Ansprache anläßlich der Einführung von Herrn Jörg Bollmann als Geschäftsführer des GEP

15. März 2002

Ansprache zur Einführung von Herrn Jörg Bollmann in den Dienst als Geschäftsführer des Gemeinschaftswerks Evangelischer Publizistik und zur Verabschiedung des bisherigen Geschäftsführers Herrn Hans-Norbert Janowski am 15. März 2002 in der Alten Nikolaikirche in Frankfurt am Main

Liebe Gemeinde,

in diesem Gottesdienst wird Herr Jörg Bollmann, der nach der geltenden Ordnung zum Geschäftsführer des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik berufen wurde, in sein Amt eingeführt werden. Zugleich wird Hans Norbert Janowski, der diese Aufgabe bis jetzt erfüllt hat, aus seinem Dienst verabschiedet.
Lieber Herr Janowski und lieber Herr Bollmann, und alle, die Sie zu den beiden Familien gehören,

liebe Mitarbeiter/innen im GEP,

verehrte Freunde und Begleiter der Arbeit des GEP.

Die Evangelische Kirche tut sich mit ihrer Publizistik nicht immer ganz leicht. Und Publizistik ist auch insgesamt ein äußerst komplizierter Bereich gesellschaftlicher Wirklichkeit. Nicht nur die Frage, ob denn die Kirche überhaupt sich aktiv auf den offenen Markt der Meinungen begeben soll, statt bei ihrer eigenen großen Sache zu bleiben, nämlich der Predigt des lebendigen Christus, ist eine immer wieder gestellte Frage. Auch, inwieweit die Publizistik allgemein in der Lage ist, wirklichkeitstreu zu berichten und wahrheitsgemäß zu gestalten, da sie doch im Gefüge von ökonomischen Interessen und politischen Machtinteressen agiert und darum ihre Freiheit nur begrenzt wahrnehmen könne, wird immer wieder problematisiert.

Ich nenne ein Beispiel: „Nichts wird mehr sein, wie es einmal war.“ - Diesen Satz haben die Medien nach den Attentaten in den USA geprägt. Er wurde von zahllosen Kommentatoren inflationär benutzt. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist beinahe alles wieder, wie es immer war. Das ist nicht resignierend gemeint, denn wir haben viel dazugelernt.

Nach dem 11. September des vergangenen Jahres ist uns einmal mehr bewusst geworden, dass heute unsere Weltwahrnehmung maßgeblich durch Medien vermittelt ist, dass diese Welt durch die Medien ein Dorf wird und dass das Wort Gottes in diesem Mediendorf einen Platz hat.

Ungezählte Menschen waren nach dem 11. September in den Kirchen und haben es als Trost empfunden, dass sie übers Fernsehen und im Radio Gottesdienste miterleben konnten.  Sie konnten mitbeten und durften mitschweigen, konnten Zuflucht nehmen zu den verlässlichen Worten der alten Psalmen. Es war für die Menschen in unserem Land gut, dass sie die Kirchen in Anspruch nehmen konnten und es war für uns alle ein Segen in dieser schwierigen Situation, dass es in der Kirche Menschen gibt, die mit den Medien umgehen können. So konnten sie, als es drauf ankam, Orientierung anbieten und trösten mit einer Botschaft, die über den Tag hinaus weist.

Die Kirche könnte nach dem 11. September auch – wieder einmal - gelernt haben, wie wichtig und schwer das Geschäft der Journalisten ist.

Das Grundvertrauen in einer Gesellschaft hängt wesentlich von der Unbestechlichkeit ihrer Politiker und Beamten und von der Qualität ihrer Medien ab. Wir müssen auf die Verlässlichkeit der Information vertrauen können, damit unser Zusammenleben gelingt. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass Journalisten mit ihren Berichten der Wahrheit der Ereignisse möglichst nahe kommen. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass sie Manipulation erkennen und sich nicht an Manipulationen beteiligen.

Damit bin ich bei dem, wo wir als Christen einen Beitrag leisten können, nämlich: einen Beitrag zu mehr Wahrhaftigkeit. Ich bin froh, dass es gelungen ist, die Evangelische Journalistenschule zu erhalten, für die sich so viele renommierte und wichtige Journalistinnen und Journalisten eingesetzt haben. Sie haben ihre Kompetenz und ihren guten Namen in die Arbeit der Journalistenschule eingebracht, weil sie der Kirche zutrauen, einen Beitrag zum Berufsethos im Mediengewerbe zu leisten in der Ausbildung von jungen Frauen und Männern zu Journalistinnen und Journalisten, die ihr Handwerk verstehen, die genau hinschauen und sich ein gerades Rückgrat bewahren.

Die Kirche könnte aus dem 11. September theologisch und politisch außerdem gelernt haben, dass sie einen Beitrag zu leisten hat zur Informationsgerechtigkeit in diesem Land und in der Welt. Schon der Gründer des GEP, Robert Geisendörfer, hat die Informationsgerechtigkeit als Maßstab evangelischer Publizistik bezeichnet, als er forderte, evangelische Publizistik solle eine Stimme sein für die Stimmlosen oder wie es in den Lebensweisheiten, die dem erfahrenen Prediger Salomo zugeschrieben werden, heißt:

Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind. Tu deinen Mund auf und richte in Gerechtigkeit und schaffe Recht dem Elenden und Armen.“ (Sprüche 31,8f.).

Es gibt keinen fruchtbareren Nährboden für Gewalt, als den, Menschen, Gruppen und Völker totzuschweigen oder propagandistische Zerrbilder zu zeichnen. Und es gibt keinen größeren Anschlag auf das friedliche Zusammenleben von Menschen und Völkern als den Kolonialismus von Meinungen und Überzeugungen, der an die Stelle des freien und lebendigen Austauschs von unterschiedlichen Lebensperspektiven tritt. Deshalb unterstützen wir als Kirche den Evangelischen Pressedienst als eine Nachrichtenagentur mit ihren Fachdiensten, die sensibel die Frage zu stellen haben, welche Themen und Menschen und Meinungen im gesellschaftlichen Diskurs sonst nicht vorkommen  und die sorgfältig darauf achten, daß die Medienarbeit mit Wahrhaftigkeit, Genauigkeit und Gerechtigkeit getan wird.

„... schaffe Recht!“  Das ist eine gemeinsame Aufgabe von Kirche und Medien. Wir wollen uns als Christen mit unseren Gedanken und Überzeugungen an der Diskussion über die Grundlagen dieser Gesellschaft offensiv beteiligen. An vielen Punkten überdenken wir in diesem Land derzeit unsere Positionen grundsätzlich und formulieren neue Positionen. Das gilt für die ethischen Fragen im Zusammenhang des Stammzellenimports genauso wie für die Themen der inneren und äußeren Sicherheit und der Integration von ausländischen Mitbürgern. Zudem machen wir als Kirche Öffentlichkeitsarbeit, weil wir glauben, dass es für diese Gesellschaft hilfreich ist, wenn man im öffentlichen Gespräch mit unserer Meinung rechnen muss.

Und wir haben aus dem 11. September auch gelernt, dass wir recht hatten, die Medienverantwortlichen und Journalisten zu drängen, den interreligiösen Dialog im öffentlichen Gespräch zu profilieren und zu stärken. Es gehört zu den Aufgaben der Christen – wie ich meine – Vorurteile abzubauen, Themen offen und das Gespräch miteinander in Gang zu halten und damit diesen gefährlichen Tendenzen zur „abschließenden“ Meinung oder zur Gleichgültigkeit entgegenzutreten.

Wir haben über die Jahre erfahren können, wie verantwortungsvoll und wichtig die Aufgabe ist, sich auf dem Markt der Meinungen kenntnisreich und angemessen zu bewegen. Wir wissen auch, dass es dafür hellwache Fachleute braucht mit einem visionären und prophetischen Bewusstsein, die diese Gesellschaft ihre Entwicklungen und ihre Zukunft seismographisch wahrnehmen und sensibel, aber entschieden darauf reagieren.

Wir danken Ihnen, lieber Herr Janowski, dass sie diese Aufgabe in den vergangenen Jahren im Auftrag der evangelischen Kirche auch in harten Zeiten mit Standfestigkeit wahrgenommen haben.

Und wir danken Ihnen, Herr Bollmann, dass Sie diese so wichtige Aufgabe nun für die evangelische Kirche mit neuem Elan künftig übernehmen wollen. Sie gehen an Ihr Werk im Bunde mit zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit Beauftragten der Kirche für die Öffentlichkeitsarbeit. Ich wünsche Ihnen, daß Sie alle im GEP vorhandenen Kompetenzen zusammenführen, damit möglichst viele Begabungen der Sache dienen.

Ihre spannende Aufgaben können Sie übernehmen in der Gewissheit, dass Gottes Segen Ihr Wirken begleitet. Jenseits dessen, was Sie selber dazutun können, wird er das Seine zum Gelingen Ihres Dienstes beisteuern. Im Vertrauen auf Gottes guten Geist führen wir Sie in Ihr neues Amt ein.