"Der Mensch denkt, Gott lenkt ..."

Neujahrspredigt des EKD-Ratsvorsitzenden Präses Kock im Dom zu Berlin

01. Januar 2001

In seiner Predigt unter dem Bibelwort "Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber der Herr allein lenkt seinen Schritt" (Sprüche Salomons 16,9) führt Präses Manfred Kock unter anderem folgendes aus:

"Nichts Fatalistisches ist daran, wenn es heißt: "Der Mensch denkt, Gott lenkt.", obwohl es im ersten Hören so klingen mag. Der Spruch zielt auf den rechten Gebrauch der Vernunft. Das ist ein sinnvoller Ratschlag für das kommende Jahr für uns Christen, für die Kirche, für die Menschen, die Verantwortung tragen in diesem Land. ...

Übertragen und angewandt auf unser wissenschaftliches Zeitalter heißt das: Forschungen, Wissenschaft sind nicht zweckfrei, sondern sind der Humanität verpflichtet. Die Folgen der mit der Kraft menschlicher Vernunft entwickelten Technik sind zu beachten und zu bewerten im Blick auf Gottes menschenfreundliche Weisungen.

Die Werte, welche unsere Gesellschaft immer wieder verkündet, sind diese: Wachstum, Flexibilität, Anpassung, Durchsetzungskraft. Es sind Werte, die Erfolg versprechen. Sie dominieren Werbung, Politik und Wirtschaft. Versorgung und Unterhaltung der Menschen sollen mit Hilfe solcher Werte optimiert werden. Der Mensch denkt und forscht und entwickelt und gerät im Gefüge dieser Werte in Sachzwänge, die auf Vermehrung der Vermögen ausgerichtet sind. ...

Wir haben globale Visionen für die Rettung der Welt. Aber schon die kleinen Schritte sind so schwer. Ganze Völker brauchen Rettung vor Hunger und Krieg. Aber schon die wenigen Armen bei uns selber können wir kaum retten. Meere stehen vor dem Umkippen. Aber schon die Rettung eines einzigen verschmutzten Baches kostet fast unbezahlbar viel. ...

"Der Mensch denkt sich seinen Weg, aber Gott lenkt seinen Schritt." Diese alte Weisheit will uns bessere Erkenntnis zuteil werden lassen. Lassen wir uns nicht täuschen, von den Göttern unserer Zeit. Lassen wir die Wirklichkeit Gottes an uns heran, dann wird uns schon bald klar, die alten Bilder - "Haste was, dann biste auch was." - funktionieren nicht mehr. ...

Ein neues Jahr ohne Sorgen und Schmerzen wird es nicht geben. Das ist es auch nicht, was wir wirklich brauchen. Was wir brauchen, ist einzudringen in das Geheimnis Christi, ihn unseren Weg lenken lassen. Das ist die Chance des neuen Jahres. Es soll Neues geben in unserem Leben. Träume sollen reifen zur Erfüllung, und Erfüllung wird neue Verheißung. Alleine schaffen wir es nicht. Wir brauchen die anderen. Wir brauchen die Freunde und Freundinnen. Menschen, denen wir vertrauen, und Gott, in dem wir unsere Pläne entdecken. ..."

Hannover, den 1. Januar 2001
Pressestelle der EKD