Pfingstbotschaft

EKD-Ratsvorsitzender, Präses Manfred Kock

23. Mai 1999

"Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth" (Sach. 4,6)

Mit dem Pfingstfest erinnert die Kirche an ihre Entstehung. Ein "Brausen" - so erzählt es die Bibel - kam vom Himmel und der Geist Gottes erfüllte verunsicherte und erschöpfte Frauen und Männer aus der Anhängerschaft Jesu mit neuer Kraft. Sie begannen, öffentlich von ihrer Gewißheit zu sprechen, daß die Macht des Todes gebrochen ist und Grund für neue Hoffnung besteht. Was vor fast 2000 Jahren die Begeisterung der Jünger entfacht hat, brauchen wir auch heute: den Geist, der uns aus Resignation und Orientierungslosigkeit herausreißt, der uns in Bewegung setzt und uns den langen Atem der Hoffnung zu vielstimmigem Engagement für das Leben gibt.

"Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth", so lautet der biblische Wochenspruch aus dem Prophetenbuch Sacharjas.

Gegenwärtig versuchen Politiker und Militärs der NATO noch immer, die brutalen Verbrechen gegen die Menschenwürde mit Waffengewalt zu beenden. Mittlerweile erkennen jedoch auch anfängliche Befürworter der militärischen Intervention gegen Jugoslawien, daß weder das Ende der Menschenrechtsverletzungen im Kosovo als ursprüngliches Kriegsziel, noch daß Frieden und Versöhnung gewaltsam in kurzer Zeit zu erzwingen sind. Sie können nur das Ergebnis geduldiger Verhandlungen sein. Die Voraussetzungen für ihren Erfolg müssen so schnell wie möglich auf diplomatischem Weg gewonnen und durch "geistvolle" Verträge politisch abgesichert werden.

Viele Christinnen und Christen waren angesichts der schrecklichen Nachrichten von Flucht, Vertreibung und Krieg auf dem Balkan zunächst schockiert. Doch je länger die Bombardements andauern, je mehr unschuldige Opfer sie fordern und je unklarer die Kriegsziele der NATO werden, um so massiver wird der Protest derer, die sich dem Weg der Gewaltfreiheit verpflichtet wissen. Landauf, landab sammeln sich Frauen und Männer in den Kirchengemeinden. Sie beten für den Frieden, organisieren Hilfsmaßnahmen für die Kriegsopfer und fordern öffentlich ein rasches Ende der Gewalt in Jugoslawien. In den Sonntagsgottesdiensten und in zahlreichen Friedensandachten unter der Woche bitten Christen um den Heiligen Geist in der Überzeugung, daß Gott auch da noch Menschen zur Umkehr bewegen kann, wo gutes Zureden oder zorniger Protest ohne Erfolg scheinen.

Die Kirchen Europas haben trotz mancher Verständigungschwierigkeiten das Gespräch mit den orthodoxen Christen in Jugoslawien nicht abreißen lassen. Das erfüllt mich mit Hoffnung. Für dies alles, insbesondere auch für ökumenische Initiativen und für alle, die das Gespräch mit Serben und albanischstämmigen Kosovaren in Deutschland suchen, bin ich dankbar.

An diesem Pfingstfest gilt die Fürbitte allen Opfern von Vertreibung und Krieg. Ebenso bitte ich Gott um langen Atem für alle, die sich mit großer Geduld um eine diplomatische Lösung des Kosovo-Konflikts bemühen. Das Geschenk des Heiligen Geistes kann Menschenherzen wenden und die Zwanghaftigkeit militärischer Logik durchbrechen, damit die Waffen schweigen und die Hoffnung auf den Erfolg diplomatischer Verhandlungen neue Nahrung erhält.

Nach dem Ende der Gewalt wird die vordringlichste Aufgabe sein, die Heimkehr der Kosovo-Vertriebenen und den Wiederaufbau der zerstörten Lebensgrundlagen in Jugoslawien voranzubringen. Frieden wird aber nur wachsen, wenn es gelingt, die Versöhnung zwischen den verfeindeten Volksgruppen auf dem in Gang zu setzen. Gerechtigkeit muß wiederhergestellt und gegenseitige Verletzungen müssen geheilt werden. Die Durchsetzung des Rechts wird auf Versöhnungsbereitschaft von allen Seiten und auf langen Atem angewiesen sein.

Den werden wir auch bei der aktuellen Versorgung der Flüchtlinge und Vertriebenen benötigen. Sie brauchen nicht nur Sicherheit für Leib und Leben, sondern die Wiederherstellung ihrer Existenzgrundlage, um auf Dauer in ihrer Heimat wieder eine Lebensperspektive aufbauen zu können. Wir müssen jetzt bereits daran denken, wie die heimatlos gewordenen Menschen durch den nächsten Winter kommen.

Ich bitte deshalb alle Menschen guten Willens, in ihrer Spendenbereitschaft für die Kosovo-Hilfe nicht nachzulassen.

Ich appelliere an alle Christen und Kirchen:
Mit unseren Beiträgen zur Konfliktlösung laßt uns unser Vertrauen in die prophetische Verheißung dieses Pfingstfestes bezeugen, daß es im Friedensprozeß nicht auf "Heer und Kraft" ankommt, sondern auf Gottes Geist.

Hannover, den 23. Mai 1999
Pressestelle der EKD