"Kooperation für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft"

Gemeinsame Erklärung anlässlich des 6. Spitzengesprächs des Deutschen Sportbundes (DSB), der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz in Frankfurt/Main

28. März 2000

Am Dienstag, 28. März 2000, trafen sich in Frankfurt am Main Manfred von Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Bischof Dr. Karl Lehmann (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz) und Präses Manfred Kock (Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland) zum 6. Spitzengespräch der Kirchen und des Sports.

In ihren Beratungen verständigten sich die Partner über gemeinsame Grundanliegen der Zusammenarbeit. Kirchen und Sport verstehen ihre konstruktive Partnerschaft als wichtiges Bindeglied für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Ausgehend vom Wandel und der Flexibilisierung der Erwerbsarbeit bekräftigten die Kirchen und der Deutsche Sportbund ihr Engagement für den Schutz des Sonntags. Im Zweckbündnis von Kirche und Sport zur Verteidigung des arbeitsfreien Sonntags gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Während die Kirchen an die Kultur des Sonntags als "Tag des Herrn" zur Feier des Gottesdienstes und zur gemeinsamen Ruhe und Besinnung erinnerten, verwies der Sport auf die Pflege der gemeinsamen Zeit für Sport, Spiel und Bewegung.

Bischof Karl Lehmann betonte, dass sich die Kirchen und der Sport nicht die Initiative aus der Hand nehmen lassen dürfen, wenn es um die Würde und den Wert des Menschen gehe. Leistung allein entscheide nicht über den Wert des Menschen. Ein übertriebener Leistungsgedanke führe zu Ausgrenzungen und Abwertungen der Gruppen, die den herrschenden Leistungskriterien nicht entsprächen. Viele Menschen in der Gesellschaft würden sich immer mehr als Objekte anderer Interessen erfahren. Hier sieht Lehmann auch die Ursachen für die Schattenseiten des modernen Sports. Gerade Bildung und Erziehung böten sich an, für ein umfassendes Menschenbild zu plädieren. Die Schule dürfe die körperliche und geistliche Dimension nicht vernachlässigen, sagte Lehmann im Blick auf die Stellung des Schulsportes und des Religionsunterrichts. Die Glaubwürdigkeit des Sports, der Kirchen und ihrer Partnerschaft hänge von ihrem lebendigen Einsatz für eine menschengerechte Welt und Umwelt ab. Anspruch und Wirklichkeit dürften nicht zu weit auseinander fallen.

Der Vorsitzende des Rates der EKD, Präses Manfred Kock, würdigte die Bedeutung von "Sport und Spiel", welche die evangelischen Kirchen in ihrem Impulspapier für den Konsultationsprozess zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur herausgestellt habe. Gerade die aktiven Angebote von Kirchengemeinden und Sportvereinen böten in der Arbeit und Begegnung mit älteren Menschen ein wertvolles Potential für Orientierung und Lebensqualität jenseits von Jugendlichkeit oder einem falschen Kult um den Körper.

Insbesondere im Blick auf die jüngere Generation zeigte sich der EKD-Ratsvorsitzende besorgt über eine zunehmende Gewaltbereitschaft, die Risse im gesellschaftlichen Miteinander signalisiere. Kirchen und Sport müssten, so das Plädoyer von Präses Kock, verstärkt Kompetenzen und Wertorientierungen vermitteln, die die Logik der Gewalt überwinden helfen.

DSB-Präsident Manfred von Richthofen verwies auf die Bedeutung der Erwerbsarbeit und ihre Auswirkungen auf die ehrenamtliche Mitarbeit und Führung in den Kirchen und in der Sportbewegung. Die Sportvereine bildeten ihrerseits zum erheblichen Teil den "sozialen Kitt", den eine moderne Gesellschaft für ihren Zusammenhalt benötigt. Sowohl Jugend als auch Senioren seien in den Sportvereinen besonders geförderte Zielgruppen; gerade an zahlreichen sozialen Brennpunkten würden engagierte Menschen in Sportvereinen zum Ausgleich von Spannungen und zur Befriedung beitragen. "Mitternachtssport" bilde nur ein Schlagwort dafür, dass Sportvereine vielfach bereit seien, sich zu öffnen und den vorhandenen Bedürfnissen nachzukommen. Von Richthofen dankte den Kirchen für ihren Beitrag zur Erziehung Jugendlicher in der Schule und ihre Mitarbeit im Aktionsbündnis zur Sicherung und Verbesserung des Schulsports.

Über diese Kooperation hinaus regte er den Ausbau von "Netzwerken" an, in denen Kirchengemeinden und Sportvereine sich vor Ort über ihre Angebote und Räumlichkeiten abstimmen könnten. Er sprach die Einladung an die Kirchen aus, sich aktiv an der Entwicklung eines Leitbildes für die gemeinnützige Sportbewegung zu beteiligen, das der Deutsche Sportbund und seine Mitgliedsorganisationen derzeit vorbereiten und aus Anlass des 50. Geburtstages des Deutschen Sportbundes im Dezember 2000 öffentlich vorstellen werden.

Die Diskussion führte zu konkreten Vereinbarungen: Verabredet wurde ein Expertengespräch zum Thema "Soziale Brennpunkte - Sozialer Zusammenhalt und seine Bedeutung für die Gewaltprävention" zwischen Kirchengemeinden und Sportvereinen unter Einbindung von Caritas und Diakonie. Ein zweites Expertengespräch wird die Bevölkerungsentwicklung unter dem Thema "Alter - Sport - Potentiale für die Gesellschaft" aufgreifen.

Für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2001 in Frankfurt/Main regten Kirchen- und Sportvertreter an, sowohl Bewegungsangebote für die Teilnehmenden zu integrieren als auch die Themen Gewaltprävention und Jugendarbeit im Rahmen der Kampagne des Ökumenischen Rates der Kirchen "Gewalt überwinden - die Kultur des Friedens entwickeln" in Foren und Workshops aufzugreifen.

Die Kirchen und die Sportverbände wollen sich verstärkt für eine moderne Schulentwicklung einsetzen, in der Sport- und Religionsunterricht als ordentliche Lehrfächer unverzichtbar sind. Die Förderung von Sport und Religion mit ihrem je eigenen Beitrag zur kulturellen Identität und Verständigung sei ein tragendes Fundament im zusammenwachsenden Europa.

Kirchen und Deutscher Sportbund vereinbarten, ihre Gespräche und Zusammenarbeit auf allen Ebenen fortzusetzen und zu intensivieren.

Hannover, 28. März 2000
Pressestelle der EKD