Zum Welt-Aids-Tag 2000

Statement des EKD-Ratsvorsitzenden, Präses Manfred Kock, bei der gemeinsamen Pressekonferenz der EKD und des Deutschen Institutes für ärztliche Mission (DIFÄM) zum Thema "Aids in Afrika und die Kirchen"

28. November 2000

Afrikas Not ins Blickfeld rücken

Anlässlich der Reise einer Delegation des Rates der EKD im August dieses Jahres rückte die HIV/AIDS Problematik in den Mittelpunkt vieler Begegnungen. Die AIDS-Problematik hat in Namibia und Südafrika, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern, das Ausmaß einer nationalen Katastrophe angenommen. Nach Angaben von UN-AIDS sind derzeit 24.5 Mio. Menschen südlich der Sahara HIV-infiziert, das sind 70 % aller weltweiten Infektionen. In sechzehn schwarzafrikanischen Ländern haben sich bereits mehr als 10 % der erwachsenen Bevölkerung angesteckt. Südafrika hält den traurigen absoluten Rekord mit 4.2 Mio. Infizierten. Bei nahezu allen Begegnungen der Ratsdelegation wurde das AIDS-Problem in der einen oder anderen Weise angesprochen. Absolut schockierend sind dabei die nüchternen Zahlen, unfassbar das menschliche Leid, das dahinter steht. Es wird mit täglich ca. 1500 Neuinfektionen gerechnet, die Hälfte aller heute Fünfzehnjährigen werden Opfer von Krankheiten sein, die durch die Immunschwäche ausgelöst werden. Konservative Berechnungen gehen davon aus, dass allein in Südafrika bis zum Jahre 2010 ca. 5 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS sterben werden. Bis zum gleichen Zeitpunkt muss nach den vorliegenden Zahlen mit ca. 2 Millionen AIDS-Waisenkinder gerechnet werden. Derzeit gibt es bereits rund 200.000 AIDS-Waisen allein in Südafrika.

Herausforderung für die Kirchen - die Angst vor der Ausgrenzung überwinden

Trotz Anzeigenkampagnen und einzelner Äußerungen von Einrichtungen wie z.B. den nationalen Kirchenräten oder einzelner Kirchenführer, ist in Südafrika und Namibia AIDS immer noch ein Tabu-Thema. AIDS-Aufklärung ist dringend notwendig. Die Aufklärung wird aus Angst vor Ausgrenzung, überkommene Moralvorstellungen etc. enorm erschwert. Das Sprechen über Sexualität ist in der afrikanischen Welt in der Regel völlig tabu. Auch Lehrer oder Pfarrer wagen es kaum, darüber zu sprechen. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Ursachen der Epidemie muss hingewiesen werden. So arbeiten z.B. viele Männer in weit entfernten Städten und kommen nur selten im Jahr zum Familienbesuch nach Hause. Die Aufklärungsarbeit unter Männern scheint schwierig zu sein. Zunehmend wird für viele Frauen das Zusammenleben mit ihren Männern wegen der Infektionsgefahr zum Alptraum. Für viele wird die Ehe zur ausweglosen Todesfalle. Das Sexualverhalten zu verändern, setzt voraus, dass Frauen mehr Einfluss erhalten.

Kulturelle und ökonomische Gegebenheiten in Frage zu stellen und zu verändern fordert auch die Kirchen Afrikas und ihre ökumenischen Partner heraus, auf diese wohl derzeit größte Katastrophe Afrikas nachhaltig zu reagieren.

Kirchen haben in Afrika eine starke Stellung im Einfluss auf das alltägliche Verhalten und im Gesundheitswesen. Deshalb können sie wesentlich zur AIDS-Vorbeugung beitragen. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Kirchen zunehmend ein Teil der Lösung dieses so dringenden globalen Problems werden. Dazu müssen sie allerdings heikle Fragen wie das Sexualverhalten und das Geschlechterverhältnis ansprechen.

Beispiele von Reaktionen von Kirchen:

  • Evang. Luth. Kirche in Tansania (ELCT). Seit 1987 führt sie Aids-Kontrollprogramme und Aufklärung durch. Die Benutzung von Kondomen war und ist bis heute ein Tabu. Die beiden einzigen akzeptierten Methoden, sich zu schützen, sind Abstinenz sowohl eheliche Treue. Kondome und Sexualaufklärung für Jugendliche wird abgelehnt. Sie fördern angeblich die Promiskuität.

  • Heilsarmee. Eine der aktivsten Kirchen in der AIDS-Arbeit, nicht nur in Afrika. Hauptsächlich auf dem Gebiet der Betreuung von Patienten.

  • Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) hat AIDS inzwischen zu einem Schwerpunktthema gemacht: Aufklärung allein über die Massenmedien und frontale Unterrichtsmethoden verfehlen das eigentliche Ziel, nämlich das Verhalten von Menschen auf einem so sensiblen Gebiet wie der Sexualität zu verändern. Da das Sexualverhalten von Traditionen, kulturellen und sozio-ökonomischen Strukturen geprägt ist, reichen Informationsarbeit und Aufklärung nicht. Das "Participatory Action Research Programme" der Kirchen (Pilotprojekte in Uganda, Tansania und Zaire) zeigt bemerkenswert positive Ergebnisse.
Durch die Hilfswerke der EKD müssen in Kooperation mit dem Deutschen Institut für ärztliche Mission (DIFÄM) Aktionen wie oben beschrieben finanziell unterstützt werden. Darüber hinaus ist jedoch in erster Linie auch das Gespräch mit unseren kirchlichen Partnern zu suchen, wie die weitverbreitete TABUISIERUNG dieses Themas in den Kirchen überwunden werden kann. Unsere Anstrengungen zu besseren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Afrika müssen mit diesen Bemühungen Hand in Hand gehen.

Verstärkte Förderung von Projekten auf dem Gebiet der Impfstoffforschung durch die Bundesregierung

Langfristig eröffnet ein Impfstoff die besten Aussichten, die Epidemie zu kontrollieren. Hierzu sollten insbesondere Länder, die sowohl über die finanziellen als auch über die wissenschaftlichen Voraussetzungen verfügen, ihren Beitrag leisten. Großbritannien und die USA tun dies schon in größerem Umfang. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat signalisiert, hier mehr tun zu wollen. In einem Schreiben an die Bundesministerin für Gesundheit, Frau Andrea Fischer, wurde vor wenigen Tagen anlässlich des Welt-AIDS-Tages die Notwendigkeit der Unterstützung einer internationalen Initiative (International AIDS Vaccine Initiative = IAVI), die es sich zum Ziel gesetzt hat, Forschungsprojekte gerade auch in Afrika finanziell und wissenschaftlich zu fördern, unterstrichen. Die EKD wird dieses Anliegen weiterhin mit großem Nachdruck verfolgen.

Düsseldorf / Hannover, 28. November 2000
Pressestelle der EKD