Wort der Kirchen als Plattform für "Koalition der Menschen guten Willens"

Engelhardt: Wir brauchen ehrliche Beschreibung des Reformbedarfs

23. Mai 1997 (1. Tagung der 9. Synode der EKD)

Als Plattform "für eine Koalition der Menschen guten Willens" in Deutschland hat der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt, das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland angeboten. Er erneuerte in seinem Bericht an die in Friedrichroda tagende EKD-Synode die Einladung der Kirche zur Debatte über das Wort und seine möglichen Konsequenzen. "Das Gemeinsame Wort ist quicklebendig, wenn wir uns jetzt nicht zurücklehnen", appellierte Engelhardt. Der Text, der bereits "landauf, landab" diskutiert werde, müsse von den Kirchen auf allen Ebenen in das Gespräch mit der Politik, den Verwaltungen, Unternehmen und Gewerkschaften hineingetragen werden.

Der Ratsvorsitzende unterstützte ausdrücklich die Feststellung in der Berliner Rede von Bundespräsident Herzog, daß in Deutschland der Schwung zur Erneuerung fehle. "Besitzstandswahrung und Festhalten an Strukturen sind auf allen Seiten weit verbreitet." Eine wesentliche Bedingung für den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft sei ihre beständige Verbesserung gewesen, stellte Engelhardt fest. "Das setzt Reformentschlossenheit voraus". Der Landesbischof würdigte in diesem Zusammenhang die Äußerungen des DGB-Vor-sitzenden Schulte zur Reform des Flächentarifvertrages und der Rentenversicherung: "Wir brauchen eine ehrliche, am Gemeinwohl orientierte Beschreibung des Reformbedarfs."

Im Kern gehe es den Kirchen "um die geistigen Grundlagen von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft", betonte Engelhardt. Der ethische Grundkonsens drohe gegenwärtig verloren zu gehen und müsse unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen gefestigt und neu bestimmt werden. Eine demokratische und veränderungsfähige Gesellschaft lebe aber neben dem Konsens auch vom Konflikt und vom Kompromiß, fügte der Ratsvorsitzende hinzu.

Das Echo auf das Wort der Kirchen signalisiert nach der Einschätzung Engelhardts auch, daß "unser Gemeinwesen mehr denn je einer 'politischen Diakonie' bedarf und diese auch erwartet" - gerade in einer Zeit voller Zukunftsängste". Der Ratsvorsitzende wörtlich: "Wir sind es dieser Gesellschaft schuldig, ihr aus der Überzeugung unseres Glaubens heraus die Botschaft von der Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes zu verkündigen."

Friedrichroda, 23. Mai 1997
Pressestelle der EKD