Grußwort des EKD-Ratsvorsitzenden Kock beim Bischofswechsel in Thüringen

31. August 2001

Lieber Bruder Hoffmann, lieber Bruder Kähler, sehr geehrte, liebe Gäste!

Die Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland hat 24 Landeskirchen: große und kleine, wohlhabende und weniger wohlhabende, lutherische und nicht-lutherische, westliche und östliche. Dem Rat und dem Ratsvorsitzenden sind sie alle gleich lieb. Nachdem ich das gesagt habe, nehme ich mir auch die Freiheit, die besondere Ehre zu benennen, die in der Gemeinschaft der Gliedkirchen der EKD der Thüringer Landeskirche zukommt. Das Bild und der Name der Wartburg haben sich im Gedächtnis des deutschen Protestantismus tief eingegraben. Jedes Mal wenn man nach Eisenach kommt und die Wartburg vor sich sieht, spürt man: Das ist ein besonderer Ort. Aber auch wenn man keine 500, sondern nur gut 50 Jahre zurückgeht, spielt Eisenach für die Geschichte des deutschen Protestantismus eine herausragende Rolle. Hier hat die Kirchenversammlung der Evangelischen Kirche in Deutschland im Jahr 1948 die in ihren wesentlichen Bestimmungen bis heute gültige Grundordnung der EKD verabschiedet und damit der Einheit der evangelischen Landeskirchen eine sichtbare Gestalt und eine feste Struktur gegeben. In der Gedenkveranstaltung, die vor drei Jahren aus Anlass der 50. Wiederkehr der Verabschiedung der Grundordnung in der Georgenkirche stattfand, hat der unvergessene Joachim Mehlhausen die Festrede gehalten. Eisenach steht für die bleibenden Verpflichtungen im Blick auf die sichtbare Einheit der evangelischen Landeskirchen in Deutschland.

Lieber Bruder Hoffmann!
Nach fast zehn Jahren scheiden Sie aus dem Amt des Landesbischofs. Sie haben auf der Ebene der Leitungsorgane der EKD engagiert mitgearbeitet: vor allem in der Kirchenkonferenz und ihrem Arbeitsausschuss. Ich kann mich an manche Wortbeiträge in der Kirchenkonferenz erinnern, mit denen Sie oft humorvoll, aber in der Sache beharrlich die Perspektive der östlichen Gliedkirchen und ihrer besonderen Erfahrungen eingebracht haben. Sie haben während Ihrer Amtszeit auch Leitungsaufgaben in der VELKD wahrgenommen. Auf diese Weise haben Sie mitgeholfen, das Verhältnis zwischen EKD und VELKD zu klären und für eine Konzentration auf die jeweils spezifischen Aufgaben zu sorgen. 

In diesem Jahr besteht die wiedergewonnene Einheit der evangelischen Landeskirchen in Ost und West zehn Jahre. Wir sind gut vorangekommen im Prozess des Zusammenwachsens, aber wir tragen die unterschiedliche Geschichte der vergangenen Jahrzehnte auch weiter mit uns herum, und das lässt uns von Zeit zu Zeit schmerzhaft spüren, dass der Prozess des Zusammenwachsens noch keineswegs abgeschlossen ist. Ein besonderer Dank gilt Ihren Bemühungen zu einer weitreichenden Annäherung der Thüringischen Landeskirche und der Kirchenprovinz Sachsen. Ich verfolge diesen Prozess, an dessen Ende die völlige Neuordnung beider Kirchengebiete stehen soll, mit großem Interesse und hoffe, daß er noch erheblich an Dynamik gewinnt. Es wäre großartig, wenn von den Kernlanden der Reformation das Signal ausgehen würde, der deutsche Protestantismus habe endlich den Provinzialismus hinter sich gelassen und zu einer neuen föderalen Struktur gefunden. Lieber Bruder Hoffmann, Ihnen sei herzlich gedankt für Ihren Dienst, den Sie für die evangelische Sache in unserem Land geleistet haben.

Lieber Bruder Kähler!
Mit Ihnen tritt ein weiterer akademischer Lehrer der Theologie in den Kreis der Leitenden Geistlichen ein. Es hat in der jüngeren Vergangenheit Situationen gegeben, in denen das Verhältnis zwischen den evangelischen Landeskirchen und ihren Zusammenschlüssen auf der einen Seite und den Vertretern der wissenschaftlichen Theologie auf der anderen Seite angespannt war. Das kann sich durchaus wiederholen; die unterschiedlichen Auffassungen über das Verständnis der Rechtfertigungslehre finden derzeit eine manchmal beängstigende Parallele in den Differenzen über die ethische Beurteilung der Entwicklungen in Medizin und Biologie. Um so hilfreicher ist es, wenn im Kreis der Leitenden Geistlichen Personen vertreten sind, die selbst aus der wissenschaftlichen Theologie kommen und darum vertrauensbildend wirken können.

Eine Ihrer wichtigen Veröffentlichungen als Neutestamentler behandelt die "Gleichnisse Jesu als Poesie und Therapie" (1992, 1995). Poesie und Therapie sind zwei Stichworte, die auch für Ihr neues Amt bedeutsam sind. Poesie steht für die Kraft und Schönheit der Sprache. Wenig wird heute in unserer evangelischen Kirche nötiger gebraucht als die Fähigkeit, in einer ebenso kraftvollen wie schönen Sprache die frohe Botschaft von der Gnade Gottes weiterzusagen. Therapie steht für den Wunsch, Heilung zu finden, und für die Kunst, die Heilungskräfte wirksam werden zu lassen. Die Kirche hat es auf ihre Weise mit Heilung zu tun: Heilung der Seele, Trost der angefochtenen Herzen, aber auch Linderung und Überwindung der leiblichen Not, im Leben des Einzelnen wie der ganzen Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen, lieber Bruder Kähler, dass Gottes guter Geist Sie erfülle, Ihnen das rechte Wort zur rechten Zeit gebe und Sie mit Kraft ausstatte für den anspruchsvollen, aber wunderbaren Dienst als Landesbischof der Thüringer Kirche.


Hannover, 31. August 2001
Pressestelle der EKD