Rat der EKD veröffentlicht Orientierungshilfe zum Abendmahl

17. Januar 2003

Eine „Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche“ ist vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag, 17. Januar, in Berlin vorgestellt worden. Im Herbst 2001 – nach den Auseinandersetzungen über das Feierabendmahl beim Kirchentag in Frankfurt/Main – hatte der Rat eine Ad-hoc-Kommission einsetzt, um Fragen nach Verständnis und Praxis des Abendmahls zu beraten. Diese Kommission unter Vorsitz von Professor Christoph Markschies, Heidelberg, hat die Orientierungshilfe erarbeitet. Der Rat hat sie sich im Dezember 2002 zu eigen gemacht. Der Vorsitzende des Rates, Präses Manfred Kock, und der Vorsitzende der Ad-hoc-Kommission, Professor Christoph Markschies, haben die Orientierungshilfe im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentags der Öffentlichkeit vorgestellt. Das 64 Seiten umfassende Taschenbuch ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen und zum Preis von 2,95 Euro im Buchhandel zu beziehen.

Zu Anlass, Inhalt und Absicht der Orientierungshilfe:

Vom 28. Mai bis zum 1. Juni 2003 findet in Berlin der „Ökumenische Kirchentag“ statt. Viele Menschen fragen sich, warum katholische und evangelische Christen auf diesem ökumenischen Großtreffen nicht gemeinsam das Abendmahl feiern können. Sie suchen eine präzise Orientierung darüber, was heute in der evangelische Kirche „Abendmahl“ theologisch und praktisch bedeutet und an welchen Punkten es Unterschiede zur katholischen Eucharistie gibt. Aber auch unabhängig vom Ökumenischen Kirchentag gibt es in vielen evangelischen Gemeinden zahlreiche Fragen zum Verständnis und zur Praxis des Abendmahls: Welche Bedeutung haben die Berichte vom letzten Abendmahl Jesu in der Bibel für gegenwärtige Praxis? Warum wird noch heute von Leib und Blut Jesu Christi sowie von Schuld und Sünde der Menschen gesprochen? Gibt es bessere und schlechtere gottesdienstliche Formen?

Die Orientierungshilfe stellt in guter evangelischer Tradition zunächst die biblischen Texte über das Abendmahl vor und entfaltet die Einsicht, dass schon in den ersten christlichen Gemeinden gleichsam ein harter Kern gemeinsamen Abendmahlsverständnisses eingebettet war in eine Vielfalt unterschiedlicher Gestaltungsformen, so dass sich sowohl eine „breite Übereinstimmung in den Kernaussagen als auch individuelle Akzente einzelner Autoren und Gemeinden“ feststellen lassen. 
Dieses Grundmodell von Einheit und Vielfalt überträgt die Orientierungshilfe auf gegenwärtige Fragestellungen und entfaltet in einem großen zweiten Teil das gemeinsame evangelische Verständnis des Abendmahls, das die in der EKD miteinander verbundenen Kirchen prägt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit gerade auch denjenigen Elementen des evangelischen Abendmahlsverständnisses, die gegenwärtig vielen nicht mehr oder jedenfalls kaum noch verständlich sind: der Rede von Sünde und Schuld, von Opfertod und Sühne sowie von Fleisch und Blut.

Bei Ihnen handle es sich allesamt um "biblische Ausdrucksweisen, die unmittelbar mit dem Realitätscharakter der Feier zusammenhängen“ und  die den theologisch unverzichtbaren Kern von der ebenso konkreten wie geheimnisvollen Gegenwart Gottes im Abendmahl formulieren.

Der dritte Teil schließlich behandelt sehr konkret eine Zahl von drängenden praktischen Fragen. Das Dokument ist einerseits Ausdruck des breiten theologischen Konsenses, der zwischen den evangelischen Landeskirchen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts gewachsen ist und die kirchentrennende Wirkung der Spaltung des 16. Jahrhunderts überwinden half. Andererseits ist der Text ein Zeugnis der legitimen evangelischen Freiheit, gewachsene Tradition zu respektieren, aber nicht minder den beeindruckenden Aufbrüchen der Abendmahlsfrömmigkeit in den letzten Jahrzehnten Beachtung zu schenken.

Von besonderem aktuellen Interesse sind die Passagen der Orientierungshilfe, in denen es um die wechselseitige Teilnahme an der Feier des Abendmahls bzw. der Eucharistie geht: "Dürfen römisch-katholische Christen an einem evangelischen Abendmahl teilnehmen?" Und: "Dürfen evangelische Christen an einer römisch-katholischen Eucharistie teilnehmen?" Der Text bekräftigt die "eucharistische Gastfreundschaft" der evangelischen Kirchen sowie ihre Auffassung, dass "die durch Christus im Abendmahl eröffnete Gemeinschaft nicht durch menschliche Zeremonien oder Theologien beschädigt werden kann" und jedenfalls insoweit für evangelische Christen kein theologisches Hindernis besteht, in einer katholischen Eucharistiefeier zu kommunizieren. Sehr sorgfältig beschreibt der Text die engen Grenzen, die die geltende lehramtliche Position der römisch-katholischen Kirche für die Teilnahme römisch-katholischer Christen an einem evangelischen Abendmahl und für die Teilnahme evangelischer Christen an einer römisch-katholischen Eucharistie zieht. Im Vorwort zu der Orientierungshilfe erinnert darum der Ratsvorsitzende daran, dass "man Nähe so wenig erzwingen wie man Gemeinschaft einfordern kann. Keiner sollte in Fragen einer gemeinsamen Abendmahlsfeier den anderen nötigen wollen."

Das Papier des Rates enthält keine neue Theologie des Abendmahls, die mit einem Schlag alle Probleme im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentages lösen könnte. Es orientiert vielmehr über den Sachstand und trägt erstmals seit Jahren in knapper Form zusammen, was in der evangelischen Kirche gemeinsam über das Abendmahl gesagt werden kann. Ausgegangen wird von der Erfahrung heutiger Gottesdienstbesucher mit dem Abendmahl in evangelischen Kirchen. Gerade dadurch ist der Text für kommende Gespräche zwischen den Kirchen und unter einzelnen Christen eine hilfreiche Orientierung. Er wendet sich daher nicht nur an Fachleute, sondern ebenso an interessierte Laien und will auf diesem Weg die breitere Öffentlichkeit erreichen.

Christof Vetter
Pressestelle der EKD
Hannover, 17. Januar 2003