Vorsitzender des Rates der EKD zum Wechsel in der Leitung des Konfessionskundlichen Instituts

Verabschiedung Frieling / Begrüßung Haustein

16. Juni 1999

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konfessionskundlichen Instituts,
insbesondere lieber Herr Haustein und lieber Herr Frieling,
liebe Mitglieder und Freunde des Evangelischen Bundes,
liebe Gäste, die Sie sich zu diesem Tage hier eingefunden haben,
meine Damen und Herren,

wir verabschieden heute Herrn Professor Dr. Reinhard Frieling aus seinem Amt als Leiter des Konfessionskundlichen Instituts und zugleich als Direktor des Evangelischen Bundes. Er hat dieses Amt seit 1981, also seit 18 Jahren, inne. Schon seit 1967 war er Mitarbeiter im Institut und ist damit diesem Hause seit 32 Jahren eng verbunden. Das Konfessionskundliche Institut, der Evangelische Bund, aber nicht zuletzt auch die Evangelische Kirche in Deutschland, für die ich heute die Grüße überbringe, sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.

Dieser Dank gilt zunächst dem theologischen Forscher und Lehrer. Lieber Reinhard Frieling, Sie haben den "Weg des ökumenischen Gedankens" nicht nur in einem Ihrer Bücher beschrieben und in vielen Vorträgen nachgezeichnet, Sie haben diesen Weg selber mit verfolgt und uns auf diesem Wege mit vorangetrieben. Was wir in unseren Kirchen glauben und verkündigen, was wir tun oder zu tun empfehlen, alles will heute im Blick darauf verantwortet werden, daß wir als Kirche nicht alleinstehen, sondern Schwesterkirchen haben, mit denen wir das uns jeweils mögliche Maß an Gemeinschaft suchen.

Kirchenleitungen und alle für das Reden und Handeln der Gemeinden Verantwortlichen haben damit zu tun, die täglichen Alltagsfragen, die sich aus dem kirchlichen Handeln ergeben, die sich aber ebenso auch aus der Gesellschaft heraus stellen, zu bedenken und im Leben der Kirchen fruchtbar zu machen. Dafür brauchen sie verläßliche theologische Grundlagen und klare theologische Perspektiven. Wenn es darum geht, den Entwicklungen auf der Spur zu bleiben, ihre Chancen zu erkennen, ihre Grenzen zu ermessen, dann ist Hilfestellung von Kollegen nötig, die es sich zur Spezialaufgabe gemacht haben, vergleichende Forschung zu betreiben und die theologischen Diskurse zu begleiten. Ein besonderes Thema ist da der interkonfessionelle Dialog. Die Mitarbeitenden im Konfessionskundlichen Institut haben ihre Arbeitsergebnisse im Materialdienst über viele Jahrzehnte hinweg in vorbildlicher Weise dokumentiert. Das Kollegium des Instituts, und nicht zuletzt Sie selbst, haben in den verschiedenen Bensheimer Heftreihen immer wieder zu Schwerpunkten der zwischenkirchlichen theologischen Debatte klärende Beiträge geleistet. Sie bieten Orientierung, sie schärfen den Blick in Auseinandersetzungen, klären auf über Zusammenhänge und können vor allem dazu helfen, das Gemeinsame zu erkennen und ins Licht zu stellen. Wir haben davon profitiert, wir danken Ihnen dafür!

Mein Dank gilt aber auch dem Kirchenbeauftragten Frieling. In englischer Sprache würde man ihn als 'Commissioner' bezeichnen. Das trifft die Sache ganz genau bei der Joint Working Group des Vatikans und des Ökumenischen Rates der Kirchen, zu der Sie seit langem gehören. Sie wirken aber auch im Auftrag der Kirche als Mitglied der EKD-Synode, und zwar als Vorsitzender des Europaausschusses, aber auch als geachtete Stimme im Plenum der Synode. Sie sind Vorsitzender der Studienkommission der Konferenz Europäischer Kirchen und der gemeinsamen Kommission von KEK und CCEE, die eine "Charta oecumenica" für Europa ausarbeitet. Mit großer Treue haben Sie sich auch an der Catholica-Konferenz der EKD über Jahrzehnte beteiligt. Nicht nur in Ihrer Bereitschaft, solche kirchlichen Aufträge und Ämter wahrzunehmen, sondern auch die Qualität mit der Sie die Dinge betreiben, wie Erkenntnisse in der Forschung und Lehre im Leben der Kirche fruchtbar gemacht werden, stellt Ihnen persönlich, aber auch dem Konfessionskundlichen Institut im ganzen, ein hervorragendes Zeugnis aus.

Mein Dank gilt sodann dem Leiter des Konfessionskundlichen Instituts. Sie haben die Referenten und die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geiste der Kollegialität geführt. Die Arbeit des Hauses und deren Themen haben Sie gemeinsam immer wieder den Erfordernissen der Zeit angepaßt, die Intensität der Arbeit gesteigert und damit den großen Respekt weiter untermauert, den das Konfessionskundliches Institut mit Recht genießt. Sie haben bei aller Unabhängigkeit, die wissenschaftliche Arbeit braucht, stets ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zur EKD gehalten und mit unserem Kirchenamt in einer Weise zusammengearbeitet, für die man beide Seiten nur beglückwünschen kann.

Schließlich gilt mein Dank dem Menschen Reinhard Frieling, der über das Wissenschaftliche und Dienstliche hinaus Bande der Freundschaft geknüpft hat in alle Richtungen der Ökumene. Ich denke besonders an den Evangelischen Arbeitskreis für Konfessionskunde in Europa, der auch in Zeiten der europäischen Teilung die Verbindungen in die Bruder- und Schwesterkirchen Osteuropas gesucht und gehalten hat. Ich denke aber auch an Leiter und Mitarbeiter anderer ökumenischer Institute, sei es der katholischen Kirche, sei es des Lutherischen Weltbundes oder wo immer. Ein von Respekt und Freundschaft getragenes Miteinander ist nicht schon die Lösung der uns aufgegebenen Probleme. Aber es ist doch sehr oft der Schlüssel dazu.

Lieber Herr Haustein, Sie sind seit 1991 wissenschaftlicher Referent am Konfessionskundlichen Institut. Sie übernehmen heute dessen Leitung. Sie haben sich nach Ihrer Promotion und Habilitation bei Professor Maron sehr schnell in die Arbeit und in das Team des Instituts hineingefunden. Als Rheinländer bringen Sie ein schönes Maß an Beweglichkeit mit, ein leichter reformierter Touch ist für das Institut auch nicht schädlich. Ihre Beiträge im Materialdienst und bei konfessionskundlichen Debatten im Hause zeichnen sich nicht nur durch Gründlichkeit, sondern auch durch Originalität aus, sie sind oft geistreich und manchmal ein bißchen frech. Das kommt nicht nur Ihrem Lehrauftrag in Saarbrücken zustatten; Studenten wissen so etwas ja besonders zu schätzen. Es kommt auch der Arbeit des Hauses zugute, denn, was hier produziert wird, darf nicht langweilig sein. Sorge macht mir das nicht, denn ein Leitungsamt, glauben Sie das einem Ratsvorsitzenden der EKD, hat auch seinen Einfluß auf den Inhaber.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Konfessionskundlichen Institut selber sagen. Luther schreibt an einer Stelle:

"Es ist nötig zu wissen, wo und wer die christliche Gemeinde sei, auf daß nicht (wie gewöhnlich die Nichtchristen tun) unter dem Namen der christlichen Gemeinde Menschen menschliche Händel vornehmen."

Das ist der erste Satz in Luthers Schrift von 1523, "daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen usw. Grund und Ursache aus der Schrift".

Wir haben es in den vergangenen Jahren erlebt, etwa bei dem großen Unternehmen "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" (1986), erst recht bei der Bemühung um eine "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (1997), daß nicht alles rein christlich, sondern manches auch sehr menschlich zugegangen ist. Heute sehen wir zum Beispiel, wie oft die streitenden Parteien des 16. Jahrhunderts in wichtigen Punkten aneinander vorbeigeredet haben. Wenn das Unterscheidende, das Gegensätzliche, das Trennende zum Erkenntnisprinzip wird, verliert das Gemeinsame, das Verbindende seine Tragfähigkeit. Dann wird nicht mehr deutlich, wo und wer christliche Gemeinde ist, sei es auch in der Gestalt einer anderen Kirche. Von daher bestimmt sich die Aufgabe des Konfessionskundliches Instituts, nämlich: genau hinzusehen und hinzuhören, das gemeinsame Christliche auch bei anderen Partnern zu entdecken, damit es, wenn es denn sein kann, auch gemeinsam ausgesprochen werden kann. Gewiß gibt es zwischen unseren Kirchen, unseren Freikirchen und den übrigen religiösen Gemeinschaften nicht nur Unterschiede, sondern auch Gegensätze. Aber das muß im Einzelfall genau geprüft werden. Unterstellungen, Abwehrverhalten und Vorurteile dürfen den Blick nicht trüben und die Feder führen. Das wären "menschliche Händel", die gehören nicht zu unserem Auftrag. Das Konfessionskundliche Institut und der Evangelische Bund waren aus ihrer Geschichte heraus zwar immer streitbare Einrichtungen. Sie sollen nun nicht Kreide fressen wie der Wolf im Märchen. Aber ich stelle mir nicht den Wolf vor als Wappentier des Konfessionskundlichen Instituts! Eher könnte man an die Eule denken, die Weisheit symbolisiert. Aber die Eule ist ein Nachtschwärmer und auch ein Raubtier. Deshalb empfehle lieber ein Symboltier, das das Morgenlicht liebt, dessen Weckruf sammelt, vereint und zu gemeinsamen Tun ermuntert. Der Hahn wäre - so gesehen - ein gutes Wappentier.

In der genannten Schrift teilt Luther der christlichen Versammlung oder Gemeinde das Recht zu, alle Lehre zu urteilen. Allerdings hat diese Sache zwei Spitzen. Zum einen weiß Luther, daß die christliche Gemeine ohne Gottes Wort nicht sein soll und kann, um es zu verstehen, braucht sie Lehrer. Das müssen, das ist die zweite Spitze, nicht unbedingt die Bischöfe sein. Mit den Bischöfen seiner Zeit hatte Luther, wie wir wissen, keine besonders guten Erfahrungen. Deshalb setzt er deutlich auf die Gelehrten. Sein Amt als Doktor der Theologie war ihm zeitlebens wichtig und Bestandteil seiner Berufung. In der evangelischen Kirche hat sich dies fortgesetzt und festgesetzt.

Meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder! Bleiben Sie dem Konfessionskundlichen Institut zugetan! Bewahren Sie dem Institut Ihre Hochschätzung, die es sich unter der Leitung von Professor Frieling erworben hat, auch für die kommende Zeit unter dem neuen Leiter Dr. Haustein. Die Evangelische Kirche in Deutschland ist dankbar dafür, daß es dieses Institut gibt. Wir werden es weiter brauchen und wünschen ihm, daß es seinen Weg macht, streitbar und friedfertig, theologisch und praktisch, frei und kirchlich, evangelisch und ökumenisch!

Hannover, 16. Juni 1999
Pressestelle der EKD