Kock für breiten politischen Konsens bei Zuwanderung und Integration

EKD-Ratsvorsitzender: Nationale Eigeninteressen zu sehr im Vordergrund

14. Juni 2001

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, hat auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt/Main für ein Gesellschafts- und Staatsverständnis geworben, „das der Realität einer ethnisch, kulturell und religiös vielfältiger gewordenen Gesellschaft entspricht.“ Auf dem „Forum Migration“ appellierte Kock heute (14. Juni) an die Politik, die „vielleicht einmalige Chance“ für einen Perspektivenwechsel in der Zuwanderungspolitik zu nutzen, die der mit Spannung erwartete Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung („Süßmuth-Kommission“) biete. Als Ursachen für die veränderten Sichtweisen beim Thema Einwanderung nannte der EKD-Ratsvorsitzende den Mangel an geeigneten Arbeitskräften in bestimmten Bereichen der Wirtschaft und die mit dem Rückgang der Bevölkerung verbundene Sorge um die Sicherung der Versorgung einer steigenden Zahl von Senioren.

Kock warnte jedoch davor, dass in der Zuwanderungsdebatte „unsere nationalen Eigeninteressen in den Vordergrund gestellt werden“. Diese Interessen seien nur ein politischer Faktor von vielen. Die humanitären Verpflichtungen drohten demgegenüber zur Fußnote zu werden. Sie seien jedoch „keine Verhandlungsmasse, sondern moralisch und politisch unabdingbar“, so der EKD-Ratsvorsitzende. Aufgrund ihrer besonderen Verpflichtung zur Solidarität mit Migranten könnten die Kirchen keiner Einschränkung des Asylrechtes zustimmen. Es solle vielmehr wieder eine gesetzliche Härtefallregelung geben, nichtstaatliche oder gesellschaftspolitische Verfolgung sollten als Fluchtgründe bei bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden. Weiter verlangte Präses Kock, Deutschland müsse auch dazu beitragen, Spannungen und Konflikte außerhalb seiner Grenzen zu mindern. Er forderte die Bundesregierung auf, sich für faire Handelsbedingungen und eine Entschuldung der ärmsten Länder einzusetzen und die Entwicklungshilfeausgaben nicht zu reduzieren.

Der EKD-Ratsvorsitzende Kock setzte sich vor den Teilnehmenden des Kirchentagsforums auch dafür ein, vor einer Anwerbung neuer Migranten „alle Chancen für die Arbeitsmarktintegration“ derer zu nutzen, die schon im Lande sind. Die erhebliche Arbeitslosigkeit von Zugewanderten mache spezifische Maßnahmen zur beruflichen und sprachlichen Qualifizierung erforderlich. „Es ist nicht hinzunehmen, dass man um jeden Sprachkurs betteln muss, damit er zustande kommt“.

Präses Kock rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, auf Menschen anderer Herkunft zuzugehen. Er appellierte aber auch an die schon länger oder auf Dauer in Deutschland lebenden Zuwanderer, sich nicht „abzuschotten“, sondern „auf die Deutschen zuzugehen, die deutsche Sprache zu lernen und sich mit ihrem Umfeld vertraut zu machen“. An die Adresse der evangelischen Christen gerichtet sagte der Ratsvorsitzende, die Christen und Kirchen aus anderen Ländern, die in Deutschland leben, würden noch zu wenig wahrgenommen und aufgenommen. „Unter der Perspektive des Evangeliums bekommen nationale und kulturelle Grenzen eine nachrangige Bedeutung.“

Frankfurt (Main)/Hannover, den 14. Juni 2001
Pressestelle der EKD