Kock: „Ethische Grundsätze brauchen gelebte Erfahrungen“

Hanna-Jursch-Preis für Promotionsarbeit

23. Juli 2003

Ethische Grundsätze müssten mit den gelebten Erfahrungen von Frauen und Männern verknüpft werden, damit sie tragfähig sind, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, in seinem Grußwort anläßlich der Verleihung des Hanna-Jursch-Preises am 23. Juli an der Universität Heidelberg. Die Auszeichnung ging in diesem Jahr an die 39jährige Theologin Christiane Kohler-Weiß. Der Rat der EKD würdigt damit ihre Dissertation „Schutz der Menschwerdung. Der Schwangerschaftsabbruch als Thema evangelischer Ethik im deutschsprachigen Raum seit 1950“.

Eine „gute Theologie“ müsse sowohl die Geschichte des Glaubens verstehen als auch die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der gegenwärtigen Gesellschaft kennen, betonte Kock bei der Preisverleihung. Die theologische Forschung aus der Perspektive der Frauen habe gezeigt, dass dies nicht möglich sei, ohne die unterschiedlichen Rollen von Frauen und Männern zu berücksichtigen.

Die Arbeit von Christiane Kohler-Weiß zeige am Beispiel des Schwangerschaftsabbruchs, „wie wichtig es ist, ethische Grundsätze mit den gelebten Erfahrungen von Frauen und Männern zu verknüpfen, um zu tragfähigen ethischen Entscheidungen zu gelangen“, so der Ratsvorsitzende. Es sei der Preisträgerin gelungen, die Kluft zu überwinden zwischen einer Normethik, die nach dem moralischen Status des Embryos frage und der Arbeit der evangelischen Beratungsstellen, die sich an den Lebenszusammenhängen der Frauen im Schwangerschaftskonflikt orientiere. Die Dissertation sei nicht nur von wissenschaftlicher Bedeutung, sondern sei auch eine Lektüre für Frauen und Männer, die persönlich in einer Konfliktsituation seien, empfahl Kock.

Mit dem Hanna-Jursch-Preis will die EKD dazu beitragen, dass sich theologische Forschung aus der Perspektive von Frauen als Forschungszweig an den Universitäten und kirchlichen Hochschulen weiter etabliert. Der Rat der EKD hat den Preis zum zweiten Mal verliehen. Er ist nach der Jenaer Kirchenhistorikerin Hanna Jursch benannt, die als erste Theologin 1934 habilitierte. Die Preisträgerin Christiane Kohler-Weiß arbeitet als Pfarrerin in Württemberg und ist Mutter von drei Kindern.

Hannover, 22. Juli 2003
Pressestelle der EKD
Anita Hartmann

Redetext im Wortlaut