer Handlungseinheiten als in der Stadt? Und sind manche Herausforderungen und Themen nicht zu Recht an bestimmte Bekenntnistraditionen gebunden oder können von ihnen stellvertretend behandelt werden? Es leuchtet ein: Weder eine deutschlandweite Zentralisierung allein noch eine Gemeindenähe um jeden Preis sind wünschenswert.

Die angemessene Frage lautet vielmehr: Welche Kriterien gelten für die rechte, kirchengemäße Zuordnung von Aufgabe und Handlungsebene? Können Kriterien entwickelt werden, die dann auch überzeugend darlegen, welcher „Gewinn“ mit der jeweils angestrebten Handlungsebene einhergeht?

c) Aufgaben benennen

Vor diesem Hintergrund nimmt die Synode der EKD dankbar zur Kenntnis, dass die Kirchenkonferenz angeregt hat, die vorhandenen Kompetenzen und Kompetenzzentren zu sammeln und zu sichten. Das sog. „schwarze Brett der Botschafter- und Kundschafterthemen“ ist auch der Beginn einer profunderen Kenntnis voneinander. Die Erstellung einer „Landkarte der Kompetenzzentren“ ist darüber hinaus ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Stärkung des gemeinsamen Handelns. Doch fehlt die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs, nach dem bestimmte Herausforderungen und Aufgaben einer (auch stellvertretenden) Handlungsebene zugeordnet werden können. Will die evangelische Kirche zukünftig nicht mehr vieles doppelt und Wichtiges gar nicht machen, stellt ein solcher Kriterienkatalog eine unerlässliche Orientierung dar. Die Synode der EKD unterstützt daher die Absicht, das gemeinsame Handeln in der evangelischen Kirche zu stärken:

Die Synode möge beschließen:

  •  Die Synode unterstützt die Erstellung einer „Landkarte der Kompetenzen/Kompetenzzentren“, die von dem Gedanken des stellvertretenden Handelns füreinander geleitet wird.
  • Die Synode bittet den Rat der EKD, in Abstimmung mit der Kirchenkonferenz Kriterien für die Zuordnung von Handlungsebenen sowie Herausforderungen und Aufgaben zu entwickeln, die von dem Gedanken geprägt sind, dass weder Zentralisierung noch Basisnähe an sich die einzig richtigen Lösungen sind, sondern die Dimensionen der Handlungseinheiten von den jeweiligen Aufgaben abhängig sein sollten.
  • Die Synode bittet den Rat darum, die Zuordnung von Aufgaben und Handlungsebenen auch im Blick auf eine angemessene gemeinschaftliche Unterstützung mit Ressourcen und Finanzen jener Handlungsebenen zu konkretisieren und positiv zu begründen, welchen „Gewinn“ die evangelische Kirche und alle ihre Glieder gemäß ihrem Grundauftrag davon haben. Sofern diese Zuordnung entsprechende Bestandsaufnahmen voraussetzt, sollten diese unmittelbar in Auftrag gegeben werden.
  • Die Synode bittet darüber hinaus das Präsidium zu prüfen, ob angesichts der drängenden Reformaufgaben nicht die Einrichtung eines „Synodenausschusses für innerkirchliche Angelegenheiten in der EKD“ sinnvoll ist, um die „Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen“ (Artikel 6 GO) zu befördern sowie einen Vorschlag zu unterbreiten, wie dieser Ausschuss zusammengesetzt sein könnte.
  • Die Synode erbittet entsprechende Berichte über diese Fragestellungen auf der 7. Tagung der 10. Synode 2008.

C. evangelisch Kirche sein – gemeinsam leiten

a) Die Herausforderungen beschreiben

Die Kirche hat auf der Suche nach geeigneten Strategien und Strukturen die Freiheit, alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Ziel ist es, die Gemeinsamkeit zu stärken und geeignete Wege für ein verbindlicheres Miteinander in der Evangelischen Kirche in Deutschland zu fördern bzw. auszubauen. Dabei geht es auch um ein ausgewogenes Verhältnis der Organe der EKD. Der Zukunftskongress der EKD in Wittenberg sah hier einen besonderen Handlungsbedarf und forderte, die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mittel- oder langfristig zu stärken.

Seit der Änderung der Grundordnung von 1991 (Art. 1 Abs. 1 GO EKD) versteht sich die EKD als Gemeinschaft von Kirchen und als Teil der Kirche Jesu Christi. Eine Reform der Gesetzgebungszuständigkeiten (Änderung der Grundordnung in Art. 10 a Abs. 2 GO EKD) erweiterte die Möglichkeiten der EKD, einheitliches Recht für alle Gliedkirchen zu setzen. Ein aktuelles Beispiel ist das neue Kirchenbeamtengesetz der EKD, das zwischenzeitlich die Gliedkirchen der EKD übernommen haben. Es haben sich also in den letzten Jahren rechtliche Veränderungen hin zu einer größeren Gemeinsamkeit in der EKD ergeben.

Die Dienststellen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) und der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) wurden nach einem sog. Verbindungsmodell auf vertraglicher Grundlage mit der EKD verzahnt. Die Reformbemühungen waren von dem Ziel geleitet, so viel Gemeinsamkeit aller Gliedkirchen zu erreichen wie möglich und so viel Differenzierung für die gliedkirchlichen Zusammenschlüsse vorzusehen, wie nach deren Verständnis nötig ist.

b) Perspektiven eröffnen

Die Synode hat zur Zeit das Recht der Wahl des Rates, die Gesetzgebungskompetenz und das Haushaltsrecht. Rat und Kirchenkonferenz sind zu Recht am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Ferner kann sie über Richtlinien auf den Rat einwirken. Der Rat legt der Synode einen Rechenschaftsbericht vor, der zu besprechen ist. Angesichts der Änderungen der Grundordnung mit dem Ziel, die EKD zu stärken - und dies in der Verbindung von UEK und VELKD mit der EKD - sollte perspektivisch über eine stärkere organisationsrechtliche Verbindung der drei Organe nachgedacht werden, so dass eine größere Einbindung von Rat und Kirchenkonferenz in die Synode gegeben ist. Verzahnungen sind schon jetzt gegeben, indem der Vorsitzende des Rates der EKD zugleich Vorsitzender der Kirchenkonferenz ist und die Mitglieder des Rates an der Kirchenkonferenz sowie die Mitglieder der Kirchenkonferenz an der Synode teilnehmen. Die Rechte der Synode könnten – unbeschadet der Leitungskompetenz des Rates – dahingehend erweitert werden, dass die Synode das Recht erhält, die Entscheidungen und Maßnahmen des Rates zu überprüfen und ihm Aufträge und Weisungen zu erteilen. Vor einer Kompetenzveränderung sollte aber das Verhältnis Synode, Rat und Kirchenkonferenz sorgfältig bedacht werden. Perspektivisch sollte das Beratungsergebnis eine Stärkung der EKD sein.

c) Aufgaben benennen

Der im Reformprozess „Kirche der Freiheit“ angezeigte Mentalitätswandel soll auch auf die Strukturen und Ordnungen innerhalb der EKD umgesetzt werden. Die Verantwortung der Organe der EKD, insbesondere der Synode, sollte gesteigert und damit die Identität der EKD gestärkt werden. Im Rahmen der Diskussion über eine Änderung in der Selbstorganisation der EKD sollte geprüft werden, ob die Stellung der Synode heute noch den Herausforderungen der Zeit entspricht und die Synode ausreichend an der Leitung der EKD beteiligt ist. In dem Zusammenhang sollte über eine stärkere organisationsrechtliche Verbindung von Synode, Rat und Kirchenkonferenz nachgedacht werden mit dem Ziel einer größeren Einbindung von Rat und Kirchenkonferenz in die Synode.

Die Synode möge beschließen:

  • Die Synode bittet das Präsidium, die Kirchenkonferenz und den Rat, aus den drei Organen der EKD eine gemischte Kommission einzusetzen, die das Verhältnis zwischen Rat, Synode und Kirchenkonferenz überprüft. Dabei soll eine gemeinsame und ausbalancierte Verantwortung für das Ganze der Kirche erreicht werden.
  • Die Stärkung der EKD soll durch eine Stärkung aller Organe der EKD erfolgen. Die Synode bittet um einen entsprechenden Bericht auf der 7. Tagung der 10. Synode 2008.


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