Flüchtlinge dürfen nicht Spielball von Politik werden

Präses Kock und Kardinal Lehmann äußern sich zur Entscheidung zum Zuwanderungsgesetz

18. Dezember 2002

Anlässlich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das nicht rechtmäßige Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes äußern sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Karl Lehmann, über das jetzt ergangene Urteil.

Hannover / Bonn, 18. Dezember 2002     
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann 

Pressestelle der DBK
Stefanie Rotermann

Hinweis: Die Evangelische Landeskirche in Baden veranstaltet zusammen mit den Diakonischen Werken in Baden-Württemberg im Diakonischen Werk Baden, Vorholzstraße 3, in Karlsruhe zu diesem Thema heute, 18. Dezember, um 11.30 Uhr eine Pressekonferenz.

Im Wortlaut:

Erklärung des Vorsitzenden des Rates der EKD, Präses Manfred Kock, und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über das Zuwanderungsgesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das Zuwanderungsgesetz nicht grundgesetzkonform zustande gekommen ist. Die Inhalte des Gesetzes wurden dabei keiner rechtlichen Bewertung unterzogen. Zu der Verfahrensfrage, über die das höchste deutsche Gericht hier zu befinden hatte, können und wollen die Kirchen nicht Stellung nehmen. Wir bedauern jedoch, dass der Versuch des Gesetzgebers, eine Gesamtregelung über Zuwanderung, Flüchtlingsschutz und Integration zu schaffen, zunächst einmal gescheitert ist.

Die Kirchen haben während des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt deutlich gemacht, dass sie manchen Bestimmungen des geplanten Gesetzes kritisch gegenüber stehen. So sind wir dafür eingetreten, das Nachzugsalter für Kinder, deren Eltern sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, auf 18 Jahre anzuheben. Im Bereich des Flüchtlingsschutzes und bei der Aufnahme von Menschen aus humanitären Gründen haben wir weitergehende Verbesserungen angemahnt.

Gleichwohl hätte das geplante Gesetz in mancherlei Hinsicht einen Fortschritt gegenüber der derzeitigen Lage bedeutet. Der vom Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf hat eine Reihe von Anregungen aufgegriffen, die die Kirchen schon im „Gemeinsamen Wort zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht“ (1997) vorgelegt hatten. Endlich sollte eine umfassende Regelung für Einreise und Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Integration von Ausländern und Aussiedlern geschaffen werden. Nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung wurden als Verfolgungstatbestände im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Ausländer sollten einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel erhalten, wenn dauerhafte Hindernisse eine Abschiebung unmöglich machen. Vorgesehen waren auch erste, wenn auch noch nicht ausreichende, Schritte auf dem Weg zu einem dringend benötigten Integrationskonzept. Wir bedauern, dass diese guten Ansätze nunmehr fürs Erste nicht verwirklicht werden.

Die öffentliche Diskussion hat jedoch Hinweise darauf gegeben, dass die Gegensätze zwischen den maßgeblichen politischen Kräften in der Zuwanderungspolitik nicht unüberbrückbar sind. Wir ermutigen deshalb die Parteien, kleinliche Auseinandersetzungen jetzt beiseite zu lassen und den ernsthaften Versuch zu unternehmen, das Notwendige gemeinsam auf den Weg zu bringen. Vor allem darf das vorläufige Scheitern des Zuwanderungsgesetzes nicht dazu führen, dass Migranten und Flüchtlinge zum Spielball parteipolitischer Interessen werden.

Gerade in der Zeit vor Weihnachten erinnern Christen an die Verheißung des Friedens, die den Menschen mit der Geburt Jesu zugesprochen ist. Diese Botschaft hat ihre Bedeutung auch für die Gestaltung unseres Gemeinwesens. Sie mahnt und ermutigt, die Voraussetzungen für ein friedliches und gedeihliches Miteinander aller in Deutschland Lebenden zu schaffen.

Hannover / Bonn, 18. Dezember 2002
Ratsvorsitzender der   Evangelischen Kirche in Deutschland 
Präses Manfred Kock      

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Kardinal Karl Lehmann

Hinweis: Das Kommuniqué wird gleichzeitig von den Pressestellen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlicht.