EKD-Rat: Restriktionen für Stammzellen-Import nicht aufweichen

Am Embryonenschutz konsequent festhalten!

22. Februar 2002

Rat der EKD-Rat: Restriktionen für Stammzellen-Import nicht aufweichen
Auch PID entspricht nicht dem Grundsatz des Lebensschutzes von Anfang an

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fordert, am Schutz menschlicher Embryonen konsequent festzuhalten. Er warnte in seiner Sitzung heute (22. Februar) in Hannover vor einer Aufweichung des Bundestagsbeschlusses vom 30. Januar 2002, der den Import menschlicher embryonaler Stammzellen nur unter strengen Restriktionen zulässt. Das Leitungsorgan der evangelischen Kirche nahm die heutige Vorstellung eines Gesetzesvorschlages für die Umsetzung des Beschlusses zum Anlass, sich zum Fortgang der bioethischen Debatte zu äußern.

Der Rat der EKD respektiert den Versuch des Deutschen Bundestages, einen Ausgleich zwischen gegensätzlichen Überzeugungen zu finden und dadurch einen ethischen Konflikt in der Rechtsordnung zu befrieden. Diese Bewertung gelte aber nur unter der Voraussetzung, dass es dabei bleibt, was die Überschrift des Mehrheitsbeschlusses vom 30. Januar ausspricht: „Keine verbrauchende Embryonenforschung: Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen Voraussetzungen zulassen“.

Wer - wie zahlreiche Forscherinnen und Forscher in der dem Beschluss vorausgegangenen öffentlichen Diskussion - um Vertrauen werbe, müsse selbst mit dafür sorgen, dass die mit der Entscheidung gezogenen Grenzen "eingehalten und bewahrt werden", appellierte der Rat. Sollte sich herausstellen, dass die engen Voraussetzungen der Zulassung des Stammzellen-Importes gar nicht ernst gemeint gewesen seien „und im Ergebnis lediglich den Einstieg in den Ausstieg aus dem Embryonenschutz“ markierten, werde das Vertrauen in Forschung und Politik „schweren Schaden leiden“. Dieses Vertrauen stehe schon dadurch auf dem Spiel, dass unmittelbar nach dem Bundestagsbeschluss "die Forderung nach seiner Aufweichung unverhohlen laut wurde", warnte das EKD-Leitungsgremium.

In seiner Erklärung erneuerte der Rat das Bedauern über die Zulassung des Stammzellen-Importes. Auch die Genehmigung unter strengen Bedingungen entferne sich von dem Grundsatz, Lebensrecht und Lebensschutz menschlicher Embryonen „von Anfang an zu gewährleisten und nicht um vermeintlich höherer Ziele willen in Frage zu stellen“.

Mit diesem Grundsatz ist – so die EKD weiter – auch die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht vereinbar. Sie beruhe auf der Prüfung künstlich gezeugter menschlicher Embryonen und ziehe im Falle nicht bestandener "Qualitätsprüfung“ deren Vernichtung nach sich. Dem Ergebnis nach sei die PID „eine ins Labor verlegte Schwangerschaft auf Probe“. Die Not kinderloser Paare, die auf gesunden eigenen Nachwuchs hofften, sei zwar ernst zu nehmen, betont der Rat der EKD. Doch der Preis, der mit der Zulassung der PID gezahlt werde, sei zu hoch. Die Erfahrung mit der vorgeburtlichen Diagnostik belegt nach Auffassung des Gremiums das außerordentlich große Risiko, „dass die ursprünglich intendierte enge Begrenzung“ der PID nicht durchgehalten werden könne.

Hannover, den 22. Februar 2002
Pressestelle der EKD

Es folgt der Wortlaut der Erklärung des Rates der EKD zum Fortgang der bioethischen Debatte


Am Embryonenschutz konsequent festhalten!

Heute ist in Berlin von einer Gruppe von Abgeordneten ein Vorschlag für die Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2002 zum Stammzellimport in eine gesetzliche Regelung vorgestellt worden. Dies nimmt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Anlass, zum Fortgang der bioethischen Debatte Stellung zu nehmen:

Er bedauert die vom Deutschen Bundestag am 30. Januar 2002 mehrheitlich beschlossene Zulassung des Imports menschlicher embryonaler Stammzellen. Auch ein Import, der strengen Bedingungen unterworfen wird, entfernt sich von dem Grundsatz, das Lebensrecht und den Lebensschutz menschlicher Embryonen von Anfang an zu gewährleisten und nicht um vermeintlich höherer Ziele willen in Frage zu stellen. Der Rat ist dankbar für die breite Unterstützung des Antrags, dem Geist des Embryonenschutzgesetzes entsprechend keine Stammzellen zu importieren, die im Ausland um den Preis der Vernichtung von menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Er dankt den Abgeordneten des Deutschen Bundestages insgesamt für eine Debatte, in der die besondere Schutzwürdigkeit menschlicher Embryonen in breiter Übereinstimmung bejaht wurde und sich die unterschiedlichen Positionen in Achtung vor der jeweils anderen Überzeugung begegnet sind. Jetzt gilt es, auf der Grundlage der getroffenen Entscheidung dem Grundsatz des Schutzes des menschlichen Lebens von Anfang an so weit wie möglich treu zu bleiben.

Die Befürworter der Mehrheitsentscheidung des Bundestages haben vorgebracht, auch im Fall der Stammzellforschung solle die rechtliche Regelung so gefasst werden, dass ethische Konflikte in der Rechtsordnung befriedet werden können. In diesem Sinn respektiert der Rat der EKD den vom Deutschen Bundestag unternommenen Versuch, einen Ausgleich zwischen gegensätzlichen, tiefen Überzeugungen zu finden. Diese Bewertung ist allerdings an die Voraussetzung gebunden, dass es dabei bleibt, was die Überschrift über den mit Mehrheit angenommenen Antrag ausspricht: "Keine verbrauchende Embryonenforschung: Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen Voraussetzungen zulassen". Gerade wer dafür wirbt, rechtliche Regelungen so zu fassen, dass tiefgreifende ethische Konflikte befriedet werden können, hat die Verpflichtung, allen Tendenzen zu einer Aufweichung des Bundestagsbeschlusses entgegenzutreten.

In den vergangenen Monaten ist mehrfach der Appell laut geworden, der biologischen und medizinischen Forschung nicht mit einem prinzipiellen Misstrauen zu begegnen, ihr keine unlauteren Motive zu unterstellen und sie nicht pauschal mit vereinzelten unseriösen und verantwortungslosen Stimmen zu identifizieren. Der Rat würdigt ausdrücklich das große Verantwortungsbewusstsein vieler, die in Biologie, Medizin und Forschungspolitik tätig sind. Er sieht in Forschung, Technik und ärztlicher Kunst gute Gaben Gottes, die in verantwortlicher Weise zu nutzen den Menschen aufgetragen ist. In der aktuellen bioethischen Debatte - so heißt es bereits in der Erklärung des Rates vom 22. Mai 2001 - "stehen sich nicht, wie es manchmal irreführend dargestellt wird, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Interessen auf der einen und ethische Positionen auf der anderen Seite gegenüber. Die ethischen Maßstäbe und Argumente selbst sind es, die strittig geworden sind." Die Beiträge zahlreicher Forscherinnen und Forscher in der Debatte über den Import menschlicher embryonaler Stammzellen haben dazu beigetragen, ihnen auch dann Respekt und Vertrauen entgegenzubringen, wenn sie zu anderen ethischen Schlussfolgerungen kommen. Wer um Vertrauen wirbt, muss allerdings selbst mit dafür sorgen, dass die mit der Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2002 gezogenen Grenzen eingehalten und bewahrt werden. Das Vertrauen gegenüber Vertretern der Forschung, aber auch der Politik wird dadurch aufs Spiel gesetzt, dass schon unmittelbar nach dem Bundestagsbeschluss die Forderung nach seiner Aufweichung unverhohlen laut wurde. Dieses Vertrauen würde schweren Schaden leiden, wenn sich in einigen Jahren oder sogar bereits nach wenigen Monaten herausstellen sollte, dass die Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2002 die engen Voraussetzungen, unter denen sie den Import von Stammzellen zugelassen hat, gar nicht ernst gemeint hat und im Ergebnis lediglich den Einstieg in den Ausstieg aus dem Embryonenschutz markiert. Deshalb muss das geplante Gesetz die strengen Bedingungen, an die der Bundestagsbeschluss den möglichen Import von embryonalen Stammzellen knüpft, konsequent umsetzen.

Die bioethische Debatte muss und wird weitergehen. Die Fragen der Stammzellforschung bilden nur einen Ausschnitt aus dem gesamten Themenspektrum. Die nächste konkrete Streitfrage wird voraussichtlich die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland sein. Der Rat bekräftigt seine Überzeugung, dass die Präimplantationsdiagnostik mit dem Grundsatz des Schutzes menschlicher Embryonen von Anfang an nicht vereinbar ist. Sie beruht auf der Prüfung extrakorporal gezeugter menschlicher Embryonen und zieht - im Falle der nicht bestandenen "Qualitätsprüfung" - die Vernichtung dieser Embryonen nach sich. Sie wird häufig mit der Begründung befürwortet, dies sei der einzige Weg, um Eltern, die genetisch belastet sind, zu einem gesunden eigenen Kind zu verhelfen, und ihre Anwendung beschränke sich auf eine kleine, abgrenzbare Zahl von Fällen. Dem Ergebnis nach ist die Präimplantationsdiagnostik eine ins Labor verlegte Schwangerschaft auf Probe. Unter ethischen Gesichtspunkten hat bisher ein breiter Konsens darüber bestanden, dass, etwa in der humangenetischen Beratung oder in der Schwangerenberatung, eine Schwangerschaft auf Probe nicht befürwortet werden kann. Was im Falle der natürlichen Zeugung und der Schwangerschaft ethisch nicht vertretbar ist, wird nicht dadurch akzeptabel, dass es ins Labor verlegt wird. Der Hinweis auf die Not kinderloser Paare, die auf ein gesundes eigenes Kind hoffen und warten, ist ernst zu nehmen. Aber der Preis, der mit der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik gezahlt wird, ist nach der Einschätzung des Rates zu hoch. Der Wille, die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik auf wenige, streng gefasste Indikationen zu beschränken, kann und soll nicht bestritten werden. Wie die Erfahrung mit der pränatalen Diagnostik belegt, ist jedoch das Risiko, dass die ursprünglich intendierte enge Begrenzung nicht durchgehalten werden kann, außerordentlich groß. Der Rat plädiert dafür, dieses Risiko gar nicht erst einzugehen.

Hannover, 22. Februar 2002
Pressestelle der EKD