"Hoffnung auf Leben gegen die Wirklichkeit des Todes"

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Manfred Kock, zum Osterfest 2001

14. April 2001

"Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle." (Offenbarung des Johannes 1,18)

In diesem Jahr feiern die Christen aus Ost und West das Osterfest am gleichen Tag. Das ist etwas Besonderes und ist seit elf Jahren wegen der unterschiedlichen Berechnungen der Ostertermine zwischen westlichen und orthodoxen Kirchen nicht vorgekommen. Am Anfang eines neuen Jahrtausends haben wir auch auf diese Weise Gelegenheit, die Auferstehung Christi in ihrer Wirkung zu bezeugen und die Freude wegen seines Siegs über Sünde, Leiden und Tod in alle Welt hinauszurufen.

Der gemeinsame Ostertermin lenkt unseren Blick von der Fixierung auf die Unterschiede zwischen den evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirchen weg und hin zu dem Ursprung unserer gemeinsamen christlichen Hoffnung auf Leben gegen die Wirklichkeit des Todes. Gerade weil in jüngster Zeit eher die Unterschiede und das Trennende der Kirchen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, ist es notwendig, den zentralen Auftrag wahrzunehmen: Das Zeugnis vom Sieg Christi über den Tod. Angesichts von Todeserfahrung und Todesgefahr in unserer Welt sollten Christinnen und Christen ihre Gemeinsamkeit demonstrieren und mit ihrer Osterfreude eine Umkehr in die Wege leiten. In der laufenden Diskussion über die aktive Sterbehilfe können wir gemeinsam bekennen, dass Gott Leben und Sterben in seiner Hand hält.

In kriegerischen Konflikten werden nicht selten christliche Konfessionen und andere Religionen instrumentalisiert und müssen zur Legitimierung von Machtinteressen und Herrschaftsansprüchen herhalten - und manches Mal haben sie sich auch willfährig einspannen lassen. Nicht zuletzt in der Balkan-Region, wo noch längst kein wirklicher Frieden eingekehrt ist, stehen die christlichen Kirchen vor einer mehrfachen gemeinsamen Herausforderung: Sie müssen der Welt zeigen, dass wahrer Friede erst durch das Aussprechen der Wahrheit über die Vergangenheit entstehen kann und eben dadurch erst wechselseitige Vergebung und ein Neuanfang möglich werden. Die Zusage von Gottes Frieden gilt Menschen aus allen Völkern, Volksgruppen und Religionen.

In der kommenden Woche werden sich die Kirchen Europas in Straßburg treffen, um nach dem gemeinsamen Osterdatum auch gemeinsam kundzutun, wie ihr Beitrag zum Zusammenwachsen unseres Kontinents aussehen soll. Am Sonntag nach dem Osterfest wird dort die "Charta Oecumenica für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa" mit der Unterschrift des Präsidenten der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) an alle christlichen Kirchen in Europa gesandt. Die Unterzeichnung findet anlässlich einer Begegnung von jungen Menschen und Vertretern der europäischen Kirchen statt, die sich drei Tage lang mit der Zukunft der Ökumene in Europa befassen wollen.

Die Charta ist nach einer intensiven Konsultationsphase entstanden und bringt die Selbstverpflichtung der Kirchen zur Vertiefung der ökumenischen Zusammenarbeit zum Ausdruck. Sie bekräftigt, dass die Herausforderungen im zusammenwachsenden Europa eine Aufgabe für Menschen aller Konfessionen bedeuten, der sich die Kirchen sowohl im Blick auf die Verkündigung der frohen Botschaft als auch im Engagement für Gerechtigkeit und Versöhnung gemeinsam stellen müssen.

Christus, der Lebendige, der "die Schlüssel des Todes und der Hölle" hat, ist der Weg der Wandlung und Befreiung durch alle Angst und durch das Sterben hindurch. Und so feiern wir Ostern, nehmen in der Liturgie des Festes vorweg, was im Alltag noch unsichtbar bleibt. Und geben den Trost weiter, den wir erhalten.

Hannover, 14. April 2001
Pressestelle der EKD