Kirche mit Zukunft muss wandlungsfähig sein

Grußwort des Ratsvorsitzenden zur Amtseinführung von Alfred Buß

1. März 2004

Die evangelische Kirche müsse reformbereit sein, um ihrem Auftrag im Wandel der Zeiten treu bleiben zu können. "Die dafür nötige Veränderung ist schwer, aber sie ist unumgänglich", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, bei der Amtseinführung des neuen Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, am Sonntag, den 29. Februar, in Bielefeld.

Wenn man der Kirche den "Mut zu Reformen" abspüre, "gewinnen auch unsere kirchlichen Äußerungen zu den notwendigen staatlichen Reformmaßnahmen an Bodenhaftung." Huber dankte der westfälischen Kirche und dem bisherigen Präses Manfred Sorg für ihre Bereitschaft, die Kirchenreformen mitzugestalten. Die Evangelische Kirche von Westfalen verstehe sich selbst als "Kirche mit Zukunft" und habe dazu einen umfassenden Leitbild- und Reformprozess in Gang gebracht. Dies strahle aus in die ganze EKD, so Huber.

Der Ratsvorsitzende lobte das öffentliche Engagement von Sorg und Buß: "Sie vertreten eine Kirche, die sich als Anwältin auch der Kleinen Leute versteht", die sich aber auch kritische Anfragen an sie selber gefallen lasse. Durch die doppelte Kritikfähigkeit werde Kirche vertrauenswürdig: "im Aufnehmen von Kritik an uns selbst ebenso wie im kritischen Begleiten der Entwicklungen um uns her." Zu einer zukunftsfähigen Kirche gehöre auch das Engagement in der Ökumene, um einem "sich ausbreitenden Provinzialismus zu widerstehen". Das Christusbekenntnis verbinde weltweit Menschen in einer "Globalisierung eigener Art".

Der 56jährige Alfred Buß war seit 1994 Superintendent des Kirchenkreises Unna. Er übernimmt am Sonntag die geistliche Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, der mit rund 2,7 Millionen Mitgliedern viertgrößten Gliedkirche der EKD. Zu dem Gottesdienst, der um 10 Uhr in der Zionskirche Bethel beginnt, werden hochrangige Vertreter aus Kirche und Politik erwartet.

Hannover, 27. Februar 2004
Pressestelle der EKD     
Silke Fauzi


Im Wortlaut (es gilt das gesprochene Wort):


Grußwort bei der Einführung von Präses Alfred Buß am 29. Februar 2004


Die evangelische Kirche ist eine Kirche im Wandel: ecclesia semper reformanda. Damit ist mehr gemeint als der Wechsel in der Wahrnehmung leitender Ämter. Es geht darum, wie die Kirche ihrem Auftrag im Wandel der Zeiten treu bleiben will. Die dafür nötige Veränderung ist schwer; aber sie ist unumgänglich. Da fügt es sich gut, wenn ein Amtswechsel Anlass bietet, für die Bereitschaft zum Wandel zu danken. Heute ist das der Fall.

Dieser Dank gilt der Evangelischen Kirche von Westfalen im Ganzen. Sie versteht sich programmatisch als eine „Kirche mit Zukunft“. Um dieses Zieles willen hat sie einen Leitbild- und Reformprozess in Gang gebracht, der alle 31 Kirchenkreise und alle landeskirchlichen Werke und Einrichtungen einbezieht. Manfred Sorg hat diesen Prozess als Präses verantwortet. Alfred Buß hat ihn moderiert. Das strahlt aus in die ganze EKD. Ihnen beiden wie Ihrer Kirche gebührt dafür Dank. „Kirche mit Zukunft“ – das ist übrigens ein Motto für diesen Prozess in Westfalen, das eine sympathische Brücke zu vergleichbaren Bemühungen in den östlichen Gliedkirchen der EKD schlägt. Denn in der Bereitschaft zur Reform können wir nur voneinander lernen. Übrigens gewinnen auch unsere kirchlichen Äußerungen zu den notwendigen staatlichen Reformmaßnahmen dann an Bodenhaftung, wenn man uns selbst den „Mut zu Reformen“ abspürt.

Die Evangelische Kirche von Westfalen hat einen wichtigen Anteil an den Veränderungen, die im deutschen Protestantismus im Gange sind. Als Vorsitzender des Rates der EKU hat Manfred Sorg einen dafür sehr wichtigen Vorgang moderiert; mit unaufgeregter Sachlichkeit, aber das Ziel immer klar vor Augen, hat er dazu beigetragen, dass die Union Evangelischer Kirchen in der EKD zu Stande gekommen ist. Das wird sehr dabei helfen, dass die Evangelische Kirche in Deutschland insgesamt an Gesicht und an Gewicht gewinnt.

Die Evangelische Kirche von Westfalen nimmt engagiert an der weltweiten Ökumene teil; das spürt man an diesem Tag durch die Anwesenheit vieler ökumenischer Partner. Das Netzwerk von Kirchen in Europa wie weltweit wird von ihr mitgeknüpft und mitgetragen. Auch weiterhin wird es hoffentlich zu unserem Bild von „Kirche mit Zukunft“ gehören, dass wir einem sich ausbreitenden Provinzialismus widerstehen und ernst nehmen, dass das Christusbekenntnis Menschen auf dem ganzen Globus miteinander verbindet: eine Globalisierung eigener Art.

Das sind Dimensionen, in denen die Evangelische Kirche von Westfalen uns allen dabei hilft, eine Kirche im Wandel zu sein. Der Amtswechsel an ihrer Spitze zwischen Ihnen, liebe Bruder Sorg, und Ihnen, lieber Bruder Buß, ist ein Indiz dafür, dass und wie Ihre Kirche das `semper reformanda´ ernst nimmt.

Dass die Evangelische Kirche von Westfalen einen Präses gewählt hat, der sich – wie seine Vorgänger – öffentlich wahrnehmbar einmischt, weil es ihm ums Ganze geht - um das Wohl der Menschen und um ihr Heil - , das ist an vielen Stellen unmissverständlich zu hören und zu lesen. In Ihren vielen Wirkungsfeldern gelingt es Ihnen, lieber Bruder Buß, offenbar immer wieder, eine von Vertrauen geprägte Atmosphäre zu schaffen, in der ein offenes Wort Raum hat. Ich habe das schon vor weit mehr als zehn Jahren bei der Vorbereitung des Kirchentags im Ruhrgebiet selbst miterlebt. Sie vertreten eine Kirche, die sich als Anwältin auch der Kleinen Leute versteht, die es sich aber auch gefallen lässt, wenn an sie selbst kritische Fragen gestellt werden.  Vertrauenswürdig sind wir als Kirche ja gerade dann, wenn wir uns als kritikfähig im doppelten Sinn erweisen: im Aufnehmen von Kritik an uns selbst ebenso wie im kritischen Begleiten der Entwicklungen um uns her.

Entscheidend dabei ist freilich, wie sich unsere Kirche der entscheidenden Kritik stellt: der Kritik durch das Wort Gottes. In wenigen Wochen werden wir das siebzigjährige Jubiläum der Barmer Theologischen Erklärung begehen; die Evangelische Kirche von Westfalen besitzt mit dem Originaldokument von 1934 einen besonderen Schatz. Wir wollen uns wechselseitig dazu ermutigen, diesen Schatz nicht nur als ein Archivdokument zu hüten, sondern unter uns lebendig werden zu lassen: den Verweis nämlich auf Jesus Christus als das eine lebendige Wort Gottes, das für uns als einzelne wie für uns als Kirche Zuspruch und Anspruch in einem ist.

Lieber Bruder Buß, Sie sind uns in der EKD willkommen als der Dritte im Bunde, denn die Evangelische Kirche von Westfalen ist ja schon mit zwei wichtigen Menschen an unseren Leitungsgremien beteiligt: mit Beate Scheffler und Klaus Winterhoff. Es wird also in Zukunft spannend, wenn die drei sich zu einer beispielsweise als Skatrunde getarnten westfälischen Fraktionssitzung zusammenrotten. Wir anderen werden gespannt sein, was dabei herauskommt. Die Erfahrung macht zuversichtlich: immer nur Gutes! Das ist es auch, was ich Ihnen und was ich der Evangelischen Kirche von Westfalen wünsche: immer nur Gutes!