Präses Kock predigt im Berliner Dom:

"Christsein kann gelingen, wenn die Kirche nicht hinter Mauern bleibt"

02. Dezember 2002

Kein Jubel finde in diesen Tagen statt - weder in Berlin noch anderswo in Deutschland. Wirtschaftliche Sorgen und politische Ereignisse gäben den Anlass dafür, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, in seiner Predigt zum 1. Advent und damit zum Beginn des neuen Kirchenjahres am 1. Dezember im Berliner Dom.

Zum 1. Advent werde in den Kirchen die Geschichte vom Einzug des umjubelten Jesu nach Jerusalem gelesen. "Was lehrt diese Geschichte, die so fremd wirkt in unserer modernen Welt", fragt der Ratsvorsitzende. Es herrsche wirtschaftliche Unsicherheit und die Zahl der Arbeitslosen und der Obdachlosen steige. In dieser Welt finde kein Jubel statt, "eher Erschütterung über die in Selbstmordattentaten sterbenden Friedenshoffnungen in Nah-Ost, über den Aufruhr in Nigeria, über die Drohung eines Krieges im Irak."

Schlüssel zu dieser Einzugsgeschichte sei, dass Jesus der König sei und zwar anders als die Welt ihn erwarte. Trotz des Jubels bei seinem Einzug und der Ablehnung später gelte: "Jesus ist Sieger, auch wenn die Welt ihn überwindet. Diese Einzugsgeschichte bietet auch für unsere Adventszeit in diesem Jahr eine große Chance. Sie kann die diffusen Sehnsüchte der Menschen ausrichten. Nicht im Jagen nach Ablenkung, nicht im maßlosen Genuss, nicht mit Geld oder Waffen, nicht durch körperliche Drohung oder durch moralischen Druck wird die Stadt geheilt. Der auf dem Esel zeigt, wie das Heil in die Stadt zieht. Verhüllt, als Macht der Demut und der Menschlichkeit."

Die Stadt Berlin sei ein verwirrend vielfältiges Gebilde mit deutlichen Kontrasten zwischen arm und reich. Inmitten dieser Stadt halte der Dom Erinnerungen wach an "die von Gemeinschaft getragene und die Gemeinschaft prägende Glaubenswelt." Das Interesse der Massen nämlich würde stärker von anderen Domen, "von den Kultstätten des allabendlich zelebrierten Vergnügens," angezogen. Doch die Domgemeinde wie auch andere lebendige Gemeinden würden keine "Laufkundschaft" verachten. "Hier herrscht Freude über Sympathisanten und Neugierige. Christsein in der Stadt kann gelingen, wenn die Kirche nicht im Dorf, nicht hinter Mauern bleibt. Wenn sie sich einstellt auf die, die suchen, ohne es zu wissen, auf die, die sich verlieren im unübersichtlichen Markt religiöser Angebote. Christsein kann gelingen, wenn die Anfänger im Glauben die Fahne der Hoffnung ergreifen," so Präses Kock.

Die Ankunft des Christus sei Zeichen für den Neubeginn. Sie setze Hoffnung gegen Nichtigkeit und Leere. Überall in der Welt setzten Menschen Zeichen gegen Macht und Todesdrohung: "Die bedrohten Gruppen von Christen in Pakistan und auf einigen Inseln in Indonesien, sie wissen, wie gefährlich es sein kann, Christ zu sein. Sie erleben, wie viele ihrer Schwestern und Brüder getötet werden und bleiben doch treu und geben die Hoffnung nicht auf." Auch die Friedenssehnsucht in Israel und Palästina lasse sich die Hoffnung nicht rauben. "Wir bleiben die Bedürftigen. Jesus muss bei uns einziehen. Unsere Ängste und Verwirrungen brauchen neue Kraft."

Hannover 29. November 2002
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Predigt im Wortlaut