Eröffnung der Woche für das Leben 2002

EKD-Ratsvorsitzender im Gottesdienst in Erfurt

13. April 2002

Liebe Schwestern und Brüder!

Am Beginn dieser Woche für das Leben feiern wir gemeinsam diesen Gottesdienst. Unser Glaube bildet die Grundlage unseres Lebens, unserer Überzeugungen und darum auch unserer öffentlichen Stellungnahmen. In dieser österlichen Zeit feiern wir die Auferstehung des Gekreuzigten. Er starb für uns, und mit ihm beginnt unser Leben. Weil Gott sich selbst für uns Menschen hingab, ist jeder einzelne Mensch von unendlichem Wert. Das ist der Ausgangspunkt unserer Überzeugung, dass Würde und Leben des Menschen Schutz brauchen. Darum leisten wir unseren Dienst an der Gesellschaft, in dem wir uns immer wieder für die Würde und den Schutz des Lebens einsetzen.

In vielen Gottesdiensten und Veranstaltungen der Woche für das Leben werden viele Menschen in den Gemeinden darauf hören, was Gott ihnen zu sagen hat. So wollen wir auch in diesem Gottesdienst hier in Erfurt auf Gottes Wort hören und wollen ihn um seine Kraft für das Leben der Menschen bitten.

In den Herrnhuter Losungen finden wir für heute einen Vers aus dem Buch der Sprüche "Die Furcht des Herrn ist die Schule der Weisheit". Die „Furcht des Herrn“ hat
nichts mit Angst und Schrecken zu tun. Am besten verdeutlichen wir den Begriff mit „Ehrfurcht vor Gott“, der das Leben schenkt. Ihm können wir vertrauen, seinen Weisungen können wir folgen, weil sie weise sind und dem Menschen dienlich. Das ist die Schule der Weisheit, sie erschließt der Gesellschaft ihre Zukunft.

Die Wahrheit dieses Verses erschließt auch die Thematik dieser Woche für das Leben. Auf Gott zu hören, wenn es um den Schutz des Lebens geht, das ist die Schule der Weisheit. Nur eine Gesellschaft, die menschliches Leben von Anfang an schützt, kann die Basis ihres Zusammenlebens sichern. Nur eine Gesellschaft, in der behinderte Kinder liebevoll aufgenommen werden und selbstverständlich ihren anerkannten Platz finden, wird Zukunft haben. Nur eine Gesellschaft, die Eltern, aber auch Ärztinnen und Ärzte in ihren oft schwierigen Entscheidungssituationen begleitet, handelt weise. Denn Eltern, Ärzte und Ärztinnen brauchen immer wieder Mut, Konfliktsituationen zu bestehen und sich für das Leben zu entscheiden. Die „Schule der Weisheit“ lehrt, die Werte zu bewahren, auf die unser Zusammenleben gegründet und angewiesen ist.

Jedes menschliche Leben, das vernichtet wird, damit an embryonalen Stammzellen geforscht werden kann, jedes menschliche Leben, das vor einer Implantation aussortiert und zerstört wird, weil seine Genstruktur nicht den Erwartungen entspricht, ist ein Stich in das moralische Herz unserer Gesellschaft. Gottes Schule der Weisheit lehrt uns, immer wieder für den Schutz des Lebens einzustehen und gegen Pläne zur Präimplantationsdiagnostik und zur Forschung an embryonalen Stammzellen zu argumentieren. Wir sind davon überzeugt, dass dies der beste Weg für die Zukunft unserer Gesellschaft ist.

Weil wir aber auch die Schwierigkeiten dieses Weges kennen, die Sorgen derjenigen, die auf Heilung von einer bisher unheilbaren Krankheit oder auf die Geburt eines gesunden und lebensfähigen Kindes hoffen und weil wir wissen, wie wir selber immer wieder vergessen, den Herrn zu fürchten, beginnen wir auch diesen Gottesdienst mit der Bitte um Gottes Gnade.

Erfurt/Hannover, den 13. April 2002
Pressestelle der EKD