Osterbotschaft 2000

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

23. April 2000

Kurz vor Ostern erschien die Shell-Studie "Jugend 2000". Sie fragte auch: Was denken und glauben die Jugendlichen zu Beginn des neuen Jahrtausends? Haben sie religiöse Fragen und praktizieren sie ihre Religion? Es ist ein besonderer und für manche ungewöhnlicher Aspekt des "Generationenvertrages", der hier in den Blick genommen wird: Es geht nicht darum, ob die Jugendlichen von heute einmal in der Lage sein werden, die Alten von morgen zu ernähren, sondern darum, ob die Erwachsenen die Jugendlichen mit Glaubensinhalten ausreichend ernährt haben. Für die Erwachsenenwelt allgemein und für die Kirche insbesondere ist diese Studie auch ein Blick in den Spiegel. Hier zeigt sich, wie es bestellt ist mit unserer Fähigkeit, den Glauben weiterzugeben.

Es sind nicht die großen Wahrheiten, von denen die Jugendlichen beeindruckt sind. Und Institutionen sagen ihnen wenig. Aber Gesprächspartner für ihre Sorgen und Probleme brauchen und suchen sie. Das Bild der Kirche verdichtet sich für sie in einzelnen Personen: im Eindruck vom Pfarrer und der Lehrerin, vom Jugenddiakon und der Kindergottesdiensthelferin.

Der oft abschätzig konstatierte "Wertecocktail" der Jugendlichen, ihre konturlosen und widersprüchlichen Vorstellungen über Schicksalsmächte und ein Weiterleben nach dem Tode sind nicht ihnen anzulasten. Sie sind eher eine Folge wachsender Sprachlosigkeit der Erwachsenen. Die Berichte der Bibel über Erfahrungen mit dem auferstandenen Jesus zeigen, wie Sprachlosigkeit überwunden und wie das Gespräch über Glaube und Leben wieder eröffnet werden kann.

Den beiden Jüngern, die verschreckt und irritiert durch die Karfreitagskatastrophe Jerusalem in Richtung Emmaus verlassen, folgt Jesus zunächst unerkannt schweigend. Er passt sich ihrer Schrittlänge und ihrem Verstehenshorizont an. Er hört aufmerksam zu, bevor er in ihrer Sprache redet und die Wahrnehmung für das Erlebte schärft. An solchen Weggefährten hängt man. Die lässt man nicht los, wenn es im Leben dunkel wird.

Zum Reden muss das Handeln kommen. Dies hat die Shell-Studie deutlich vor Augen gestellt. Die Ausländerfeindlichkeit gerade bei in ihren Lebenschancen benachteiligten Jugendlichen lässt sich nicht durch Gespräche auflösen. Wir müssen dafür sorgen, dass die jungen Leute Boden unter den Füßen haben, um ihren eigenen Weg gehen zu können, sie brauchen Ausbildungschancen und die Gewissheit, gebraucht zu werden. Der Weggefährte damals in Emmaus setzt sich an den Tisch und teilt das Brot. Er gibt weiter, was er selber isst. Er teilt, was Leib und Seele zusammenhält. Jesus drängt sich nicht auf. Er lässt sich entdecken. Die Jünger sind es, die ihn bitten, doch zu bleiben. Nicht den wird diese junge Genertion als Gesprächspartner suchen in den Dunkelheiten ihres Lebens, der die Wichtigkeit seiner Anschauungen nur behauptet. Sondern der hat Autorität und wird als Gesprächspartner und Vorbild anerkannt werden, der sich an die Seite der jungen Menschen stellt, das Brot mit ihnen teilt und die Erfahrung vermittelt: Ich nehme euch wahr!

Es war diese Ostererfahrung, die den Jüngern in Emmaus die Augen öffnete. So wurde ihr Horizont über die Grenze dieses Lebens hinaus geweitet. Der Tod ist nicht das Ende. Die Jünger damals konnten diese Erfahrung nicht für sich behalten. Sie und nach ihnen viele verbreiteten sie dort, wo man den Blick nach vorne nicht mehr wagte. Aus dieser Erfahrung lebt die Kirche. Diese Erfahrung muss sie weitergeben: Der Stein auf Jesu Grab besiegelte nicht sein Ende. Sein Leben reicht weiter als die Spanne zwischen Geburt und Tod. Dass dies zur Sprache kommt, ist die Kirche der Gesellschaft und vor allem ihren Kindern schuldig.

Hannover, den 23. April 2000
Pressestelle der EKD