Ansprache im ökumenischen Gottesdienst anlässlich der Eröffnung der "Woche der ausländischen Mitbürger" in der Marktkirche in Hannover

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

23. September 2000

"Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und als Frau."

"Der Mensch ist Gottes Bild", so heißt es am Beginn der Heiligen Schrift. Israels Erfahrung mit seinem Gott schlägt sich darin nieder. Einen Gott hat das Volk erfahren, der sich die Menschheit zum Gegenüber wählt. Die ganze Schöpfung ist darauf hingeordnet.

Gottes Bild:

  • Kein Qualitätsmerkmal, weder äußerlich noch innerlich;
  • kein Charakterzug des Menschen,
  • weder Vernunft noch Streben,
  • weder Güte noch Vollkommenheit
    sind Kennzeichen des Bildes.
Gottes Bild, das ist Gottes Gegenüber.
Israel, das Volk, mit dem Gott seinen Bund schließt, hört diese Botschaft: "Ich will euer Gott sein, ihr sollt mein Volk sein."
Gottes Bild: Der Christus am Kreuz
"Seht, welch ein Mensch."
Auf ihn blicken wir, wenn wir wissen wollen, nach wessen Bild wir geschaffen sind und welchem Bild wir einst am letzten Tag entsprechen.
"Ich bin für euch." Gottes Bild - der Mensch.

Es gibt ganz andere Antworten:
Dutzendware sind wir,
anonym in riesigen Massen lebend,
verführbar zu jeder Art von Wahn und Grausamkeit,
Rädchen im Räderwerk der Mächte,
armselig, austauschbar, ersetzbar,
oft vergesslich, was die Wohltaten angeht,
stets nachtragend, was die Verletzungen angeht und
furchtbar unsensibel gegenüber dem Leid der anderen.

Die Bibel aber beschreibt eine Würde, die diesen Einschätzungen widerspricht. Gott will, dass der Mensch eine Beziehung eingeht von Anfang an. Du und ich, ich und du.
Gott ist Liebe, lebt in Beziehung zu uns.
Darum: Ich und Du. Das ist die einzige menschengemäße Unterscheidung zwischen uns.
  • Nicht Klassen oder Rassen, nicht Gruppen oder Sippen oder Blutsgemeinschaften.
  • Nicht Hautfarben oder Nationalitäten oder Vaterländer.
Ich und Du, in gleicher Würde mit allen Menschen in Gottes Schöpfung.

Die gleiche Würde ist allen verliehen.
Es geht nicht allein um die Würde der Deutschen,
es geht auch um die Würde der Roma Familien aus dem Kosovo,
es geht auch um die Würde der Menschen, die von Schleppern in unser Land geholt werden. Auch diese eingeschleppten Menschen haben das Recht auf menschenwürdige Behandlung.
Es geht auch um die Würde der Frauen, die mit Lockung oder unter Zwang zur Prostitution benutzt werden; auch sie haben das Recht auf menschenwürdige Behandlung.

Buntheit und Vielfalt der Menschheit entsprechen Gottes Willen. Niemand, kein Volk, keine Rasse oder Klasse könnte einen Mehrwert für sich reklamieren. Ich weiß, das anzunehmen fällt den Benachteiligten in unserem Land nicht leicht, insbesondere den Opfern von wirtschaftlichen Veränderungen. Das fällt auch denen schwer, die selber nie ihren Wert und ihre Würde erfahren haben, und die deshalb versuchen, sich über andere zu erheben.

Wir werden uns Mühe geben müssen, gerade ihnen zu vermitteln, dass in der Vielfalt auch Chancen liegen, dass die Ideen, Dienstleistungen, die kulturellen Beiträge unserer ausländischen Nachbarn eine Bereicherung für sie selbst und für unsere Gesellschaft sind.

Es darf keinen politischen Poker geben, um sogenannte nützliche Ausländer gegen nutznießende. Diese Menschen dürfen nicht zu ökonomischen Faktoren im Wahlkampf reduziert oder als politische Spielbälle missbraucht werden.

Die Würde des Menschen verlangt Zivilcourage, wenn im Namen eines dumpfen Nationalismus gegen Recht und Gesetz verstoßen wird. Wegschauen macht schuldig. Unsere Kinder und Enkel dürfen nicht auf die schrecklichen Vereinfacher hereinfallen. Wir müssen sie für einen toleranten Umgang mit ausländischen Mitschülern, Kollegen und Nachbarn gewinnen.

Am Ende der Schöpfungsgeschichte heißt es " Und Gott sah an, alles war er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut", - das ist das Nein Gottes zu Chaos und zu Gewalt; es ist sein Ja zur Würde jedes Menschen.

Hannover, 23. September 2000
Pressestelle der EKD