Aufbruch nach Europa

EKD-Delegation in Serbien

03. September 2001

Vom 29. August bis 2. September 2001 besuchte eine Delegation der EKD Belgrad und Novi Sad. Sie traf ihre Gesprächspartner in einer Zeit rapider Veränderungen und grundlegender Entscheidungen. Die Delegation bestand aus Bischof Dr. Rolf Koppe, Oberkirchenrätin Antje Heider-Rottwilm und Oberkirchenrat Reiner Rinne aus dem Kirchenamt der EKD in Hannover sowie Erzpriester Milan Pejic, Hannover, Generalvikar des Bischofs der Diözese Mitteleuropa der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK).

In Belgrad wurde die Delegation vom Patriarchen der SOK, Pavle, empfangen. Er würdigte die Unterstützung, die die EKD den serbisch-orthodoxen Gemeinden in Deutschland seit Jahrzehnten gewährte. Darüber hinaus seien die regelmäßigen Kontakte und Gespräche mit der SOK wie die Besuche in Belgrad (1994, 1998) und die Konferenzen in Deutschland (1999, 2000, 2001) gerade in den Zeiten der Kriege in der Region und trotz der unterschiedlichen Wahrnehmung der Konfliktursachen ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit im Glauben.

Gemeinsam mit Bischof Athanasije (Rakita) gedachte die Delegation am Mahnmal des durch die Bombardierungen zerstörten Hauses des Fernsehens der Opfer des Kosovo-Krieges.

In Gesprächen mit Bischof Irinej (Bulovic) aus Novi Sad, dem für die ökumenischen Beziehungen zuständigen Mitglied des Heiligen Synod, betonten beide Seiten die Verpflichtung der Kirchen, ihren Beitrag zur Gestaltung Europas gemeinsam zu leisten, wie sie es in der "Charta Oecumenica - Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa" formuliert haben. Es ist das gemeinsame Interesse der westlichen und der östlichen Kirchen, die christlichen Wurzeln der europäischen Kultur zur Geltung zu bringen und das Engagement der Kirchen für die Menschenwürde und die Menschenrechte bei den europäischen Institutionen aktiv zu vertreten.

Angesichts der aktuellen Debatte um eine Gesetzesvorlage zur Neustrukturierung des Militärdienstes in der Republik Jugoslawien wurde mit den politischen und kirchlichen Gesprächspartnern in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in Jugoslawien unterstrichen.

Anknüpfend an die Beratungen auf der Konferenz in Berlin im Juni d.J. ließ sich die Delegation vom serbischen Religionsminister, Prof Dr. Vojislav Milovanovic, und vom stellvertretenden serbischen Ministerpräsidenten, Prof. Zarko Korac, über den aktuellen Stand der vor der Entscheidung stehenden Neuordnung des Staat-Kirche-Verhältnisses in Serbien informieren. Die Delegation der EKD begrüßte die vorgesehene partnerschaftliche Ausrichtung der Staat-Kirche-Beziehungen. Erzpriester Milan Pejic stellte die positiven Erfahrungen seiner Diözese mit den in Deutschland geltenden Regelungen dar. Der Religionsminister stellte das geplante neue Religionsgesetz vor, das auch die Registrierung der nicht-historischen Kirchen vorsehe und ihnen gleiche Rechte wie den traditionellen Kirchen einräume.

Viele Gespräche waren geprägt durch die Tatsache, dass ab dem 3.9.01 in den 1. Klassen der Grund- und Sekundarschulen in Serbien nach Jahrzehnten wieder der Religionsunterricht eingeführt wird. Angesichts der anhaltenden Auseinandersetzungen um die Verbindlichkeit des Religionsunterrichts unterstützte die EKD-Delegation die Argumente für die Einführung des Faches Religion als Wahlpflichtfach. Deutlich wurde auch, dass die Vorbereitung und Einführung eines Alternativfaches (etwa: Ethik) nach Probleme bereitet.

Gespräche mit kirchlichen Hilfsorganisationen, die sich der humanitären Hilfe und insbesondere der Unterstützung der über 700.000 Flüchtlinge in Serbien verpflichtet wissen, machten die gegenwärtig sehr schwierige wirtschaftliche und soziale Lage der Bevölkerung deutlich. Die Hilfsorganisationen brachten ihre Sorge zum Ausdruck, dass der bevorstehende Winter zu einer Zuspitzung der Situation und damit einer sozialen und politischen Krise führen könne. Bei aller Anerkennung der Notwendigkeit, langfristig stabile Grundlagen für die Entwicklung der Volkswirtschaft zu schaffen, muss die internationale Staatengemeinschaft bei ihren Maßnahmen die verständliche Erwartung der Menschen auf eine kurzfristig spürbare Verbesserung ihrer Lebenssituation berücksichtigen. Dazu sind erforderlich:

- die schnelle Umsetzung geplanter Projekte (wie z.B. Energieversorgung, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitswesen);
- eine Verstärkung der humanitären Hilfe. Mehrfach wies die Delegation der EKD darauf hin, dass die gegenwärtige hohe Besteuerung der humanitären Hilfe deren Fortführung gefährde.
- sowie auch längerfristig wirkende strukturelle Maßnahmen (Entschuldung).
 
 Die Delegation besuchte auch die Stadt Novi Sad und besichtigte im Beisein von Vertreterinnen und Vertretern dortiger evangelischer Kirchen die durch die Bombardierungen angerichteten Schäden an Brücken und Gebäuden. Die Repräsentanten der lutherischen, der reformierten und der methodistischen Kirche brachten gegenüber der EKD ihren Willen zum Ausdruck, im Hinblick auf die Strukturen ihrer Kirchen zukünftig enger zusammen zu arbeiten. So werden sie gemeinsam - und damit auch über die Sprachgrenzen hinweg - den evangelischen Religionsunterrichts erteilen.
 
 Sowohl in Novi Sad als auch in der Kathedrale zu Belgrad wurde die Delegation in den Gottesdiensten der SOK herzlich aufgenommen und den versammelten Gläubigen die Bedeutung des Besuches nahe gebracht. Immer wieder – so unter anderem in einem Gespräch mit dem Dekan der Theologischen Fakultät, Prof. Dr. Radovan Bigovic, – wurde das lebhafte Interesse der SOK deutlich, nach den Jahren der Isolation in einen intensiven Austausch mit der EKD zu treten. Dem könnten dienen
- die Gewährung von Stipendien und Begegnungen von Studierenden;
- Gastvorlesungen ;
- eine gemeinsame Konferenz über die Rolle der Frauen in der Kirche;
- Materialhilfen und Beratung für den Religionsunterricht.


Hannover, den 3. September 2001
Pressestelle der EKD