Ansprache des EKD-Ratsvorsitzenden im Gottesdienst zur Einführung des Rundfunkbeauftragten der EKD

in der Evangelischen Friedrichstadtkirche zu Berlin

28. August 2001

In diesem Gottesdienst wird Bernd Merz, der zum Rundfunkbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen wurde, in sein Amt eingeführt.

Bernd Merz nimmt diese Aufgabe bereits seit April diesen Jahres in der Nachfolge von Johanna Haberer wahr. Ihr wollen wir heute im Rahmen des anschließenden Empfangs für Ihr Engagement in den vergangenen Jahren danken.

Meiner Ansprache lege ich ein Jesuswort aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums zugrunde. Es gehört zur Losung für diesen Tag:

Jesus Christus spricht: "Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und Wahrheit." (Joh 6,63)

Dieses Wort gilt für alle Bereiche unseres Lebens. Die Botschaft Jesu will geradezu alle nebeneinander herlaufenden oder gar auseinanderdriftenden Bereiche unserer Existenz zusammenhalten.

Der vom Evangelisten Johannes überlieferte Satz formuliert einen Anspruch, der auch in dem Arbeitsfeld gelten will, das Bernd Merz von Johanna Haberer übernommen hat.

Die elektronischen Medien mit ihrer rasanten Entwicklung

· sie faszinieren und irritieren;
· sie spiegeln die Wirklichkeit der Welt und prägen unsere Wahrnehmung;
· sie lenken die Aufmerksamkeit der Menschen auf Ereignisse und Personen;
· sie holen völlig Unbekannte ins Licht der Öffentlichkeit;
· sie prägen die Einschätzung der bekannten Personen,
· Medien wecken den Eindruck, das Gezeigte und die Gezeigten seien wichtig für Wohl und Wehe der Menschen oder nichtig für den Lauf der Welt.

An diese Medienwelt also wendet sich der Anspruch des Jesuswortes: Seine Worte sind Geist und Wahrheit.

Dafür stehen Sie als Beauftragter der Evangelischen Kirche ein. Sie bleiben damit Ihrer Ordination zum Pastor treu und suchen Geist und Wahrheit der Botschaft Jesu zu vermitteln. Deshalb veranlassen und begleiten Sie die Gestaltung von Fernseh-Gottesdiensten; darum regen Sie Journalisten an, sich mit dem Spannungsfeld von Kirche und Welt auseinanderzusetzen.

In diesem Geist und dieser Wahrheit verpflichtet sind Sie auch kritischer Begleiter der Medien

Wir wissen, ein großer Teil der Menschen hat nicht im Blick, welch großer Anspruch hier formuliert ist. Ein anderer Teil wehrt ihn geradezu ab, weil es in unserer verwirrenden Welt ja so viele Geister und so verschiedenen Wahrheiten gibt. Vor allem, weil es so viel Geistloses, Gespenstisches und so ungeheuer viele Lügen gibt.

Doch Geist und Wahrheit des Wortes Jesu sind nicht eine Variante der Geister und Wahrheiten. Denn das Wort ist er selbst: diese wirkende Gestalt, die die Lüge entlarvt und die Gespenster bannt.

Auf diesem Hintergrund können Sie den Menschen, die die Arbeit der Medien verantworten, und denen, die Sendekonzepte und Programme entwickeln mit gutem Selbstbewusstsein ein Partner sein. Die meisten von ihnen wissen, wie vorläufig und flüchtig ist, was sie in den Redaktionen und Studios ins Bild setzen.

Sie ahnen, wie heillos die Welt ist ohne die Ahnung von der heilenden Botschaft.

Sie kennen auch die Gefahr der Suggestivkraft ihrer Sendungen, sie wissen auch um die Gefahr der Quotenzwänge, die der Banalisierung und der Verdrängung von Wirklichkeit Vorschub leisten. Und sie wissen, wie leicht sich die Zuschauer an dies alles gewöhnen können und wie viele daran sogar Gefallen finden, wenn ihnen das Fernsehen die Welt vereinfacht.

Es geht um Geist und Wahrheit. Es geht um die Qualitäten, von denen in unserem Leben alles abhängt.

Deshalb werden Sie nicht nur ein rundfunkpolitischer, sondern vor allem auch ein seelsorgerlicher Gesprächspartner sein für die Medienwelt. Sie werden in ihr akzeptiert, nicht wenn Sie sich anbiedern, sondern wenn Sie einstehen für das Wort, das Geist und Wahrheit ist.

Sie sind darin nicht allein. Etliche in unserer Kirche tun Gleiches und Ihrem Auftrag Verwandtes. Sie sind auch nicht allein, weil es in unserer Kirche eine ganze Reihe von Menschen gibt, die wissen, wie unabdingbar wichtig es ist, was Sie in Ihrer Funktion einbringen.

So erwarten wir, dass Sie mit Ihrer Kompetenz ein Dolmetscher sind, der die Welt der Medien in diese Kirche hinein übersetzt. Unsere Kirche braucht das, denn sie muss und sie will sich der kritischen Begleitung durch die Medien stellen. Sie darf ihre Risse und Runzeln nicht übertünchen, sondern sie kann sich durch die von den Medien vermittelte Öffentlichkeit korrigieren lassen.

Sie sind nicht der Erste, der dieses Amt bekleidet, Sie haben eindrückliche Vorgänger, geschätzt von den Profis, weil sie in diesen Kirchenleuten kompetente Begleitung erlebt haben.

Johanna Haberer, von der Sie das Amt übernommen haben, hat dieses Arbeitsfeld in einer neugeordneten Struktur wahrgenommen. Was hat sich nicht alles getan in diesen letzten Jahren, auch Dank ihrer Unermüdlichkeit? Gottesdienstübertragungen im ZDF als ein ganzes Jahresprojekt, mit interaktivem Zuschaueraustausch über Telefon und Internet ... - ich will es bei diesem einen angedeuteten Beispiel für erfolgreiche Neuerungen belassen.

Ich weiß, dass Johanna Haberer dem einen oder anderen ihrer Gesprächspartner mit der Fülle ihrer Ideen und Anregungen gelegentlich Schwindelgefühle bereitet hat. Aber ich habe mir immer gedacht: Ist das bei der atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der neue Entwicklungen im Medienbereich über alle Beteiligten hereinbrechen, nicht völlig normal, dass einem der Kopf schwirrt und das eigene Vorstellungsvermögen nicht hinreicht, um die Umbrüche in ihrer Tragweite auch nur zu erahnen?

Viele im Raum wissen genauso gut und beklagen es wie ich - dass wir mit unserer kirchlichen Selbstdarstellung in den Medien und im Umgang mit den Medien nicht immer auf der Höhe der Zeit waren.

Aber in den letzten Jahren, da hat es einen Aufschwung gegeben, und ein neues Bewusstsein für die Wichtigkeit der Medien und für unser christliches Engagement darin ist aufgebrochen.

Daran werden Sie anknüpfen, nicht als Kopie Ihrer Vorgängerin, sondern mit Ihrem eigenen Profil. Sie haben von Gott Talente mitbekommen, die Sie jetzt fruchtbar machen in Ihrem neuen Amt.

Eine Reihe von Ihnen wird sich schmunzelnd erinnern, dass wir schon seinerzeit, als wir das Amt des Rundfunkbeauftragten neugeordneten, einen Blick auf den Beauftragten der norddeutschen Landes- und Freikirchen geworfen hatten. Sie, lieber Bern Merz, waren schon als junger Pfarrer in positiver Weise "auffällig" geworden, denn Sie waren bereits nebenbei in die Rundfunkarbeit eingestiegen, hatten Fernsehsendungen erfolgreich entwickelt und selbst moderiert. Sie waren dann  Referent im Rundfunkreferat in Hamburg und schließlich dessen Leiter geworden. Und in den Jahren der Tätigkeit von Johanna Haberer, da gehörte Sie bereits zu jenem kleinen Kreis besagter Leute, deren gemeinsame Leidenschaft die Sache des Evangeliums in den Medien ist.

In diesen Tagen der Internationalen Funkausstellung wird  sichtbar, wie vieles von dem, was Ihre Vorgängerin angefangen hat, nun von Ihnen weiter auf den Weg gebracht und mit Ihren Mitstreitern durchgeführt wird. Darum bin ich ganz sicher, dass Sie den guten Weg fortsetzen werden, den ihre Vorgängerin angebahnt hat und Sie werden neue Wege gehen und eigene Akzente setzen, nicht weniger nachdrücklich und nicht weniger unermüdlich. Dafür brauchen Sie nicht nur die eigenen Kräfte, sondern auch den Zuspruch und die Ermutigung aus dem Wort Gottes.
Dass Ihnen beiden, Ihre neuen Aufgaben gelingen mögen, bitten wir um Gottes Geleit und seinen Segen.