Grußwort zur Verabschiedung von Dr. Horst Hirschler und Einführung von Dr. Margot Käßmann in der Marktkirche zu Hannove

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

04. September 1999

Beginnen möchte ich mit meinem Dank an Sie, lieber Bruder Hirschler. Der knappe Rahmen läßt nur wenige Beispiele zu, doch es ist viel, sehr viel, wofür der Rat, die Synode und die Gemeinschaft der Gliedkirchen der EKD Ihnen zu herzlichem Dank verpflichtet sind. Von 1979 bis 1988 gehörten Sie der EKD-Synode an. Für die Zeit von 1991 bis 1997 berief diese Synode Sie in den Rat der EKD. Sie haben besonders in dieser kirchenpolitisch bewegten Zeit über lange Jahre die wahrhaft nicht einfache Rolle des Beauftragten für Fragen der Zivildienstes und der Militärseelsorge wahrgenommen. Dabei haben Sie sich im Ringen um Grundsatzfragen der Militär- und Soldatenseelsorge und des Friedensdienstes der Christen den Respekt für Ihre theologische und seelsorgerliche Kompetenz aus allen Lagern des Meinungsstreits erworben. Wir danken Ihnen auch für Ihr energisches und beharrliches Eintreten für die Überwindung der Hindernisse im ökumenischen Dialog der Konfessionen. Ohne Ihren engagierten Einsatz wäre der Entscheidungsprozeß um die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre gewiß nicht zu dem nun greifbaren Ziel gelangt.

Verehrte, liebe Bischöfin Margot Käßmann! Ich freue mich, Ihnen die Grüße und guten Wünsche des Rates der EKD ausrichten zu dürfen. Sie werden als Bischöfin der größten Landeskirche in Deutschland für die gesamte Evangelische Kirche in unserem Land große Verantwortung haben. Sie bringen ökumenische Erfahrung ein und stehen für die Impulse der Erneuerung, die der Deutsche Evangelische Kirchentag für unsere Kirchen gebracht hat und weiter bringen wird. Ihre Kontakte zur EKD sind vielfältig.

Einen davon möchte ich anläßlich Ihrer Einführung besonders hervorheben. Sie haben an der Schrift mitgearbeitet, mit der die EKD und die Vereinigung Evangelischer Freikirchen den Konsultationsprozeß "Protestantismus und Kultur" initiieren. Die Kirche hat den Auftrag, auch die kulturelle Bedeutung des Glaubens in ihrer ganzen Vielfalt, wie sie in den Gottesdiensten, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Architektur und in der persönlichen Erfahrung zum Ausdruck kommt, in den gesellschaftlichen Dialog einzubringen.

Ich wünsche Ihnen, daß Ihnen dies in Ihrem neuen Amt gelingt und Sie den Menschen in den Gemeinden die Vielfalt und den Reichtum des Glaubens so bewußt machen können, damit sie Neues nicht fürchten und den Respekt vor dem Überlieferten bewahren. Die kritische und die prägende Funktion des Protestantismus ist für diese Gesellschaft unersetzlich.

Die Vielfalt protestantischen Lebens kann wie alles, was in menschlichen Händen liegt, auch in der Unübersichtlichkeit unserer Strukturen zur Last werden. Wenn Menschen unsere Entscheidungswege nicht nachvollziehen können; wenn an sich hilfreiche Verwaltungsabläufe zur Fessel des Geistes werden, dann können Fantasie und neues Leben ersticken. Wir müssen näher zusammenrücken. Wir erwarten von den Gemeindegliedern und von den Mitarbeitenden in unserer Kirche, daß sie ihrem Glauben immer wieder neue Gestalt geben. Wir muten ihnen zu, andere Glaubensentwürfe und Konsequenzen zu ertragen. Wir erwarten, daß sie ihre eigenen Erkenntnisse nicht zum Maß aller Dinge machen. Das gleiche müssen wir uns als Kirchen auch zumuten. Hört die Welt die befreiende Botschaft Jesu Christi oder kann sie nur eine verwirrende Vielfalt von Strukturen, Gremien und Abgrenzungen wahrnehmen? Erlebt sie eine Kirche, in der die Kultur der Barmherzigkeit lebendig ist und die nur insoweit um ihren eigenen Bestand besorgt ist, als sie den Menschen dient und der Stadt Bestes sucht?

Jesus Christus beruft Frauen und Männer. Tatsache ist, daß wir an der Basis der Gemeinde zu wenige Männer und in den Leitungen unserer Kirche zu wenige Frauen haben, die Kirche gestalten. Heute wird eine Frau in das kirchenleitende Amt eingeführt. Wenn einige meinen, darin eine Not sehen zu müssen, irren sie. Es ist kein Schritt in die Not, sondern ein Schritt dahin, die Vielfalt der Gaben auf allen Ebenen noch mehr zur Entfaltung zu bringen. Es ist ein Schritt zu mehr Normalität. Er ermutigt Frauen, sich mehr auf der Leitungsebene zuzutrauen. Er mahnt uns Männer, dieses nicht zu blockieren.

Für Ihren Dienst wünsche ich Ihnen viel Kraft. Im neutestamentlichen Lehrtext zur Losung des heutigen Tages heißt es: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben". Das ist dem Thomas gesagt, der sehen will und seine Hände in die Nägelmale des Auferstandenen legen darf. Vor Augen sind bei den vielen mühsamen Einzelschritten, die man in diesem Amt zu gehen hat, die Nägelmale des Gekreuzigten, aber in Ohr, Kopf und Herz die ermutigenden Worte des Auferstandenen. Ich wünsche Ihnen, daß er Ihnen mit seinem guten Geist den Weg weist und Sie begleitet.

Hannover, den 4. September 1999
Pressestelle der EKD