Erbarmen ist Schlüsselbegriff für Frömmigkeit und Weltverantwortung - Am Beten entscheidet sich Kirchesein

Mit katholischer Kirche noch Differenzen

3. November 1996 (7. Tagung der 9. Synode der EKD)

In den Mittelpunkt seines Ratsberichtes rückte Landesbischof Engelhardt die Frage nach dem Beitrag der evangelischen Kirche angesichts der Umbrüche in der Gesellschaft. Dabei läßt sich seiner Ansicht nach "Erbarmen" zu einem "Schlüsselbegriff für Frömmigkeit und Weltverantwortung der Kirche machen". Es sei die großartige Aufgabe der Kirche, "für eine Kultur des Erbarmens einzustehen - betend, erzählend, handelnd".

"Daß Kirche betet, muß ihr deutlichstes Kennzeichen sein", verlangte der Ratsvorsitzende. Die Welt sei "gebetslos", die alles bestimmende Überzeugung heiße: Ich bin meine Tat. Demgegenüber müsse die Kirche verkündigen: "Ich lebe nicht von dem, was ich tue und was ich erreiche. Ich finde meinen Sinn darin, daß ich von Gott geliebt bin ...". Engelhardt meldete Widerspruch an gegen den Satz aus dem FDP-Programmentwurf "Für die liberale Bürgergesellschaft", wonach der einzelne Mensch seinen Sinn selbst stiftet. Am Beten entscheidet sich für den Landesbischof "wahres Kirchesein" - vor, aber nicht statt anderen kirchlichen Aktivitäten. Er rede nicht einem Rückzug aus der Welt das Wort, betonte er.

"Im Beten kommen wir uns über Kirchengrenzen hinweg näher", sagte Engelhardt weiter. Er erinnerte dankbar an den Gottesdienst mit Predigt und Gebet anläßlich des Papstbesuches in Deutschland. Auch wenn sich in der theologischen Frage der Rechtfertigung zwischen Protestanten und Katholiken ein Konsens anbahne, blieben immer noch im Amtsverständnis und in praktisch-seelsorgerlichen Fragen erhebliche Differenzen. Noch könnten Evangelische nicht Gäste bei der Feier der Eucharistie (Abendmahl) der römisch-katholischen Kirche sein. "Und wir sind es der entchristlichten Welt schuldig, auch durch gemeinsame Gottesdienste am Sonntagmorgen ein Zeichen für das unserer Welt gewährte Erbarmen Gottes zu setzen", mahnte der EKD-Ratsvorsitzende.

Borkum, 3. November 1996
Pressestelle der EKD