Engelhardt: Bibel, Bekenntnis und Gottesdienst geben der Kirche Profil

Ratsbericht zum Auftakt der Synode der EKD in Wetzlar

2. November 1997 (2. Tagung der 9. Synode der EKD)

Die bleibende Bedeutung der Kirche in einer von Veränderungen, Orientierungslosigkeit und Sinnkrisen geprägten Zeit hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt, hervorgehoben. In seinem Bericht zu Beginn der Tagung der EKD-Synode im hessischen Wetzlar hob Engelhardt Bibel, Bekenntnis und Gottesdienst als entscheidende Bestandteile des Profils der Kirche hervor. Diese sei zugleich ein "guter Ort für das Gewissen", sagte der Ratsvorsitzende. "Wenn Kirche auf diese Weise Kirche ist, dann werden es die Menschen spüren - egal, ob sie zu den Insidern oder zu den ganz Fernen gehören." Wenn die Kirche die Bibel ernst nehme, dann werde sie zugleich auch "auf ihre öffentliche Verantwortung gestoßen".

Engelhardt sprach zu Beginn der Synodaltagung in der Stadthalle Wetzlar vor den 120 Synodalen, den Mitgliedern des Rates der EKD, der Kirchenkonferenz und zahlreichen Gästen - unter ihnen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, Hessens Ministerpräsident Hans Eichel und Bischof Dr. Karl Lehmann, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Zuvor war die Synode mit einem Gottesdienst im Dom zu Wetzlar feierlich eröffnet worden.

Die Kirche lebe davon und stehe dafür, daß über der Welt und den Menschen von Jesus Christus her ein Licht aufleuchte, betonte Engelhardt. Dieses Licht gebe der Kirche Profil und den Menschen Orientierung. Die Botschaft der Bibel gilt - so der Ratsvorsitzende - "den Frommen und den Fragenden, engagierten Christen und den ganz Distanzierten". Engelhardt wandte sich gegen eine verbreitete "Bibelvergessenheit unter Evangelischen" Wo die Bibel zu leuchten beginne, gewinne die Kirche an Ausstrahlungskraft, "werden Menschen aus ihrer Einsamkeit und Nabelschau herausgeholt".

Engelhardt konstatierte in seinem Bericht neben dem Säkularisationsschub "von außen" auch eine Bedrohung der Kirche "von innen, wenn Geltung und Zuspruch der befreienden Botschaft des Evangeliums unsicher und Gehorsam gegen elementare Gebote Gottes fragwürdig geworden sind". In einer solchen Zeit bewahren Bekenntnisse die Kirche davor, Religiosität und religiöse Äußerungen zu subjektiven Meinungen verkommen zu lassen, erklärte der Vorsitzende. Engelhardt wörtlich: "Bekenntnisse bewahren die Kirche vor intellektueller Belanglosigkeit".

Der Landesbischof hob in seinem Bericht das Schwerpunktthema der Synodaltagung "Gottesdienst" hervor. Dabei solle aufleuchten, daß die christliche Gemeinde im Gottesdienst nicht lediglich ihren Kult und ihre Rituale zelebriere, sondern Lebensraum für sich selbst und für die Welt gewinne. Im Gottesdienst kommen - so Engelhardt - Menschen zur Ruhe, finden Zeit für Gott und entdecken das Evangelium.

In einer Zeit voller Veränderungen im Alltag der Menschen, globaler Abhängigkeiten in Politik und Wirtschaft und dem Streit unvereinbarer Positionen bleibe das "an der Bibel geschärfte, das vom Wort Gottes getröstete Gewissen". Dafür sei die Kirche "ein guter Ort". Über Gewissensbindungen von Menschen dürfe nicht hinweggegangen werden, allerdings solle sich auch niemand "zu schnell und zu glatt" auf das Gewissen berufen, forderte der Ratsvorsitzende.

Wetzlar, 2. November 1997
Pressestelle der EKD