"Es gibt keine Alternative"

Professor Dr. Will Teichert

Der Direktor der Akademie für Publizistik über die Zukunft evangelischer Medien, im Juli 1997

Nach dreijähriger Tätigkeit legt jetzt die Ad-hoc-Kommission "Publizistisches Gesamtkonzept" ihren Bericht vor. Dieser soll den Weg weisen zu einer neugeordneten evangelischen Publizistik, die effektiver und kostengünstiger arbeitet. Der Vorsitzende der Kommission, Dr. Will Teichert, hat die Ergebnisse dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgestellt. Bevor Details veröffentlicht werden, geht der Bericht an die regionalen Presseverbände und an die Landeskirchen. Da von seiner Bewertung Stellen und Subventionen abhängen, ist eine heftige Diskussion zu erwarten.

Herr Teichert, Sie haben sich intensiv mit der bunten und unübersichtlichen Szene der evangelischen Publizistik auseinandergesetzt. Wie stellen Sie persönlich sich diese Szene in fünf Jahren vor?

Will Teichert: Sie wird anders aussehen. Die Vielgestaltigkeit, die wir im Augenblick haben, kann sich die Kirche auf Dauer nicht leisten. Die evangelische Publizistik wird weiterhin vielförmig sein, aber ich hoffe, sie orientiert sich mehr an einem Gesamtkonzept.

Die Ad-hoc-Kommission wollte herausfinden, wie die Publizisten ihre Kräfte bündeln und gleichzeitig Kosten reduzieren können. Mit am Tisch saßen aber Funktionäre aus den kirchennahen Medien. Konnten Sie da zu unabhängigen und klaren Empfehlungen gelangen?

Teichert: Das war in der Tat ein grundsätzliches Dilemma, hat sich aber nicht als ganz großes Problem bestätigt. Die Offenheit und die Bereitschaft zur Selbstkritik waren bemerkenswert. Das Ergebnis ist deshalb nicht beschönigend ausgefallen.

Die Zeit war also reif für klare Worte.

Teichert: Ja, eindeutig. Der Publizistische Gesamtplan der EKD von 1979 hat ja schon einige Probleme benannt - beispielsweise, daß den evangelischen Printmedien jüngere Leser fehlen -, und da hat sich seitdem sicher nichts zum Positiven verändert. Das Bewußtsein, daß etwas passieren muß, war bei allen Beteiligten sehr ausgeprägt.

In einem Vortrag haben Sie erste Ergebnisse skizziert. Tenor: Ein Gesamtkonzept der evangelischen Publizistik ist nicht erkennbar, Folge ist eine Profilschwäche der Kirche in der Öffentlichkeit. Ein vernichtendes Urteil.

Teichert: Man muß differenzieren: Dieses Urteil gilt für das Gesamtbild der evangelischen Publizistik. Die ist als eine Gemeinschaftsaufgabe nicht so klar und profiliert erkennbar, wie man es wünschte. Aber die evangelische Publizistik tritt eben überaus vielgestaltig auf, hat unterschiedliche Verantwortlichkeiten, eine föderale Struktur, sehr selbständige Presseverbände. Jeder Bereich muß für sich betrachtet werden.

In der Vielfalt liegen aber auch Schwächen: Kompetenzwirrwarr, Parallelstrukturen... Wie kann es gelingen, daß die evangelische Publizistik ihren Platz im sich wandelnden Medienmarkt behauptet?

Teichert: Nicht nur der säkulare Medienmarkt verändert sich ja, die Kirche ist in ihrer gesellschaftlichen Verortung lange nicht mehr selbstverständlich wie einst, und die finanziellen Möglichkeiten schrumpfen. Man muß prüfen, ob die publizistischen Konzepte, die man vor Jahren entwickelt hat, noch adäquat sind. Und ob mit diesen Konzepten Kirche so öffentlich gemacht wird, wie sie es verdient und erwarten kann.

Sie haben das "Durchwurschteln" als grundlegendes Organisationsprinzip der evangelischen Publizistik herausgestellt. Wie kann es gelingen, einem Geflecht von teilautonomen Organisationen nun wieder ein Gesamtkonzept überzustülpen?

Teichert: Überstülpen geht gar nicht. Über eine Veränderung müssen alle Beteiligten sich verständigen. Sie selbst müssen dafür sorgen, daß die Publizistik als Lebensäußerung der Kirche erkennbar ist und in der Öffentlichkeit bemerkt werden kann.

Es sieht aber danach aus, daß Gelder und Stellen zu streichen sein werden, daß Titel vom Markt verschwinden müssen. Und das sollen die Beteiligten selbst beschließen?

Teichert: Es wird ihnen kaum etwas anderes übrigbleiben. Veränderungen sind unumgänglich. Und es ist richtig, daß dies Konsequenzen haben wird. Aber wenn man jetzt nicht konzeptionell nach vorne gerichtet und inhaltlich begründet handelt, dann wird man früher oder später Marktbedingungen zum Opfer fallen. Es gibt keine Alternative zum Handeln.

Wenn die Beteiligten selbst das letzte Wort haben, könnte es bei üblichen Nichtangriffspakten bleiben: Die Konkurrenten innerhalb der evangelischen Publizistik loben einander hoch, damit keiner von ihnen dran glauben muß. Können Unternehmensberatungen einen Weg aus diesem Dilemma weisen?

Teichert: Die Kommission hat für die einzelnen Bereiche nur Empfehlungen ausgesprochen. Die anschließende Diskussion könnte in der Tat begleitet werden durch externen Sachverstand. Was Kienbaum und McKinsey zur Öffentlichkeitsarbeit der Kirchen gesagt haben, könnte auch Anregungen bieten für andere Sektoren. Eine Alltagserfahrung ist ja, daß man oft Schwierigkeiten hat, sich am eigenen Zopf aus bestimmten Problemlagen herauszuziehen.

Irgendwann müssen dann aber doch schmerzhafte Entscheidungen gefällt werden.

Teichert: Das ist ganz normale politische Praxis, wenn es darum geht, widersprüchliche Ziele in Einklang zu bringen. Es wird dann ein Rangeln um die besseren Argumente geben und ein - wie ich hoffe - behutsames und verantwortungsvolles Einsetzen der jeweils zur Verfügung stehenden Macht. Was dabei herauskommt, kann niemand voraussagen.

Was wird aus den drei Monatszeitschriften in der evangelischen Publizistik - den "Evangelischen Kommentaren", den "Lutherischen Monatsheften" und "Die Zeichen der Zeit"?

Teichert: Ich brauche mich nur auf Äußerungen der Beteiligten selbst zu stützen: Sie haben deutlich gemacht, daß sie vergleichbare Konzeptionen haben, vergleichbare Zielgruppen und vergleichbare Auflagen und Subventionen. Sie haben gemeinsam erkannt: Diese Nebeneinander ist auf Dauer nicht sinnvoll, man müßte zu nur noch einer Publikation kommen, die dann im protestantischen Umfeld wirklich profiliert die Meinungsführer ansprechen kann.

Bisher sind solche Pläne an Partikularinteressen gescheitert. Wieso soll das jetzt anders werden?

Teichert: Vielleicht ist der Problemdruck größer geworden. Es gibt ja eine Ultima ratio, die wir alle nicht mögen. Und die heißt: Wenn die Mittel nicht reichen, dann muß etwas passieren. Und die Überzeugung der Kommission ist: Man sollte im Vorgriff auf den Kostendruck konzeptionell überlegt und strategisch handeln. In bestimmten Bereichen steht die evangelische Publizistik mit dem Rücken zur Wand.

Manchmal fragt man sich, ob der Druck schon groß genug ist.

Teichert: Im Prinzip ist er es. Das heißt aber nicht, daß alle Beteiligten das genauso sehen.

Noch ein Wort zur evangelischen Wochenpresse: Ist ein nationales Printmedium wie "Das Sonntagsblatt" verzichtbar?

Teichert: Das kann die Kommission nicht beantworten, das können nur die zuständigen Gremien der EKD. Das Problem ist, daß eine solche Publikation unter den heutigen Bedingungen nicht marktadäquat - also kostendeckend - operieren kann. Daraus muß eine klare Entscheidung folgen: Entweder akzeptiert man dieses so, mit den entsprechenden Subventionen oder aber man muß ernsthafte Alternativen suchen und prüfen.

Die Fragen stellte Christian Sauer (DS)

Hamburg, im Juli 1997