Weihnachtsbotschaft des EKD-Ratsvorsitzenden

Präses Manfred Kock

25. Dezember 1999

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen ....
Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst ...
[aus Jesaja 9, Vers 1-6]

Das Licht, das in der Weihnachtszeit verkündet wird, ist nicht in erster Linie eine Sache der Augen. Es wahrzunehmen ist Sache des Herzens. Die Wärme des Lichtes wird Menschen ergreifen. So können sie widerstehen in einer Welt der kalten Herzen, der frostigen Beziehungen.

Hinter all dem hektischen Aktivismus und der Flucht in gesteigerten Konsum verbirgt sich Sehnsucht nach Frieden, nach innerem Halt und verläßlicher Orientierung.

Die mit der Geburt eines Kindes verknüpfte Friedensvision des Propheten Jesaja ist keine billige Vertröstung, sondern die Einladung zu einer realistischen Hoffnung. Sie deckt auf, was hinter den kriegerischen Auseinandersetzungen in Tschetschenien verborgen ist und was die Wurzeln der Krise der politischen Moral sind, in die unser eigenes Land gestürzt ist. Es ist das kalte, von Macht und Besitzstreben geprägte Klima, an dem Menschen innerlich und äußerlich zugrundegehen. "Ein drückendes Joch" lastet auf den Schultern der Menschen.

Um dem standzuhalten, was der Prophet aufdeckt, reicht es nicht, moralische Besserung anzumahnen. Notwendig sind mehr denn je Visionen, die der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit eine Grundlage bieten. So sieht es Jesaja: Eines Tages wird die Erde befreit sein vom Dröhnen der Soldatenstiefel, und die Blutbäder werden ein Ende haben. Diese Vison hat durch Jahrtausende gewirkt. Sie hat Menschen in aussichtslosen Situationen die Kraft zum Überleben geschenkt. Darum kann sie auch heute das Fundament einer gemeinsamen Hoffnung sein.

Das Licht in der Finsternis, das der Prophet ansagt, bewahrt nicht vor den Schwierigkeiten des Lebens, auch nicht davor, schuldig zu werden. Aber wir bleiben nicht im Dunkeln, denn das Licht es wärmt unsere Herzen, so daß wir die Nähe von Freunden und von Fremden ertragen.

Viele Menschen haben am Heiligen Abend in den Kirchen diese Botschaft gehört.

Die Menschen haben ein Gespür für die besondere Botschaft des Weihnachtsfestes bewahrt. Man sollte nicht kritisieren, wenn manche nur zu Weihnachten in die Kirche kommen. Es ist ein Zeichen von Verbundenheit mit der Kirche. Sie geben uns damit gute Chancen, ihnen die Botschaft des Kindes in der Krippe wieder so zu vermitteln, daß sie auch für andere Gelegenheiten des Lebens wieder tragfähig wird. Darum bleibt gerade die liebevolle Gestaltung der Weihnachtsgottesdienste eine besondere Herausforderung für jede Gemeinde.

Rückblickend auf das vergangene Jahr hat die Auseinandersetzung um den Kosovo-Krieg und die Menschenrechtsverletzungen besonderes Gewicht gehabt. Die Konsequenz aus den Erfahrungen mit den Balkankriegen muß die Ausschöpfung aller nichtmilitärischen Druckmittel gegen Kriegstreiber sein.

Die Gefahr, daß Politik und Diplomatie häufig zu spät reagieren, mahnt zu einem verstärkten Aufwand an gewaltloser Präventionsarbeit auf allen Ebenen. Gelder die hier rechtzeitig eingesetzt werden, ersparen die immensen Kosten für gewaltsame Zerstörungen und den danach nötigen Wiederaufbau. Vor allem aber bewahren sie unschuldige Menschen vor unendlichem Leid.

Für die Bekämpfung der Gewalt im Inland gilt Vergleichbares. Es kommt darauf an, jene Lebenssituationen zu verändern, die insbesondere in den Städten den Nährboden für Gewalt bilden. Ausbildungs- und Arbeitsmarktpolitik, mit denen gerade jungen Menschen Perspektiven aufgewiesen werden, aber auch der Einsatz von Konfliktvermittlern in Schulen, in Fußballstadien, auf Bahnhöfen und bei Demonstrationen sind notwendig.

Die Synode der EKD in Leipzig hat sich dafür ausgesprochen, die Missionsaufgaben der Kirche künftig im Blick zu behalten. Neben der Vergewisserung nach innen über den Weg der evangelischen Kirche muß sie nach außen ihre Dialogfähigkeit unter Beweis stellen. Es gilt, insbesondere im Dialog mit Menschen anderer religiöser und kultureller Prägung, Ängste und Vorurteile abzubauen und Toleranz im Aushalten von Unterschieden einzuüben.

Das Licht des Kindes will in alle Ecken dieser Welt leuchten.

Diese Botschaft gilt trotz aller Verzerrung des Weihnachtsfestes in unserer Zeit.

Das Licht des Kindes öffnet die Augen und erwärmt das Herz und läßt entdecken: In jeder Elendshütte bildet sich der Stall von Bethlehem ab. In jedem Fremden zeigt uns das Kind von Bethlehem den Bruder, die Schwester.

Hannover, den 25. Dezember 1999
Pressestelle der EKD