Erklärung zur Einführung des Börsenhandels an Feiertagen

Der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Dr. Hermann Barth

01. Juli 1999

Die fast unmerkliche Aushöhlung des Feiertagsschutzes "auf leisen Sohlen" ist kennzeichnend für die gegenwärtige Tendenz, in einzelnen kleinen Schritten den Schutz der Sonn- und Feiertage zurückzunehmen. Diese Salamitaktik fordert den entschiedenen Widerstand heraus. In der Summe bedeuten viele kleine Änderungen eine substantielle Beschädigung der Sonn- und Feiertagsruhe und damit eine weitere Einbuße an gemeinsamer freier Zeit.

Die Deutsche Börse AG führt zum 1. Juli 1999 eine Regelung ein, nach der an vier Feiertagen Börsenhandel stattfinden wird. Drei dieser Tage sind kirchliche Feiertage. Es handelt sich dabei um Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam. Die Deutsche Börse AG beruft sich auf eine Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes (§ 10 Abs. 4) vom 9. Juni 1998. Die evangelische Kirche hat diese Gesetzesänderung von Anfang an kritisch bewertet und sieht in ihr eine weitere Einschränkung des in der Verfassung gewährten Schutzes der Sonn- und Feiertage. Eine Börsenöffnung wird Folgen auch in anderen Bereichen haben. Bei den Banken werden dann noch mehr Mitarbeiter als bisher, angeblich etwa 5.000, an den vier Feiertagen arbeiten müssen.

Was im vorliegenden Fall besonders beschwert, ist die stille und offenbar auf möglichst wenig öffentliche Beachtung ausgerichtete Vorgehensweise. Zu dem Zeitpunkt, den die Börse für die Einführung der neuen Regelung gewählt hat, sind für das Jahr 1999 die drei kirchlichen Feiertage verstrichen. Der Tag der deutschen Einheit fällt 1999 auf einen Sonntag. Im kommenden Jahr wird man Kritikern entgegenhalten, daß die Regelung einer Börsenöffnung an Feiertagen bereits seit langem gilt.

Den Beteuerungen von Regierungsseite, die Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes werde restriktiv gehandhabt und könne nicht als Rechtsgrundlage für eine generelle Öffnung von Börsen und Banken an den vier Feiertagen angesehen werden, stehen solche Vorgänge offenkundig entgegen. Die evangelische Kirche erwartet, daß die Zusage einer restriktiven Handhabung eingelöst wird und die zuständigen Landesaufsichtsbehörden gegen betriebliche Arbeitszeitregelungen einschreiten, die nicht vom Gesetz gedeckt sind. Die Besorgnis ist allerdings nicht unbegründet, daß die Neuregelung im Arbeitszeitgesetz mehr Beschäftigung an Feiertagen zuläßt, als die beruhigenden Auskünfte an die Adresse der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit vermuten lassen. Wenn sich diese Befürchtungen bestätigen, muß alles darangesetzt werden, die Änderung des Arbeitszeitgesetzes wieder rückgängig zu machen.

Hannover, den 01. Juli 1999
Pressestelle der EKD