Eröffnung der Woche für das Leben 2002

EKD-Ratsvorsitzender beim Gesprächsforum in Erfurt

13. April 2002

Kardinal Lehmann hat soeben unsere theologische Motivation für die Woche für das Leben begründet. Ich möchte betonen, dass der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz in den theologischen Fragen und ihren Konsequenzen für die aktuelle Diskussion gerade auch in diesem Jahr übereinstimmen. Dabei haben wir bei der Planung der diesjährigen Woche für das Leben nicht wissen können, welche große politische Aktualität die gewählten Schwerpunkte haben würden:

Bei der Frage der Forschung an embryonalen Stammzellen befinden wir uns mitten in der Diskussion um die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses vom Januar dieses Jahres. Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass sowohl Bischofskonferenz wie auch der Rat der EKD diesen Beschluss bedauern und nun hoffen, dass die strikten Begrenzungen des Imports embryonaler Stammzellen im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht aufgeweicht werden. Wir werden die parlamentarischen Beratungen aufmerksam verfolgen. In der diesjährigen Woche für das Leben wollen wir in den Gemeinden und durch sie in der Gesellschaft überhaupt die Sensibilität für diese Fragen weiter erhöhen. Angesichts der hohen ethischen Brisanz dieser Fragen steht die Glaubwürdigkeit des Parlamentes und der einzelnen Politikerinnen und Politiker in besonderer Weise auf dem Spiel. Der Beschluss des Bundestages muss nun so umgesetzt werden, dass das grundsätzliche "Nein" zum Import und die Koppelung der ausnahmsweisen Zulassung an enge Voraussetzungen auch deutlich wird.

Die heute schon technisch mögliche Präimplantationsdiagnostik (PID), der andere inhaltliche Schwerpunkt der diesjährigen Woche für das Leben, wird vom Rat der EKD und von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ebenfalls strikt abgelehnt. Mit Vorträgen, Diskussionen und anderen Veranstaltungen in den Gemeinden wollen wir die öffentliche Sensibilität für dieses Thema weiter erhöhen. Wir freuen uns über das klare und mit großer Mehrheit gefasste Votum der Mitglieder der Enquete-Kommission des Bundestages gegen die Zulassung der PID in Deutschland und hoffen, dass der Bundestag diesem Votum folgen wird.

Dass die Woche für das Leben Jahr für Jahr auf so große Resonanz in den Gemeinden stößt, liegt meiner Meinung nach nicht nur an der großen theologischen Bedeutung dieser Fragen. Es ist auch so, dass viele Menschen den Schutz des Lebens als eine zentrale Aufgabe aller Christen und ihrer Kirchen erkennen und übereinstimmende Grundeinsichten bei diesen Themen aus den Grundlagen ihres Glaubens herleiten. Zudem ist deutlich, wie die Gefährdung des Lebens insbesondere in den Bereichen Beratung und Seelsorge von uns aufgegriffen werden muss. In den zahlreichen evangelischen und katholischen Beratungsstellen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Arbeit danken möchten, kommen die Kirchen täglich mit den Sorgen von Eltern in Berührung, die befürchten, genetisch vorbelastet zu sein oder deren Kinderwunsch bisher unerfüllt geblieben ist. In unseren Krankenhäusern treffen wir auf Menschen, die an bisher unheilbaren Krankheiten leiden. In den Seelsorgegesprächen, die Tag für Tag im Namen Christi geführt werden, spielen die Gefährdungen des Lebens und der Schutz des Lebens immer wieder eine zentrale Rolle.

Bei unseren Überlegungen zu diesen Fragen sind wir daher nicht nur mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Austausch, deren Forschungen zum Schutz des Lebens wir begrüßen und unterstützen, soweit sie ethisch verantwortlich vorgehen, sondern wir sind auch mit den Beraterinnen und den in der Seelsorge engagierten Menschen und nicht zuletzt mit den Betroffenen selber im Gespräch. Gerade diese Kontakte und die Arbeit unserer Frauenverbände haben uns in unserer theologisch begründeten Haltung bestärkt. Der Wunsch, ein gesundes Kind zu haben ist verständlich. Aus dem Wunsch aber ein Recht auf ein gesundes Kind zu haben ist aber Illusion, wie ein Recht auf Gesundheit überhaupt Illusion ist. Diese Illusion schafft mehr Leid als alle medizinischen Anstrengungen je lindern können. Gerade in Seelsorge und Beratung gilt es, mit den Betroffenen nach Wegen aus ihren Sorgen und ihrer Not zu suchen, die ihnen wirklich neue Perspektiven eröffnen und sie nicht nur vor neue, größere Probleme stellen.

Bei der Herausforderung, für das Leben einzutreten, nicht nur, aber eben doch auch angesichts der Herausforderungen von Forschung an embryonalen Stammzellen und Präimplantationsdiagnostik, geht es daher nicht nur um deutliche und öffentliche Stellungnahmen, wie sie auch dieses Jahr wieder in vielen Dörfern und Städten in Deutschland während der Woche für das Leben zu hören sein werden, es geht uns auch um die sensible Begleitung der unmittelbar und existenziell Betroffenen.

Erfurt/Hannover, den 13. April 2002
Pressestelle der EKD