"Das ist ein Menschenzoo ......"

Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD zu "Big Brother"

02. März 2000

Die Rechnung stimmt für RTL2: Je mehr über "Big Brother" öffentlich geschrieben und gestritten wird, desto höher die Einschaltquote. Und das für ein Programm, das am Ende in Holland schon kein Mensch mehr sehen wollte. Die programmverantwortlichen Spielleiter mussten sogar die Regeln verschärfen, damit ein paar Wutausbrüche ins Bild kommen. Und so verordneten sie ihren Internierten lediglich eine Stunde Wasser am Tag. Streiten wir also wirklich so heftig, nur weil den Programmmachern nichts mehr einfällt und sie sich wie Blutsauger an unserem Leben bedienen müssen. Dieses Programm ist zuallererst eine Sünde, weil es uns langweilen wird.

Aber langweilige Programme gibt es viele. Warum also streiten wir. Wir streiten, weil in diesem "Spiel", das RTL2 uns ins Wohnzimmer schicken will, ein paar Spielregeln gegen den Anstand verstoßen.: Menschen werden dafür bezahlt, dass sie sich mit Haut und Haaren der Kamera ausliefern und jede Intimsphäre aufgeben. (Nur in der Toilette wird zwar überwacht, aber nicht gedreht.) Das ist ein Menschenzoo, nur dass die Tiergärten nachts geschlossen sind, damit die Tiere Ruhe haben vor den Schaulustigen.

Genau betrachtet verstößt diese Sendung gegen ein paar Grundrechte zum Schutz der Persönlichkeit, um die wir in dieser Gesellschaft sehr froh sind: Unsere Privatsphäre und unsere Bewegungsfreiheit. Womit haben wir nur ein Fernsehen verdient, das mit Methoden arbeitet, die wir uns vom Geheimdienst gründlich verbitten würden. Und was werden die Bürger der ehemaligen DDR denken, die ihre Überwachungskameras endlich abgeschüttelt haben.

"Aber die Mitspieler machen das doch freiwillig", tönt es von den Programmverantwortlichen. Ja, vermutlich machen sie es genauso freiwillig, wie neulich ein behinderter Mann, der so verschuldet war, dass er seine Frau für eine Million pro Nacht versteigern wollte. Ganz freiwillig? Ich meine manchmal müssen Menschen vor sich selbst geschützt werden.

Es ist richtig, RTL2 verstößt nicht gegen geltendes Recht. Aber muss man denn wirklich alles machen, was nicht ausdrücklich rechtswidrig ist? Sollten wir Fernsehzuschauer wirklich jede Geschmacklosigkeit zulassen, nur weil RTL2 Geld verdienen will?

Übrigens. Wir, die Zuschauer sollen dabei mitspielen. Wir sollen die Mannschaft aussortieren. Raus, wessen Nase mir nicht passt. Was für eine großartige Macht, für uns ohnmächtige Bürger. Mobben als Gesellschaftsspiel. Wir sollten unsere Macht zum umschalten nutzen. Gott sei Dank gibt es ja noch andere Sender. Und außerdem bin ich optimistisch, dass Persil und Maggi, dass Schwarzkopf und Audi, dass Haribo und Mercedes im Umfeld dieses Programms nicht werben wollen. Dann sind wir es schnell wieder los.

Hannover, 2. März 2000

Johanna Haberer
Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD