Statement bei der Pressekonferenz zur "Christlichen Patientenverfügung" in Düsseldorf

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

27. September 1999

Ausgangspunkte

Lange schien es so, als sei die Pflege des letzten Abschnitts eines Menschenlebens ebenso wie überhaupt der Umgang mit dem Tod tabuisiert. Heute können wir feststellen, daß viele Menschen den Gedanken an das "Sterben-müssen" nicht mehr verdrängen oder hinausschieben wollen, sondern persönlich angemessene Vorsorge treffen wollen für das Ende ihres Lebens in Würde. Dabei fragen sie nach persönlicher Orientierung, wie sie die letzten Dinge im Leben regeln sollen. Ob sie schwer krank sind oder selber einen Angehörigen pflegen oder auch ohne unmittelbaren Anlaß durch Krankheit oder Unfall, sie fragen, was sie bei der Gestaltung ihres letzten Lebensabschnitts für sich selber oder für Angehörige beachten müssen. Sie möchten sicherstellen, daß der eigene Wille respektiert oder Wünsche und Verfügungen von Sterbenden berücksichtigt werden, die nicht mehr ansprechbar oder entscheidungsfähig sind. Sie wollen für sich selber, aber auch für ihre Angehörigen und die behandelnden Ärzte weit im voraus verbindlich erklären, was ihr letzter Wille im Blick auf den Umgang mit ihrer Person ist, wenn sie selber nicht mehr auskunftsfähig sein sollten.

Darum stoßen sogenannte "Patientenverfügungen" auf zunehmendes Interesse. Vor allem aus den Erfahrungen der Krankenhausseelsorge und der Hospizarbeit kamen Anregungen, die Kirchen möchten ein eigenes Formular für eine Patientenverfügung herausgeben. Eine theologisch begründete, seelsorgerlich verantwortbare Form sollte in der Fülle der inzwischen vorliegenden Angebote Orientierung geben.

Die Kirchen haben daher im Mai 1998 eine ökumenische Arbeitsgruppe beauftragt, eine "Christliche Patientenverfügung" zu entwickeln, die wir Ihnen heute vorstellen. Caritas, Diakonie, Katholischer und Evangelischer Krankenhausverband, Hospiz- und Betreuungsvereine haben daraufhin größtenteils auf die Erstellung oder die weitere Ausarbeitung eigener Entwürfe verzichtet.

Neben dem Text der Patientenverfügung hat die Arbeitsgruppe aus Moraltheologen, Pastoraltheologen, Hochschulmedizinern und frei praktizierenden Ärzten, sowie Juristen, insbesondere aus dem Fachbereich des Betreuungsrechts noch eine Handreichung erarbeitet, die integraler Bestandteil dieser Veröffentlichung geworden ist. Im Vorwort finden Sie die Mitglieder der Arbeitsgruppe namentlich aufgeführt.

Die nun vorliegende PATIENTENVERFÜGUNG basiert auf einem Text, der von der Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern im November 1995 unter dem Titel "Sie sind dabei - Wenn andere für Sie entscheiden müssen. Christliche Patientenverfügung" zunächst zur Verwendung in Bayern verabschiedet worden war. Dankenswerterweise hat das Münchener Landeskirchenamt im Februar 1998 die Verwendung der bayerischen PATIENTENVERFÜGUNG als Vorlage für die Weiterentwicklung gestattet. Von vielen Seiten waren an diese bayerische Ur-Fassung bereits Anregungen und kritische Anfragen herangetragen worden. Sie wurden bei der Ausarbeitung der jetzt vorliegenden PATIENTENVERFÜGUNG berücksichtigt. Die Verbesserungsvorschläge und die Einbeziehung der Entwicklungen der letzten Jahre haben so zu einer erheblichen Fortschreibung des bayrischen Ansatzes geführt.

Formular einer Christlichen Patientenverfügung

Die eigentliche Patientenverfügung - also das Formular - ist bewußt sehr kurz gehalten, um den Text nicht zu überfrachten. Sie verzichtet auch auf Ergänzungen (z.B. Organspendeausweise, Obduktionsbitte), wie sie viele andere Formulare aufweisen. Vielmehr konzentriert sich die vorliegende Patientenverfügung auf die beiden Situationen, bei deren Eintritt auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet werden soll, nämlich

a) im unmittelbaren Sterbeprozeß und
b) bei nicht behebbarem Ausfall lebenswichtiger Funktionen des Körpers.

Anders als in der bayerischen Fassung sind in der jetzt vorliegenden Form die Patientenverfügung und die "Vorsorgevollmacht" voneinander getrennt und können einzeln erteilt werden.

Das handliche Format der bayerischen Fassung hat sich bewährt. Wir haben es darum übernommen. An das hintere Deckblatt ist ein Zweitexemplar für die Vertrauensperson angefügt.

Handreichung

Uns war besonders daran gelegen, nicht nur das Formular einer Patientenverfügung zu entwickeln, sondern auch eine Handreichung mit Hinweisen und Erläuterungen. Sie geben über Sinn und Zweck des Formulars Auskunft, beleuchten in allgemein verständlicher Sprache den christlichen Hintergrund und benennen Aspekte, die sich beim Ausfüllen einer solchen Verfügung aufdrängen.

Die drei Hauptteile der Handreichung, Einführung - Formular - Erläuterungen, sind inhaltlich aufeinander abgestimmt. Alle wichtigen im Formular der PATIENTENVERFÜGUNG verwendeten Begriffe werden in den Erläuterungen beschrieben, die als eine Art Glossar benutzt werden können. Zum Schluß bietet die Handreichung darüber hinaus Leserinnen und Lesern die Gelegenheit, sich anhand von Fragen und Zitaten mit dem Thema Sterben und Tod und dem eigenen Sterben auseinanderzusetzen.

Probleme

Es soll nicht verschwiegen werden, daß Patientenverfügungen zwar eine Reihe von Fragen klären können, aber damit sind keineswegs alle Probleme vorab regulierbar. So stellt sich z.B. die Frage, ob ein Mensch in der Lage ist, seine Behandlungswünsche für einen Zeitpunkt im voraus zu bestimmen, dessen nähere Umstände er im Moment allenfalls vage erahnen kann. Dieses Problem bergen alle Vorausverfügungen, und man wird dies immer zu beachten haben. Dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten gebührt der Vorrang vor den Einschätzungen des Arztes; jede Behandlung wie Nichtbehandlung muß auf dem "erklärten" oder "mutmaßlichen" Willen des Patienten beruhen. Diesen mutmaßlichen Patientenwillen sachgerecht und nachvollziehbar ohne das Vorliegen einer Patientenverfügung zu ermitteln, ist allerdings noch schwieriger.

Ein anderer Problempunkt: Nicht alle Menschen werden eine PATIENTENVERFÜGUNG treffen wollen oder können. Es geht ja darum, daß jemand anderen Menschen damit eine Direktive an die Hand gibt, unter welchen Bedingungen man ihn eines Tages sterben lassen soll. Viele dürften überfordert sein, ihren eigenen späteren Sterbeprozeß gedanklich vorwegzunehmen. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des eigenen Lebens erfordert ein hohes Maß an Selbstdistanz, zu der nicht jeder bereit und fähig ist. Daher muß es respektiert werden, wenn Menschen keine dezidierte Vorausverfügung über die Umstände ihres Sterbens treffen.

Adressaten

"CHRISTLICHE PATIENTENVERFÜGUNG" bedeutet nicht, daß sie nur von Christen benutzt werden kann, wohl aber, daß sie christliches Gedankengut zum Thema Sterbebegleitung enthält, so beispielsweise eine deutliche Ablehnung aktiver Sterbehilfe.

Schlußbemerkung

Die PATIENTENVERFÜGUNG verweist darauf, daß die christliche Hoffnung über den Tod hinaus reicht, weil sie im Bekenntnis zur Auferstehung Jesu Christi von den Toten begründet ist. Der Glaube daran, daß unser Leben nach dem Tod bei Gott aufgehoben ist, schenkt uns eine große Gewißheit in all den Unwägbarkeiten des Lebens und des Sterbens. Und er schenkt uns Gelassenheit gegenüber den Unvollkommenheiten, die trotz aller Verfügungen bleiben.

Hannover / Düsseldorf, den 27. September 1999
Pressestelle der EKD